#Klimapolitik

Technologietransfer: Geistiges Eigentum vs. Klimaschutz?

von , 8.5.09


Seit dem Jahr 2007 prägt der „Bali Action Plan“ die Verhandlungen um ein Post-Kyoto-Abkommen, das seinen erfolgreichen Abschluss Ende 2009 in Kopenhagen finden soll. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen der langfristigen globalen Reduktionsanstrengungen, die spezifischen nationalen Vermeidungsziele, Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel und grundsätzliche Entscheidungen über die Bereitstellung von Finanzierungsmechanismen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Erhöhung des Klimaschutzpotenzials in Entwicklungs- und Schwellenländern. Zu diesen breit debattierten Themenfeldern gesellt sich der Technologietransfer scheinbar als Nebenkriegsschauplatz im Ringen um den einen großen Kompromiss. Ursächlich für die geringe Aufmerksamkeit gegenüber diesem zentralen Thema ist einerseits seine mangelnde Quantifizierbarkeit (ganz im Gegensatz zur Reduktion um X Prozent oder der Bereitstellung von finanziellen Mitteln in Höhe von X Milliarden Euro), andererseits die komplexe Konfliktsituation.

Die Industrieländer – allen voran die Europäische Union – haben sich mehrheitlich dazu bekannt, ihre Emissionen mittel- und langfristig zu reduzieren. Dies entspräche ihrer historischen und moralischen Verantwortung für ein Wachstumsmodell, das ihnen zwar Wohlstand gebracht hat, dessen Kopie durch andere Regionen der Welt jedoch möglichst verhindert werden sollte. Trotz der beginnenden Klimaschutzbemühungen des Westens scheint es jedoch unumgänglich, dass auch die Entwicklungs- und Schwellenländer einen Beitrag leisten, um den globalen CO2-Haushalt nicht langfristig aus dem Takt zu bringen. Bemüht man ein häufig genutztes Beispiel, so wiegt die Erfolgsgeschichte erneuerbaren Energien in Deutschland aus globaler Perspektive wenig, wenn zur gleichen Zeit in China jede Woche ein Kohlekraftwerk ans Netz geht. Reduktionsanstrengungen könnten entsprechend mit weniger finanziellem Aufwand auf der anderen Seite des Globus einen höheren klimapolitischen Nutzen bringen, als dies innerhalb der weiter entwickelten Staaten Europas der Fall ist.

Bislang wurden Maßnahmen in den Entwicklungs- und Schwellenländern in erster Linie über den Clean-Development-Mechanism (CDM) gesteuert. Durch dieses Instrument konnten sich Unternehmen, die im Europäischen Emissionshandelssystem zum Erwerb von Zertifikaten für ihren CO2-Ausstoß verpflichtet sind, durch die Finanzierung von Projekten außerhalb des Emissionshandelssystems „freikaufen“. Auch wenn der Mechanismus in der Vergangenheit stark in die Kritik geriet, so muss doch festgehalten werden, dass er bislang das einzig wirksame internationale Klimaschutzinstrument darstellt. Europäische Unternehmen können somit vergleichsweise günstig Klimaschutz betreiben, Investitionen fließen in die Entwicklungs- und Schwellenländer und dem Klima ist es egal, wo auf der Welt die Emissionen eingespart werden.

Das zentrale Problem wird dadurch jedoch nicht gelöst: Außer den durch CDM finanzierten Vorzeigeprojekten vollzieht sich die technische Entwicklung in China, Indien und anderen Staaten analog zum westlichen Wachstumsmodell, nämlich auf der Grundlage der Nutzung quasi unbegrenzt vorhandener fossiler Rohstoffe – in erster Linie der Kohle. Das Wissen rund um die Nutzung effizienter Technologien im Kraftwerksbau, die Entwicklung kostenneutraler erneuerbarer Energietechnologien oder die künftige Verwendung von Carbon-Capture-and-Storage (CCS) zur unterirdischen Speicherung von CO2, all dies ist für Unternehmen aus westlichen Industriestaaten finanzierbar, nicht aber für Kraftwerksbetreiber oder produzierendes Gewerbe in Entwicklungsländern. Die technologischen Kapazitäten rund um den Bau von effizienten Anlagen stellen jedoch gleichzeitig das Geschäftsgeheimnis europäischer Unternehmen dar, die wiederum jährlich einige Millionen Euro in Forschungsabteilungen investieren, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben. Das Ideal einer freien Verteilung dieses Wissens würde vermutlich zum Exodus einzelner Firmen, noch viel schlimmer aber, zum Ende der Investitionen in die unternehmerische Forschung in „saubere Technologien“ führen.

Das Dilemma liegt also im Ausgleich zwischen politischen Zielen, wirtschaftlichen Interessen und letztlich der Frage nach dem Recht auf geistiges Eigentum begründet. Aus klimapolitischen Gesichtspunkten ist der (möglichst kostenfreie) Transfer von technologischem Wissen in die Entwicklungs- und Schwellenländer ein erstrebenswertes Ziel. Nur durch eine globale Veränderung der Produktionsweise könnte der Klimakollaps aufgehalten werden. Gleichzeitig würde die freie Weitergabe von Wissen globale Wettbewerbsvorteile einzelner Branchen aufheben, da Produkte in Folge dessen in anderen Regionen der Welt ebenso ressourceneffizient produziert werden. Schließlich erweisen sich langjährige Forschungsanstrengungen von Unternehmen als Flop, wenn sie der ausländischen Konkurrenz umgehend zur Verfügung gestellt würden. An dieser Stelle müsste es einerseits im Eigeninteresse des Staates liegen, das geistige Kapital seiner Volkswirtschaft zu schützen, andererseits jedoch ebenso auf einen raschen Transfer zu drängen, um die „Klimakatastrophe“ aufzuhalten. Die Problemlage erweist sich also als durchaus komplex und bedarf innovativer Lösungsansätze.

Bislang stehen sich die Forderungen der Industrieländer auf der einen und der Entwicklungs- und Schwellenländer auf der anderen Seite unvereinbar gegenüber. Die Staaten der Europäischen Union scheinen nicht gewillt, Patentrechte ihrer eigenen Unternehmen zu erwerben, um diese gratis zu transferieren. Die Entwicklungsländer hingegen geben sich nicht mit Vorschlägen wie der Gründung von Technologieinformationsplattformen zufrieden, die technologische Innovationen wie ein Werbekatalog mit Preisetikett anbieten.

Die Scheu vor dem Eingriff in die Eigentumsrechte europäischer Unternehmen bzw. vor der Bereitstellung hoher Entschädigungsleistungen für den Aufkauf von Patenten wiegt derzeit noch schwerer, als die Furcht vor dem Ansteigen der Meeresspiegel. Ob sich dies in naher Zukunft ändert, werden die Verhandlungen bis Dezember ergeben.

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