#AfD

Kopftuchurteil: Dem politischen Islam auf den Leim gegangen!

von , 16.3.15

 

„Also sang er mit edlem Wesen, mehr zaghaft als laut und mit einer Stimme, welche wie von einem geheimen Kummer leise zitterte, auf Polnisch:
Hunderttausend Schweine pferchen
Von der Desna bis zur Weichsel,
Und Kathinka, dieses Saumensch,
Geht im Schmutz bis an die Knöchel!

Hunderttausend Ochsen brüllen
Auf Wolhyniens grünen Weiden,
Und Kathinka, ja Kathinka
Glaubt, ich sei in sie verliebt!
»Bravo! Bravo!« riefen alle Herren, mit den Händen klatschend, und Nettchen sagte gerührt: »Ach, das Nationale ist immer so schön!« Glücklicherweise verlangte niemand die Übersetzung dieses Gesanges.“
aus: Kleider machen Leute von Gottfried Keller, 1874

 

Deutschland schlägt vor Freude Purzelbäume. Von der AfD bis zur Linkspartei, von den islamischen Verbänden bis zu den Verantwortlichen diverser Kirchen schreien alle Hurra! Hurra! Und nochmal Hurra! So einig hat man Politik und Gesellschaft und Teile der liberalen Medien selten erlebt. Sie werden nicht müde zu wiederholen, dass sie alle „sehr glücklich“ sind. Endlich! Endlich!

Was ist passiert? Hat eine Fee über Nacht alle Probleme in und um Deutschland gelöst? Es scheint fast so. Wer hätte auch ahnen können, dass das größte Problem Deutschlands das Kopftuchverbot für Lehrerinnen gewesen war? Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht ein neues Urteil gefällt und für die Kopftuchträgerinnen den Weg in das deutsche Klassenzimmer geebnet. Alle sind super glücklich! Alle? Nein! Ich bin es nicht und ich halte dieses Urteil für falsch. Es ist ein zwar nett gemeintes, aber weltfremdes Urteil. Ein Urteil, das dem politischen Islam auf den Leim gegangen ist. Für den politischen Islam ist es ganz sicher ein großartiges Ereignis. Hat er es doch geschafft, seine „Fahne“, „sein Zeichen für die Ehre der Frau“ – wie das Kopftuch gerne von den Islamisten genannt wird, auch am Kopf deutscher Beamtinnen durchzusetzen.

Ein Schelm, der glaubt, hier ginge es um berufsrechtliche Fragen. Es ist und bleibt die muslimische Variation der alten feministischen Frage: Sind Frauen Herrinnen im eigenen Haus, dürfen sie selbst über ihren Körper bestimmen oder müssen sie sich von den Männern vorschreiben lassen, was sie zu tun und was sie zu lassen haben?

Der konservative Islam kennt den Begriff „avret“. Damit werden die Körperteile bezeichnet, die nicht öffentlich gezeigt werden dürfen. Während sich für die meisten konservativen Muslime diese Zone bei den Männern auf die Region zwischen Bauchnabel und Knie beschränkt, ist es bei Frauen so, dass nur das Gesicht bis zur Kinnspitze und die Hände gezeigt werden dürfen. Nicht wenige Konservative bezeichnen die Frau als „avret“, das heißt der gesamte Körper der Frau wird zu einer Tabuzone erklärt. Unzählige Veröffentlichungen beschäftigen sich mit den Bekleidungsvorschriften der Frau, die Haarspalterei geht zum Teil ins Absurde. Fazit ist, dass der Körper der Frau als Sexualobjekt definiert wird, den sie vor den Männern aktiv schützen muss. Vor ihren Blicken genauso wie vor ihren Begierden.

Dieses frauenfeindliche Denken wird als „farz“ – als Gottes Befehl definiert – und immer wieder mit Koransuren und Hadithen untermauert. Die so hergestellte Verbindung von Moral, Religiosität und Sexualität wird schon den jüngsten beigebracht. Und somit auch die Aufteilung der Frauen in „Madonnen” und „Huren”. Die  „Madonnen” sind die gehorsamen Frauen, diejenigen, die bereit sind, die Normen des Patriarchats anzuerkennen. Alle anderen sind „Huren“. Und woran erkennt man die „Madonnen“? Richtig! Natürlich am Kopftuch.

