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Neu auf Carta: Der Twitter Monitor

von and , 28.10.14

Twitter ist mittlerweile selbstverständlicher Bestandteil der politisch-medialen Landschaft und journalistischer Routinen, wobei sich die Nutzung in Deutschland – quantitativ wie qualitativ – im Vergleich zu den USA etwa noch bescheiden ausnimmt. So bleibt die Einbindung in den journalistischen Prozess weiter hinter den Möglichkeiten zurück und beschränkt sich häufig auf das Zitieren von Tweets. In Fernseh- und Hörfunksendungen ergänzt beziehungsweise ersetzt das Vorlesen einer willkürlich erscheinenden Auswahl von Tweets („Schauen wir mal, was Twitter sagt”) zusehends Straßenbefragungen, bei denen (scheinbar) zufällig ausgewählte Bürger nach ihrer Meinung zu einem bestimmten Thema gefragt werden. Wie bei der klassischen Straßenumfrage (Vox Pops) verbindet sich damit häufig ein impliziter Anspruch auf Repräsentativität, also darauf, die Meinung der Allgemeinheit wiederzugeben. Aber tatsächlich haben JournalistInnen (s. oben) nach wie vor alleine durch die Auswahl der Tweets die redaktionelle Kontrolle, ohne die Kommunikation  überblicken zu können.

Die Annahme, dass die Analyse von Twitter differenziertere Einsichten in die politische Kommunikation, die Konstruktion und Rezeption politischer Events und medialer Personae ermöglicht, war der Ausgangspunkt für die Entwicklung des Twitter Monitors. Als datenjournalistisches Tool konzipiert und erstmals zur Bundestagswahl 2013 gemeinsam mit dem Berliner Unternehmen tame und ZEIT Online pilotiert, scannt der Twitter Monitor die deutschsprachige politische Kommunikation auf Twitter und bereitet sie für weitergehende Analysen auf.

 

Startseite Twitter Monitor

Startseite Twitter Monitor

 

Mittels einer Stichprobe, für die laufend die 10.000 (gemessen an Followerzahl, Mentions und Retweets) „relevantesten“ Accounts im Bereich Politik identifiziert werden, liefert er einen Überblick über die zehn aktuell und im Zeitverlauf wichtigsten Politik-Themen. Zudem zeigt er auch, von welchen Akteursgruppen ein Thema diskutiert wird. Dafür werden die Nutzer (manuell) verschiedenen Kategorien (Politik, Medien, Verbände, NGOs, Öffentlichkeit) zugeordnet. Hier, als Beispiel, das Top-Thema der letzten 48 Stunden, die Kontroverse über die Kölner Demo „Hooligans gegen Salafisten“ (#hogesa) , wie sie sich in den Blogs abspielte:

Auswahl #hogesa

Auswahl #hogesa

Bildschirmfoto 2014-10-28 um 12.38.28

Auswahl Kategorie “Medien”

Bildschirmfoto 2014-10-28 um 12.38.37

Auswahl Unterkategorie “Blogs”

 

In der Summe gibt das Tool somit Aufschluss darüber,

  • welche Themen in welchem Zusammenhang funktionieren;
  • wer die zentralen Meinungsmacher in dem jeweiligen Feld sind und wie sie sich zueinander verhalten sowie schließlich darüber,
  • welche Dynamiken und Erfolgsfaktoren Kommunikation auf Twitter auszeichnen?

 

Der Algorithmus des Twitter Monitors basiert auf der Annahme, dass wer immer über Politik schreibt, hin und wieder die Namen von Parteien erwähnt. In der Nachbarschaft der Parteinamen tauchen immer wieder neue Themen auf, die laufend ausgewertet werden. Das heißt, dass automatisch jeder politisch relevante Hashtag erfasst wird, auch semantisch unzugeordnete Begriffe wie etwa #neuland.

Aus der Menge der ausgewerteten Tweets werden in einem dritten Schritt die relevantesten User abgeleitet. Deren Wichtigkeit richtet sich danach, wie oft sie schreiben, wie viele Follower sie haben und wie oft ihre Tweets erwähnt und weitergeleitet werden. Als Ergebnis kommt ein Ranking zustande. Die 10.000 wichtigsten Twitterer werden Kategorien zugeordnet. Etwa ob sie einer Partei angehören, Lobbyisten sind, Journalisten oder Blogger. Das Kategorisieren geschieht manuell, denn kein Algorithmus könnte aus den Profilen exakt herauslesen, wer zu welcher Gruppe gehört.

Diese Informationen fließen in einen Chart und drei Listen ein, die politische Themen und Nutzer im Zeitverlauf darstellen. Ziel ist, die Bewegungen im Meinungsbild über verschiedene Zeitläufe nachvollziehen zu können.

Ein Klick auf ein Thema schaltet von der Anzeige benachbarter Themen zur Ansicht der verschiedenen Nutzergruppen um. So lässt sich für jeden Hashtag zeigen, wie Öffentlichkeit, Parteien oder Journalisten sich eines Themas angenommen haben.

Der Twitter-Monitor wurde als Forschungsvorhaben des Projekts Grundversorgung 2.0 am Centre for Digital Cultures der Leuphana Universität Lüneburg von Stefan Heidenreich und von Leonard Novy (IfM/Carta) entwickelt, sowie von Philipp Hohn, Matthias Lorenz-Mayer und Immanuel Scheerer vom Agenturnetzwerk „We’re All In“ umgesetzt und wird kontinuierlich weiterentwickelt. Auch deswegen freuen sich die Macher über Feedback und Kommentare zu Methodik, Design und Nutzbarkeit.

Die Ergebnisse und Daten aus dem Twitter Monitor werden von nun an regelmäßig hier im TweetLog dokumentiert, analysiert und diskutiert.

 

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.