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Fragwürdige Statistiken: Warum die FDP bei der Forschungsgruppe Wahlen so oft schlecht abschneidet

von , 17.5.09


Die meisten Bundesbürger kennen die Forschungsgruppe Wahlen aus dem ZDF, wenn dort die Umfrageergebnisse des Meinungsforschungsinstituts veröffentlicht werden. Den Verein Forschungsgruppe Wahlen e.V. (FGW), Institut für Wahlanalysen und Gesellschaftsbeobachtung, gibt es bereits seit 1974. Nahezu immer, wenn das ZDF eine Wahlsendung sendet, ist auch die FGW mit dabei. Ihre Hauptaufgabe ist die wissenschaftliche Beratung und Betreuung von Sendungen des ZDF mit den Themenschwerpunkten politische Wahlen, Wählerverhalten, Meinungen zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragen sowie die Beratung und Evaluierung bei der Verwendung von sozialwissenschaftlichen Daten in Sendungen des ZDF. Auch die monatlichen Politbarometer-Sendungen im ZDF basieren auf Umfrageergebnissen der FGW.

Als Meinungsforschungsinstitut gehört die FGW zu den großen und bekannten Umfrageinstituten wie dem Institut für Demoskopie Allensbach, Infratest Dimap, TNS Emnid oder Forsa. Während sich alle Umfrageinstitute als unabhängig und überparteilich präsentieren, ist es dennoch kein Geheimnis, dass zum Beispiel die Gründerin des Allensbacher Instituts, Elisabeth Noelle, der CDU nahe steht und mit einem CDU-Abgeordneten verheiratet war. Ebenso ist bekannt, dass der SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi das Institut Infratest gründete und Ende der 60er Jahre dessen geschäftsführender Gesellschafter war. Es heißt auch, in den Umfrageergebnissen von Forsa schneide regelmäßig die SPD schlechter ab.

Analysiert man die Umfrageergebnisse der FGW, so fällt auf, dass die FDP bei ihr seit Jahren regelmäßig schlechter abschneidet als bei allen anderen Instituten. „Wir haben seit geraumer Zeit beobachtet, dass an Wahltagen die Prognose der Forschungsgruppe sehr nah am tatsächlichen Wahlergebnis ist, vor den Wahlen aber – jedenfalls was die FDP betrifft – sehr weit darunter und auch immer unter den FDP-Umfragewerten der anderen Institute“, beklagt sich der Generalsekretär der FDP, Dirk Niebel. „Diesen lang andauernden signifikanten Unterschied habe ich auch bereits im ZDF-Fernsehrat angesprochen. Zuletzt wurde bei der Forschungsgruppe aber der Aufwärtstrend für die FDP, den andere Institute bereits gemessen hatten, nachgezeichnet“, so Niebel gegenüber CARTA. Die „Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe Wahlen e. V.“ stand im letzten Jahr sogar auf der Tagesordnung von ZDF-Aufsichtsgremien. Sitzungsteilnehmer Niebel ist in Erinnerung, dass dabei auch eine Überprüfung der Methodik der FGW zur Sprache kam.

Auf der Internetseite wahlrecht.de schrieb 2006 ein Nutzer: „Kann mir jemand erklären, warum die FDP bei der FG Wahlen zwei bis drei Punkte schlechter liegt, als bei den übrigen Instituten? Man kann ja noch nicht mal sagen, das sei eine Bandbreite von x bis y, bei dem die FG Wahlen halt das eine Ende besetzt, weil sich die übrigen Institute ja mit neun bis zehn Prozent einig sind.“

Nimmt man den Mittelwert der FDP-Ergebnisse bei den zehn letzten Sonntagsfragen der fünf großen Institute, kommt man bei Emnid auf 14,6 Prozent, bei Allensbach auf 12,36, bei Infratest Dimap auf 14,9 und bei Forsa sogar auf 16 Prozent. Bei der Forschungsgruppe schneidet die FDP mit 12,8 Prozent am zweitschlechtesten ab. Vor wenigen Wochen schnitt die FDP bei diesem Vergleich bei der Forschungsgruppe Wahlen mit 12,3 Prozent am schlechtesten ab. Bei der Bundestagswahl 2005 sagte die Forschungsgruppe Wahlen der FDP ein Ergebnis von 6 Prozent voraus, am Wahlabend erhielt die FDP aber 9,8 Prozent. Auch bei den Landtagswahlen in Hessen wurde die FDP von der Forschungsgruppe im Vorfeld jeweils um 1,2 bis 1,4 Prozentpunkte schlechter eingeschätzt als sie später abschnitt.

