#Bashar al-Assad

Drei Thesen zu Syrien

von , 21.9.16

In der Debatte über den Syrien-Krieg prallen weit voneinander entfernte Positionen aufeinander. Diese scheinen oft unvereinbar zu sein, weil die zugehörigen Grundannahmen gegensätzlich sind. Ist der russische Militäreinsatz gerechtfertigt, weil die legitime Regierung in Damaskus Hilfe ersucht hat? Wurden religiöse Spannungen von den Golfstaaten in das ehemals säkulare Land exportiert? Kann man mit Extremisten überhaupt verhandeln? Drei Fragen, die es Wert sind, näher betrachtet zu werden, und die dazugehörigen Thesen.

1. Die Regierung Bashar al-Assads ist demokratisch gewählt und legitim

Nominell ist Syrien eine Demokratische Sozialistische Republik. Der amtierende Präsident Bashar al-Assad wurde im Jahr 2000, kurz nach dem Tod seines Vaters Hafez al-Assad, einstimmig von der allmächtigen Baath-Partei zum Generalsekretär und Präsidentschaftskandidaten ernannt. Seine Wahl zum Präsidenten erfolgte kurze Zeit später durch ein Referendum mit einer Zustimmung von mehr als 97%. Das politische System Syriens kennt und kannte jedoch keine Strukturen, die gemeinhin als demokratisch verstanden werden: Weder gab es einen Gegenkandidaten, noch war Oppositionsarbeit erlaubt. Die Wahl — oder vielmehr Berufung — Bashar al-Assads zum Präsidenten fand im Rahmen einer bestehenden Diktatur statt. Hafez al-Assad hatte sich 30 Jahre zuvor an die Macht geputscht und regierte mit der von ihm im Rahmen der „Korrekturbewegung“ gleichgeschalteten Baath-Partei eisern. Freie Wahlen gab es in Syrien nicht. Dafür aber mehr als 18 Geheimdienste und ein ausgeprägtes Spitzelsystem. Fraglos wird das Konzept „Demokratie“ auf der ganzen Welt unterschiedlich umgesetzt. Der Wortbedeutung — „Herrschaft des Volkes“ — wurde das System in Syrien aber nie gerecht. Deshalb ist es schwierig, die amtierende Regierung als legitim zu bezeichnen. Schließlich wurde der geduldeten Opposition keine Möglichkeit zur Partizipation gegeben während von der Baath-Ideologie abweichende Parteien von vornherein verboten wurden.

2. Syrien war vor Beginn der Aufstände ein säkularer Staat

Während der Herrschaftszeit des Assad-Clans habe es keine konfessionellen Spannungen gegeben. Syrien sei ein säkularer Staat gewesen, heißt es regelmäßig. Diese These hält schon einem Blick in die Verfassung nicht stand: Nicht nur in der Rechtsprechung ist die Sharia als eine Hauptquelle vermerkt, auch der Präsident muss muslimischen Glaubens sein. Religion spielte in Syriens Gesellschaft jeher eine bedeutende Rolle und war eine zentrale Linie entlang derer politische Konflikte verliefen. Hafez al-Assads brutales Vorgehen gegen die syrische Moslembruderschaft, dem 1982 zehntausende Syrer zum Opfer fielen, ist dabei nur ein prominentes Beispiel. Nachdem die USA im Jahr 2003 in den Irak einmarschiert waren, erklärte der von der Regierung eingesetzte Großmufti Ahmed Muhammad Amin Kuftaro sogar öffentlich den Kampf gegen die Besatzer als heilige Pflicht und rief zum Dschihad auf. In den Folgejahren wurde Syrien zum Dreh- und Angelpunkt islamistischer Kämpfer die zu Tausenden mit Hilfe der syrischen Geheimdienste in den Irak einsickerten. Radikalsunnitische Strömungen gewannen so an Einfluss während Bashar al-Assad gleichzeitig dem Iran die Tür öffnete, der hunderte schiitische Stätten und Bildungseinrichtungen in Syrien etablierte. Ähnlich wie die Baath-Partei unter Saddam Hussein im Irak vermochten es auch die Assads, religiöse Spannungen in der Öffentlichkeit vorläufig zu unterdrücken. Da der Machterhalt jedoch auf der Instrumentalisierung ebenjener Spannungen beruhte, ist es wenig verwunderlich, dass sie sich schließlich umso drastischer entluden.

3. Mit Extremisten kann man nicht verhandeln

Vorweg: Syriens bewaffnete Opposition wird mittlerweile fraglos von islamistischen Gruppen dominiert. „Islamistisch“ bezeichnet dabei übergreifend Bewegungen, welche den Islam als gesellschaftsordnendes Prinzip etablieren wollen. Das Spektrum dieser Bewegungen reicht von Salafisten bis hin zu national ausgerichteten Dschihadisten. Ganz gleich welche Bezeichnung man ihnen zuordnen möchte, sie alle lehnen das bisherige System ab — wie eine neue Ordnung aussehen könnte ist jedoch ungewiss. Der tobende Krieg verhindert gesellschaftliche Konsolidierungsprozesse und lässt die nach wie vor existierende Zivilgesellschaft verstummen während Unsicherheit und Gewalt radikale Kräfte auf beiden Seiten der Bürgerkriegsparteien erstarken lassen. Wie auch immer man zur bewaffneten Opposition stehen mag, es führt kein Weg daran vorbei sie als Gesprächspartner anzuerkennen. Im Rahmen des Genfer Dialogs hat die bewaffnete Opposition, ausgenommen Al-Qaedas Ableger Jabhat al-Nusra, sich auf einen gemeinsamen Verhandlungsblock geeinigt und dessen Autorität demonstriert: Die Rebellen hielten den Ende Februar ausgehandelten relativen Waffenstillstand im Großen und Ganzen ein. Dialog ist keine Möglichkeit sondern ein Sachzwang, unabhängig davon, wie man zu den teilnehmenden Parteien steht. Nur durch Dialog kann ein Waffenstillstand erreicht werden, der wiederum ein Klima schafft in dem politische Entwicklung erst möglich ist. Zu dieser Einsicht ist man nach 15 Jahren sogar in Afghanistan gelangt, wo Anfang des Jahres Verhandlungen mit den Taliban geplant wurden.

 


Möchten Sie regelmäßig über neue Texte und Debatten auf Carta informiert werden? Folgen (und unterstützen) Sie uns auf Facebook und Twitter.

 

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.