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Aktuell wie nie

von and , 6.3.15

Der private Rundfunk betrachtet das Thema „Transparenz“ bei ARD und ZDF in erster Linie aus der Perspektive des Wettbewerbers – in einem System, in dem ARD und ZDF mit wenigen, aber bedeutsamen Ausnahmen, wie der noch vorhandenen Werbefinanzierung und den kommerziellen Tätigkeiten, über die Beitragsfinanzierung einen Sonderstatus genießen. Hierin kann bereits eine systemimmanente Wettbewerbsverzerrung gesehen werden. Schwankungen im Werbemarkt und Wettbewerbsdruck haben keine unmittelbare Auswirkung auf die Beitragseinnahmen, die gesetzlich festgelegt werden. Nach der Umstellung auf die Haushaltsabgabe, wie der Rundfunkbeitrag auch genannt wird, steht den Anstalten sogar mehr Geld zur Verfügung als je zuvor: 8 Milliarden Euro jährlich im Medienmarkt haben enorme Wettbewerbseffekte. Transparenz bei der Mittelverwendung gilt es daher in zweierlei Hinsicht anzuwenden. Sie hat zum einen als Legitimation gegenüber der Gemeinschaft der Beitragszahler zu erfolgen; zum anderen ist sie aber auch überall dort erforderlich, wo der Markt der privaten elektronischen Medien tangiert wird.

Im Zuge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu den ZDF-Gremien und der öffentlichen Auseinandersetzung mit den Rankingshows bei ARD und ZDF ist Transparenz im öffentlich-rechtlichen Rundfunk aktuell wie nie. Zum Manipulationsvorfall beim ZDF schrieb Claudia Fromme in der „Süddeutschen Zeitung“ (Ausgabe vom 18. Juli 2014): „Mit dem freiwilligen Abgang des Unterhaltungschefs ist die Affäre nicht beendet, eine neue Zeitrechnung der Transparenz muss her. Die Fernsehgebühr ist ein Vertrauensvorschuss der Zuschauer.“ Die Anstalten haben umgehend mit Maßnahmen reagiert – angestoßen wurde die Debatte allerdings – wie so oft – erst durch die öffentliche Berichterstattung.

Die Zeitrechnung der Transparenz reicht schon länger zurück: Im Jahr 2003 hat der VPRT mit seiner bei der EU-Kommission eingelegten beihilferechtlichen Beschwerde das Ziel verfolgt, für mehr Klarheit im öffentlich-rechtlichen Finanzierungssystem zu sorgen. Der Fokus lag auf einer Beseitigung des Vollzugsdefizits bei der Umsetzung der europäischen Transparenzrichtlinie, dem Ausschluss von Quersubventionierungen und einer Unterbindung von Wettbewerbsverzerrungen. Auch die Rolle der exekutiven Politik in den Gremien der Anstalten hat der VPRT immer kritisch gesehen.

Marktkonformität und Fremdvergleich bereits heute gültig

Das VPRT-Beschwerdeverfahren ist im Sinne der Transparenz als Erfolg zu werten. Ergebnis waren unter anderem einige neue Bestimmungen im Rundfunkstaatsvertrag (§§ 16a ff. RStV). Demnach dürfen kommerzielle Aktivitäten wie zum Beispiel Werbezeitenverkauf und Programmverwertung nur durch selbständige Tochterunternehmen ausgeübt werden. Zwischen Auftrag und kommerzieller Betätigung besteht getrennte Buchführungspflicht. Die von der EU-Kommission entwickelten Prinzipien der Marktkonformität und des Fremdvergleichs müssen beachtet werden. Marktkonformes Verhalten bedeutet, dass der Leistungsaustausch zwischen der Rundfunkanstalt und dem Beteiligungsunternehmen zu Bedingungen abgewickelt wird, die auch voneinander unabhängige Dritte vereinbart hätten. Wenn dieser Grundsatz schon im Verhältnis der rundfunkbeitragsfinanzierten Anstalt zum Tochterunternehmen Anwendung findet, kann im Übrigen nichts anderes im Verhältnis der öffentlich-rechtlichen Tochterunternehmen zu Dritten gelten.