Doch wem sollte ein schlechtes FDP-Ergebnis bei den Umfrageergebnissen der FGW nützen? Ein schlechtes Ergebnis schadet auf den ersten Blick dem bürgerlichen Lager, in dem die FDP als Mehrheitsbeschafferin fungiert. Es nützt aber auch den anderen kleinen Parteien, wenn sie hierdurch im Vergleich besser da stehen als die Liberalen. Ein schlechtes FDP-Ergebnis nützt aber vor allem der CDU, wenn sie gegenüber ihrem traditionellen Koalitionspartner das größere Gewicht hat – auf den Gesamtanteil des bürgerlichen Lagers wirkt sich dies ohnehin nicht aus.

Im Verwaltungsrat des ZDF hat die CDU die Mehrheit. Die FGW wird ausschließlich durch das ZDF finanziert. Böse Zungen könnten meinen, hier träfe der Satz „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ zu. Erst kürzlich hat der hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch versucht, im Zusammenhang mit der Neubesetzung des Chefredakteurspostens Einfluss auf die Politik des ZDF zu nehmen. Andrea Wolf, Mitglied des Vorstands der Forschungsgruppe Wahlen verteidigt sich damit, dass „alle Institute für die sog. Sonntagsfrage –  bei der Forschungsgruppe Wahlen ist das die Projektion – Änderungen an den tatsächlich gemessenen Umfragewerten vornehmen, denen Gewichtungsverfahren oder andere Modellrechnungen zu Grunde liegen“. Um hier Transparenz zu gewährleisten, veröffentliche die FG Wahlen als einziges Institut neben der Projektion auch zeitgleich die politische Stimmung, also die in der Umfrage erhobenen Anteile für die Parteien, so Wolf.

Eine Erklärung für das empirisch belegbare schlechte Abschneiden der FDP in den Umfrageergebnissen der FG Wahlen könnte auch ein Blick in die Geschichte geben: Die drei Gründungsvorstände der FGW, Manfred Berger, Wolfgang Gibowski und Dieter Roth waren vor der Gründung Mitarbeiter des Mannheimer Wahlforschungsteams um den Wahlsoziologen Rudolf Wildemann gewesen, welches schon 1965 Hochrechnungen und Prognosen für das ZDF durchführte. Schon der Wahlforscher Wildemann war offenbar eher der CDU als der FDP zugeneigt. Wie ein früherer Weggefährte Wildemanns berichtet, habe Wildemann den CDU-Politiker Lothar Späth beraten, der ihm an der Universität Mannheim „eine Forschungsstelle eingerichtet“ habe. In dem wissenschaftlichen Buch „Die Bundestagswahlkämpfe der FDP 1949 – 2002“ schreibt der Autor Marco Michel über einen Aufsatz Wildemanns in der Kölner Zeitschrift für Soziologie: „Zusätzlich skizziert Wildemann die Ausgangslage vor der Wahl, bei der er die FDP fast ignoriert und ihr einen ‚Kampf um [die] Existenz’ voraussagt“.

In einem „Zeit“-Artikel von 1965 legt Wildemann dar, wie genau seine Prognosen nach der Wahl waren: „Die Abweichungen gegenüber dem tatsächlichen Ergebnis betrugen im Falle der Wahlbeteiligung 1,1 Prozent, bei der CDU 0,4 Prozent und bei der SPD 1,6 Prozent. Im Fall der FDP war die Differenz 1,4 Prozent gegenüber der oberen Grenze“. Den Grund für „die relativ größere Abweichung im Fall der FDP“ sah Wildemann darin, dass die Partei „in den letzten vierzehn Tagen des Wahlkampfes einen nicht unerheblichen Gewinn erzielt“ habe.

Die Frage, warum die FDP bei der Forschungsgruppe Wahlen häufig so schlecht abschneidet, bleibt schließlich ein Rätsel. Doch ohnehin sollte man nur solchen Umfrageergebnissen glauben, die man selbst hochgerechnet hat.

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