#Bundespressekonferenz

Twitter und die Hauptstadtjournalisten: Die Sorge um das Frage-Kontrollinstrument

von , 3.4.11

Worum ging es eigentlich bei der bemerkenswerten Twitter-Diskussion in der Bundespressekonferenz? Ging es um eine “Meute Gestriger, die ohne Wissen und ohne Recherche über eine Technik, die längst weit verbreitet ist, unkundigen Unsinn verbreitet.” (Thomas Knüwer)? Ging es um das Unbehagen mit den neuen Kommunikationskanälen? Oder gibt es möglicherweise doch einen institutionellen Konflikt, der den Unmut der Hauptstadtjournalisten rechtfertigt?

Gestern erreichte Carta die Mail eines Tageszeitungsredakteurs, der die Diskussion nicht als “Technikalie” verstanden wissen will, sondern als notwendige Debatte um die gebotene “Verantwortung” (in Sinne von: Pflicht zu antworten) der Regierung. Die Hauptstadtpresse übe ihre Kontrollfunktion nun einmal maßgeblich durch kritisches Nachfragen aus. Nachdem sich Karl-Theodor zu Guttenberg mit seiner Adhoc-Pressekonferenz zur Plagiatsaffäre den Journalistenfragen entzogen habe, seien die Kollegen in Berlin alarmiert, dass die Regierungskommunikation immer mehr direkte Wege gehe – und sich den kritischen Nachfragen zu entziehen suche.

Diese Interpretation und Analyse wären nicht meine (ich halte sie für deutlich zu strukturkonservativ), aber sie erklären, wo aus Sicht vieler betroffener Hauptstadtjournalisten der eigentliche Konflikt liegt: Es gehe um das wichtige Kontrollinstrument der journalistischen Frage, das durch Twitter bedroht sein könnte.

Stefan Niggemeier hat sich als gut bezahlter Qualitätsjournalist für die FAS die Zeit genommen, noch einmal mit Mitgliedern der Bundespressekonferenz über die Angelegenheit zu sprechen. Auch Dieter Wonka, der Hauptstadtkorrespondent schlechthin, zieht dabei eine Linie von zu Guttenberg-Pressekonferenz, über twitternden Regierungssprecher hin zur Sorge um das “Recht auf die letzte Frage”:

Andererseits, sagt Dieter Wonka, lässt sich die Aufregung in diesem Fall vielleicht auch durch die noch frische Erfahrung mit Karl-Theodor zu Guttenberg erklären, der im entscheidenden Moment kritischen Fragen von Journalisten auswich. „Man kann viel gegen die Bundespressekonferenz sagen, aber immerhin haben wir hier immer die letzte Frage. Diese kritischen Nachfragen haben schon den ein oder anderen Politiker in ernste Bedrängnis gebracht.

Möglicherweise also gibt es diese zweite Seite der Twitter-Debatte: Die Hauptstadtjournalisten und die Sorge um ihr Frage-Kontrollinstrument. Ganz sicher aber gibt es auch die erste, augenfällige Seite: Das Drama um die neuen Kommunikationskanäle und die Technikommpetenz des Hauptstadtjournalismus. Niggemeier beschreibt es so:

Doch es geht um mehr als um technische Abläufe. Es geht um die Frage, wie sich politische Kommunikation verändert, wenn sie plötzlich nicht mehr auf Mittelsleute wie Nachrichtenagenturen oder Journalisten generell angewiesen ist. Einerseits können die kurzen Botschaften zum Beispiel eines Regierungssprechers helfen, Politik begreifbar, interessant und zugänglich zu machen. Wenn, wie bei Seibert, echte Dialoge entstehen, kann das einer Demokratie nur gut tun. Wie grotesk wirkt es da, dass ausgerechnet Journalisten, deren Beruf Kommunikation ist oder sein sollte, sich neuen technischen Formen verweigern und versuchen, Seibert als jemanden zu verunglimpfen, der durch seine Präsenz bei Twitter nur auf cool und modern machen will?

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