Zusätzlich wurden im Rundfunkstaatsvertrag aufgrund der VPRT-Beschwerde Regelungen eingeführt, dass Beteiligungen einem effektiven Controlling unterliegen müssen. Die Prüfung der Beteiligungsgesellschaften hat durch unabhängige Wirtschaftsprüfer zu erfolgen. Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) hat daher gemeinsam mit den Rechnungshöfen Prüfstandards erarbeitet. Die Befugnisse der Landesrechnungshöfe wurden erweitert. Die wesentlichen Ergebnisse ihrer Prüfungen zu den kommerziellen Tätigkeiten und Mehrheitsbeteiligungen sind den Landesregierungen, Länderparlamenten sowie der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) zu übermitteln.

Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung

Die Transparenz- und Kontrollvorschriften sind dennoch zu vage, wie die aktuellen Fälle zeigen. In den letzten Jahren sind ARD und ZDF unterschiedliche Kooperationen mit Verlagen oder Online-Anbietern eingegangen. Dabei ergeben sich Schwierigkeiten unter anderem bei der Abgrenzung, ob es sich um eine auftragsbezogene oder kommerzielle Tätigkeit handelt, bei der Transparenz und Marktkonformität der Leistungsbeziehungen zwischen Anstalt und Tochtergesellschaften sowie im Verhältnis zu Dritten. Der VPRT hat sich mit diesen Sachverhalten aus Interesse an einem fairen Wettbewerb bereits des öfteren an die Rechtsaufsicht gewandt. Allein die Tatsache, dass beitragsfinanzierte Inhalte zu kommerziellen Zwecken Portalen unentgeltlich überlassen werden, hält einem Fremdvergleich nicht stand. Bis heute ist die Frage unbeantwortet, ob von der Marktkonformität der vom VPRT als kommerziell eingestuften Aktivitäten ausgegangen werden kann. Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung ist die Vermarktung durch die ARD-Werbetochter AS&S, bei der der Vorwurf gebührenfinanzierten Werbepreisdumpings im Raum steht. Die europäische Rundfunkmitteilung von 2009 stuft ein solches Vorgehen als wettbewerbsschädliche Praxis ein (siehe die Mitteilung der EU-Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ABI. 2009 C 257/1 [Nr. 94]).

Auch die Landesrechnungshöfe haben in zurückliegenden Berichten bemängelt, dass anstaltsintern keine Überprüfung erfolgt, ob beispielsweise die Abrechnung einer Werbetochter gegenüber der ‘Mutter’anstalt marktkonform sei. Die KEF moniert in ihrem aktuellen Bericht, dass die ARD in ihrer Anmeldung für 2013 bis 2016 die negativen Ergebnisse zweier Werbegesellschaften nicht separat als Verluste ausgewiesen, sondern sie mit den Netto-Beteiligungserträgen aller Werbetöchter verrechnet habe. Die KEF hält dieses Verfahren „für intransparent und geeignet, partielle Verluste zu verdecken“ (19. Bericht der KEF, S. 175 [Rz. 374]).

Sich ein umfassendes Bild von der Marktkonformität der Leistungsbeziehungen auf Seiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu verschaffen, fällt also schwer, zumal zum Beispiel die Berichte der Landesrechnungshöfe nicht vollständig und regelmäßig veröffentlicht werden. Transparenzdefizite bestehen seit jeher auch bei der Mittelverwendung im programmlichen Bereich. Die Darstellungen in den KEF-Berichten oder in den Telemedienkonzepten der Anstalten ermöglichen es Wettbewerbern nicht, präzise Stellung zu nehmen.