Während ich das schreibe, höre ich schon die Proteste der deutschen Kopftuchadvokaten, es müsse doch den Frauen erlaubt sein, sich so zu kleiden, wie sie wollen, man müsse doch den Frauen die Möglichkeiten geben, sich als Musliminnen zu erkennen zu geben und viele weitere inhaltsleere Argumente. Natürlich kann sich jede Frau so kleiden, wie sie möchte. Hier geht es nicht um die Frau auf der Straße, es geht um Lehrerinnen – Beamtinnen im Staatsdienst und Vorbilder für die nächste Generation – die mit Kopftuch vor der Klasse stehen werden. Welche Botschaft wird von dieser kopftuchtragenden Lehrerin ausgehen? An die Kinder? An die Eltern? Und nicht zuletzt an die anderen muslimischen Lehrerinnen, die kein Kopftuch tragen. Damit ist das Kopftuch nicht mehr ein Thema von gestern, sondern ein Next-Generation-Thema.

Aber diese Fragen beschäftigen die gutmeinenden Anhänger des Folklore-Islam aus der Mehrheitsgesellschaft nicht im Geringsten. Für sie ist das Kopftuch das sichtbare Zeichen der interkulturellen Bereicherung.

Und diesen Bereicherungstheoretikern möchte ich einige Fragen stellen:

Warum habe ich eigentlich immerzu das Gefühl, dass es Euch nicht um Inhalte geht, sondern um das gute Gefühl der Selbstvergewisserung? – Das schöne Gefühl des „wir haben nichts gegen Fremde?“

Dieses Gefühl ist Euch so wichtig, dass Ihr, aufgeklärte und liberale Menschen, den Islam mit der Brille der erzkonservativen Islamverbände betrachtet! Ihr wollt doch nicht ernsthaft behaupten, dass Ihr deren Menschen- und Frauenbild gutheißt?

Natürlich wisst Ihr auch, dass die Frauen unter den Bedingungen des konservativen Islams nicht selbstbestimmt leben können. Aber – egal. Die Frauen und Mädchen, die unter der Knute des Patriarchats stehen, werden als Kollateralschaden Eurer selbstverliebten Liberalität hingenommen.

Macht Ihr Euch mal Gedanken darüber, wie es wohl aufgeklärten Musliminnen und Muslimen in diesem Land geht, Frauen und Männern, die keine Kopftücher (tragen) wollen? Für die die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Selbstbestimmung der Frau über ihren Körper wichtig sind? Was denken die wohl über Eure Parteinahme für den konservativen Islam? Denkt Ihr heimlich, was die konservativen laut aussprechen? Dass DIE keine richtigen Muslime mehr sind? Denn Euer Bild von den richtigen Muslimen steht ja fest, geprägt vom konservativen Islam!

Dass Ihr auch noch den unsäglichen Rassisten von Pegida in die Hände spielt, wird von Euch hingenommen. Gegen diese Gruppierung kann man ja dann noch extra demonstrieren. Das steigert die multikulturelle Selbstvergewisserung noch einmal.

Hinzufügen möchte ich, dass an Eurer Fürsprache ein bestimmter Hochmut nicht zu übersehen ist. Euer Verständnis für die „lieben Muslime“ beinhaltet eine gewisse Verachtung, die deutlich machen soll, dass sie nicht mit Euch auf der gleichen Stufe stehen. Paternalistisch eben. Aber das kapieren die konservativen Muslime nicht. Sie haben jetzt einen Kopftuch-Sieg errungen und tanzen vor Freude auf den Tischen, während Ihr sie von unten mit dem mildem Lächeln der Überlegenen verfolgt. Es tut so gut, den Muslimen eine Freude zu machen, nicht wahr?

 

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