Klartext der unvermeidlichen Kandidatin

von , 23.12.15

Das Kandidaten-Karussell dreht sich weiter. Am vergangenen Wochenende fand die dritte TV-Debatte der Demokraten statt, dieses Mal im altehrwürdigen Liberal Arts College St. Anselm, gelegen im unberechenbaren New Hampshire. Der Kleinstaat in Neuengland wählt mal republikanisch, mal demokratisch, weswegen Hillary Clinton noch penibler als ohnehin schon abwägt, was sie in die Mikrofone spricht. Auch gehen nur die Wähler in Iowa früher an die Urnen als in New Hampshire, beide Staaten gelten daher als Stimmungsbarometer für die restlichen 48. Was also bleibt vom Schlagabtausch Clinton – Bernie Sanders – Martin O’Malley?

Erstens: Die beiden Herren spielen nur noch eine Nebenrolle. Niemand zweifelt mehr an Clintons Nominierung durch die Partei. Die Spitzenreiterin konzentriert sich unverhohlen auf die derzeitige Nummer Eins im gegnerischen Lager, Donald Trump: Ein untrügliches Zeichen dafür, mit welchem Selbstbewusstsein die frühere First Lady mittlerweile auf ihre Kandidatur schaut. Das war nicht immer so. Hillarys Strategen war die Angst vor einem zweiten Obama, der urplötzlich auf der nationalen Bühne auftaucht, lange anzumerken. Der jugendliche Senkrechtstarter ist dieses Mal ausgeblieben, der linke Veteran Sanders zu alt und nicht mutig genug. Clinton wirkte in der umfunktionierten Turnhalle von St. Anselm befreit, das Störfeuer ihrer Konkurrenten schien ihr nicht wirklich etwas anhaben zu können. Nur wenn die Teams um Sanders und O’Malley doch noch eine Leiche in ihrem Keller finden – ein privater Email-Account wird nicht reichen –, könnte Hillarys steinreiche Wahlkampfmaschinerie noch ins Stocken kommen.

Clinton hat nun – zweitens – Luft für Themen, und zwar vor allem das Thema Terrorismus, welches den Amerikanern derzeit am meisten auf der Seele liegt. Und Clinton braucht an diesem Abend in New Hampshire ganze zwei Sätze (die übliche Dankesfloskel zu Beginn nicht eingerechnet), um auf den Islamischen Staat zu sprechen zu kommen. Der Kampf gegen den fundamentalistischen Terror steht wieder ganz oben auf der Agenda, mehrfach fällt das Stichwort 9/11 – in den USA längst eine Chiffre für die eigene Verletzlichkeit durch religiöse Fanatiker. Clinton stellt klar, dass der Präsident keine wichtigere Aufgabe hat, als das Land vor Gefahren zu schützen. Dabei gelingt es ihr, im gleichen Atemzug Trumps demagogische Angstmacherei zu entlarven und ihn selbst als den „besten Anwerber, den ISIS hat“, darzustellen. Eine rhetorische Meisterleistung, die den Gegner kleinmacht, vermeintlich ohne von der inhaltlichen Frage abzurücken.