Intransparenz bei der Kostenaufschlüsselung

Allgemein ist festzustellen, dass insbesondere die aggregierte Präsentation der Kosten bei ARD, ZDF und Deutschlandradio einen umfassenderen Einblick in die Kostenverteilung verhindert. Es ist im Einzelnen nicht ersichtlich, wie hoch die jährlichen Ausgaben pro Programm ausfallen und für welche Sparten sie verwendet werden – Stichwort: Gesamtdeckungsprinzip, nach dem im Grundsatz sämtliche Einnahmen ohne Zweckbindung sämtliche Ausgaben decken können. Nur in den Sonderkapiteln der KEF-Berichte zur Kostentransparenz werden ausgewählte Sektionen detaillierter dargestellt. Zur Vermeidung von negativen Marktauswirkungen ist aber gerade in wettbewerbssensiblen Bereichen wie bei den Sport- und Spielfilmlizenzen oder wie beim unlängst nur sehr allgemein beschlossenen neuen Jugendangebot von ARD und ZDF Transparenz erforderlich, um auch Quersubventionierungen ausschließen zu können. Der VPRT hat daher in der Vergangenheit immer wieder eine klare Zuweisung nach Kostenstellen, die Verbuchung von Kosten zu bestimmten Unternehmensteilen sowie die Trennung von Overhead- und Einzelkosten gefordert.

Mit dem Problem der fehlenden Kostenaufschlüsselung sind die kommerziellen Medienunternehmen ebenfalls in den Drei-Stufen-Test-Verfahren konfrontiert. Die Grundidee dieses Tests ist nach wie vor richtig, vor allem die im Zusammenhang mit den Verfahren verbundene Entwicklung des Selbstverständnisses der öffentlich-rechtlichen Aufsichtsgremien ist positiv hervorzuheben. Jedoch weisen die Verfahren in ihrer konkreten Ausgestaltung Mängel auf. Grundsätzlich soll eine Abwägung stattfinden, welche Konsequenzen öffentlich-rechtliche Online-Angebote für den privatwirtschaftlichen Markt haben und ob diese Nachteile für die privaten Wettbewerber durch einen gesellschaftlichen Mehrwert aufgewogen werden. Dieser Abwägungsprozess hat aber leider aufgrund sehr allgemeiner Angebotsbeschreibungen und rudimentärer Angaben zum finanziellen Aufwand zu selten wirklich stattgefunden. Valide Aussagen privater Wettbewerber sind daher nicht möglich – ganz abgesehen davon, dass Konsequenzen faktisch erst nach Etablierung des einzelnen Angebots im Markt spürbar werden. Die Gremien haben sich eine ständige Telemedienkontrolle zur Aufgabe gemacht. Zu welchen Schlüssen die interne Aufsicht hier fünf Jahre nach den ersten Drei-Stufen-Tests gekommen ist, ist bis dato nicht bekannt.

Wenn es Fortschritte in der Transparenz gibt, scheinen diese häufig eine Reaktion auf journalistische Recherchen zu sein: Die Vorgänge beim von ARD und ZDF gemeinsam betriebenen Kinderkanal (Kika), beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) oder bei der ARD-Filmgesellschaft Degeto sind Beispiele dafür. Je mehr Einzelfälle zusammengetragen werden, desto mehr wird auch die systemische Kontrolle hinterfragt. In jüngster Zeit wurden weitere Transparenzregelungen in die Rundfunkgesetze der Anstalten implementiert. So hat zum Beispiel der 2013 novellierte SWR-Staatsvertrag die Türen zu den Gremien geöffnet. Die Sitzungen des Rundfunkrats sind von nun an öffentlich und die dort gefassten Beschlüsse samt Beratungsgrundlagen sind ebenfalls öffentlich zugänglich zu machen.

Als deutlicher Schritt in Sachen Binnenkontrolle und Staatsferne des Rundfunks ist auch das neue Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den ZDF-Gremien zu werten. Die Länder haben sich inzwischen darauf verständigt, die Anzahl der Sitze im ZDF-Fernsehrat sowie im ZDF-Verwaltungsrat zu reduzieren. Unter Beachtung der Drittelvorgabe des BVerfG sollen zukünftig im Fernsehrat nur noch maximal 20 anstatt bisher 34 staatliche und staatsnahe Vertreter, im Verwaltungsrat nur noch vier statt bisher sechs Personen dieser Gruppe Mitglied sein. Das Urteil ist insoweit ein Schritt in die richtige Richtung.