Drittens legt die bisher vielen Wählern zu unverbindliche Hillary ihre Karten offen. Was heißt es, wenn sie sagt, dass ISIS nicht „eingedämmt“ werden könne, sondern „zerschlagen“ werden müsse? Eine Koexistenz mit dem Islamischen Staat kommt für die Vereinigten Staaten unter einer Präsidentin Clinton nicht infrage. Schon als Außenministerin, und noch mehr als erste Frau im Staat, steht Clinton für ein „energisches Eingreifen im Ausland“, wie es der New Yorker noch zurückhaltend formuliert. Um den IS zu besiegen, führt an amerikanischer Waffengewalt für sie kein Weg vorbei, und dieses Mal wird es – wie noch in Libyen – keinen Vorgesetzten Obama geben, der ihr in den Arm fällt. Das bedeutet mehr Sondereinsatzkräfte am Boden, Flugverbotszonen auf syrischem Gebiet, eine Intensivierung der Luftangriffe unter amerikanischer Führung und eine Aufstockung kurdischer und „arabischer“ Truppen am Boden, wie es Clinton ausdrückt. Es gilt nicht weniger als das globale Terror-Netzwerk zu zerstören und Terroristen aufzuspüren, und zwar von Nordafrika bis Südasien und „überall sonst“. Hillary wäre, sollte es tatsächlich fürs Weiße Haus reichen, auch oberste Befehlshaberin der Streitkräfte, eine Spezialität des US-Politiksystems. Sie wird nicht erst die Möbel im Oval Office umstellen, bevor sie ihre Agenda in die Tat umsetzt. Europa muss sich – und das ist die ernüchternde Erkenntnis des Wahlkampfes bisher – auf mehr, nicht weniger, Unruhe vor seiner Haustüre einstellen, gleich ob es die Welt mit einem republikanischen oder demokratischen Staatsoberhaupt zu tun bekommt.

 

 

Das Dossier #Election2016 geht in die Winterpause und verabschiedet sich mit einem kleinen Weihnachtsquiz! Viel Spaß beim mitraten! (Antworten unten)

 

1. Was hat es mit diesem lustigen Puzzleteil auf sich, und warum hat es diese Form?

Quelle: www.truthinaccounting.org

Quelle: www.truthinaccounting.org

 

2. Wer wissen will, wer die Präsidentschaftswahl 2016 gewinnt, sollte diesen Staat im Auge behalten: Schließlich ist seit 1960 niemand mehr ins Weiße Haus eingezogen, ohne ihn zu gewinnen:

a) Michigan
b) Ohio
c) Virginia

 

3. Wie viele Präsidenten sind im Amt gestorben?

a) Fünf
b) Neun
c) Acht
d) Zwölf

 

4. Wer war der erste Präsident, der gegen eine Kandidatin angetreten ist?

a) Ulysses S. Grant
b) Richard Nixon
c) Ronald Reagan
d) Barack Obama

 

5. George H.W. Bush, Bill Clinton, George W. Bush, Hillary Clinton: Alle haben an der Elite-Universität Yale studiert, manche sehr erfolgreich. Und alle haben im Wahlkampf oder während ihrer Präsidentschaft den Vorwurf zurückgewiesen, wenig mit dem Durchschnittsamerikaner zu tun zu haben. Das ist schon in Sachen Ausbildung mehr als fraglich: Yale veranschlagt auf seiner Homepage aktuell folgende jährliche – Zitat: „vernünftig, wenn auch bescheiden geschätzte“ – Kosten z.B. für Architekturstudenten: 66.000 – 68.000 US-Dollar (Tuition, Gebühren, KV, Unterkunft und weitere Ausgaben für Bücher usw.). Das Durchschnittsgehalt eines US-amerikanischen Haushalts beträgt hingegen gegenwärtig (2013):

a) ca. 51.000 US-Dollar
b) ca. 70.000 US-Dollar
c) ca. 100.000 US-Dollar

 

 

Die Antworten:

1. Es handelt sich um ein extremes – aber nicht das extremste – Beispiel fuer Gerrymandering, das gezielte Zuschneiden von Wahlbezirken, um die eigene Mehrheit zu sichern: gebraeuchliche Praxis in den USA. Der abgebildete Bezirk ist als “earmuffs” bekannt: Ohrenschuetzer.

2.b

3.c: Die Haelfte starb eines natuerlichen Todes, die anderen vier wurden ermordet.

4.a: Schon 1872 trat Ulysses S. Grant gegen Victoria Woodhull von der Equal Rights Party an.

5.a

 


Im Dossier #Election2016 wird sich Carta in den kommenden zwölf Monaten mit den Kandidaten, Kampagnen und Konzepten von Demokraten und Republikanern beschäftigen. Wohin bewegen sich die Vereinigten Staaten von Amerika? Und welche Rolle wird Europa, wird Deutschland zukünftig spielen?

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