Staatsverträge schließen und die Anstalten zugleich auf deren Einhaltung zu überwachen, bedeutete schon immer einen großen Spagat. Aus Sicht des VPRT sollte die Gesamtdebatte über die Gremien aber auch dazu dienen, die Frage der gemeinsamen Aufsicht über private und öffentlich-rechtliche Sender erneut zu adressieren, da im System der Aufsicht bei ARD und ZDF nach wie vor Defizite bestehen. Eine Lösung wäre, insbesondere die Feststellung von Werbe- und Jugendschutzverstößen einheitlich zu handhaben, die Ahndung aber im jeweiligen System zu belassen.

Jenseits der Korrekturen für den internen Organisationsbereich der Gremien hat die Medienpolitik in den letzten Jahren eine Auseinandersetzung mit Gesichtspunkten der Transparenz, vor allem der finanziellen, nicht aktiv betrieben. So stellt sich die Frage, wie die Länder auf Transparenzlücken reagieren, die aufgrund der KEF- oder Landesrechnungshofberichte zutage treten oder von Transparenzinitiativen aufgedeckt werden.

Herausforderungen: Trimedialität und kommerzielle Tätigkeiten

Aus Sicht des VPRT wird die Transparenz künftig vor allem in den beiden folgenden Bereichen von zentraler Bedeutung sein: bei der vielfach proklamierten Trimedialität und bei der Schnittstelle von den Auftrags- zu den kommerziellen Tätigkeiten. Es sollte letztlich sowohl im Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als auch der für die Rundfunkaufsicht zuständigen Bundesländer sein, in Bezug auf die Transparenz kontinuierlich Verbesserungen zu erzielen, um die Akzeptanz und das Vertrauen der Rundfunkbeitragszahler, aber auch der privaten Wettbewerber im dualen Mediensystem zu stärken.

Solange der öffentlich-rechtliche Auftrag inhaltlich keine weitere Konkretisierung erfährt, werden Wettbewerbsthemen eher zu- als abnehmen. Heute ist der Versorgungsauftrag wenigstens durch 24 Stunden am Tag und eine im Grundsatz auf die linearen Programme (TV und Hörfunk) bezogene Online-Berichterstattung beschränkt. Für Fernsehen, gerade aber auch für das private Radio stellen trimediale Konzepte von ARD und ZDF oder Frequenzverschiebungen bei der ARD somit nicht nur eine theoretische Debatte über die Verlängerung bestimmter öffentlich-rechtlicher Tätigkeiten ins Netz dar, sondern bedeuten einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor. Der präzise beschriebene Versorgungsauftrag bleibt daher allererster Bezugspunkt und größte Aufgabe bei allen künftigen Staatsverträgen.

 


ARD, ZDF und das Deutschlandradio stehen heute, in Folge verschiedener Entwicklungen wie dem Wandel von Mediennutzungs-, Distributions- und Produktionsstrukturen, aber auch aufgrund der Debatte um das neue Finanzierungsmodell für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter einem besonderen Legitimations- und Rechtfertigungsdruck. Dabei rücken Forderungen nach transparenteren Finanz- und Gremienstrukturen der Sendeanstalten zunehmend in den Vordergrund. Erste Informationsinitiativen von ARD und ZDF sowie die Veröffentlichung von Produzentenberichten seitens einzelner Anstalten (NDR, WDR, MDR) zeugen von einer neuen Bereitschaft öffentlich-rechtlicher Medienunternehmen, einen Beitrag für faire und transparente Wettbewerbsverhältnisse auf dem Programmmarkt zu leisten und einen öffentlichen Diskurs über ihre Kostenbilanzen und Programmstrategien zu ermöglichen. Welcher Reformen bedarf es, um den Forderungen nach mehr Transparenz – etwa in puncto Beitragsverwendung, Vergabepolitik und Unternehmensbeteiligungen – zu begegnen? Und welche Implikationen ergeben sich aus dem ZDF-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März dieses Jahres und der darin enthaltenen Forderung nach einem „Mindestmaß an Transparenz über die Arbeit der Aufsichtsgremien“? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt einer vom Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) und von carta.info in Zusammenarbeit mit der „Medienkorrespondenz“ und dem Dresdner Institut für Medien, Bildung und Beratung (DIMBB) organisierten Artikelserie,  kuratiert von Leonard Novy und Orkan Torun.

 


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