#Auskunftsanfrage

Open the Snowden Files!

von , 11.7.14

In der Snowden-Debatte kommen immer größere Zweifel an dem Auswertungsverfahren der Dokumente auf. Die exklusiven Partnerschaften, die der Whistleblower mit Journalisten und Redaktionen eingangen ist, stoßen an ihre Grenzen: Könnte die Arbeit im Dienste der Öffentlichkeit nicht inklusiver und dadurch auch effizienter gestaltet werden? Berliner Gazette-Herausgeber Krystian Woznicki erklärt in seinem Essay (English version here), warum wir über einen offenen Zugang zu den Snowden-Dokumenten nachdenken sollten.

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Gibt es eine globale Überwachungsindustrie, in der Staaten und Konzerne gemeinsamen Interessen nachgehen – all das jenseits von demokratischer Legitimation und Kontrolle?

Die Enthüllungen durch Edward Snowden haben diese Frage aufgeworfen und in Teilen beantwortet. Deshalb sind sie von öffentlichem Interesse. Unterstrichen wird das dadurch, dass die Enthüllungen eine beispiellose Medienerzählung ausgelöst haben – allein die Dauer ist historisch (über ein Jahr lang hat sie sich entfaltet und im Zuge dessen verschiedene Debatten stimuliert).

Doch die politische und gesellschaftliche Wirkung dieser Erfolgsgeschichte ist begrenzt. Warum sind Massenproteste ausgeblieben? Warum hat es keinen Umsturz gegeben?

Meine These: Das öffentliche Interesse ist bislang nicht ausgereizt worden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Zugang zu den Dokumenten des NSA-Gate nicht offen ist. Nachdem ein mutiger Bürger “unter Lebensgefahr” (Constanze Kurz) Material zusammengetragen hat, weil er glaubte, dass es von öffentlichem Interesse sei, ist es nicht in der öffentlichen Hand gelandet. Und untersteht auch nicht ihrer Kontrolle. Das blockiert das demokratische Potenzial der Snowden-Enthüllungen.

 

Kann der Datenberg geöffnet werden?

Nur ein kleiner Teil des Snowden-Materials wurde bislang als Original-Dokument veröffentlicht (weniger als 5 Prozent). Entscheidungen darüber gehen auf einen kleinen Kreis von Leuten zurück, die das Material bearbeiten, lesen, analysieren, interpretieren und publizieren.

Jene, die zu dem kleinen Kreis gehören, darunter Glenn Greenwald, argumentieren damit, dass all das aus Sicherheitsgründen geschehe. In diesem Sinne könnte man sagen, dass das Snowden-Material von den richtigen Leuten “sichergestellt” wurde, um größeren Schaden zu verhindern. Es gibt auch das offensichtliche Argument, dass diese Methode jene lang anhaltende Medienerzählung und damit dem Whistleblower eine nachhaltige Sichtbarkeit ermöglicht hat – bekanntlich eine Art Lebensversicherung.

Es gibt einen weiteren Blickwinkel.

Daten gelten als das “Öl des 21. Jahrhunderts”. In diesem Sinne könnte man davon sprechen, dass das Snowden-Material privatisiert worden ist von Leuten, die versuchen, die Daten im Sinn ihrer eigenen Interessen auszubeuten. Das klingt zunächst nach einer höhnischen Unterstellung. Etwa auf der Wellenlänge angesiedelt, wie auch der Unmut, der sich gegenüber Greenwald entlädt, er werde von “Eitelkeit” und “Karrierismus” getrieben.

Doch niemand stellt grundlegende Fragen über den Umgang mit dem historischen Daten-Leak. Etwa, ob es einen Weg gibt, den betreffenden Datenberg zu öffnen. Wenn man die aktuellen Umstände in Betracht zieht – der Whistleblower steckt aussichtslos in Moskau fest – ist ein solcher Vorschlag ziemlich weit hergeholt. Kaum jemand, der das Anliegen unterstützt, würde die Lebensversicherung Snowdens gefährden wollen.

Doch ich glaube, dass wir die Frage, ob der Datenberg geöffnet werden kann, stellen müssen.

Nicht deshalb, weil die Akteure, die an dieser Sache im Dienste der Öffentlichkeit arbeiten, unseren Erwartungen nicht gerecht werden. Nein, in vielen von uns, die sich der so genannten Öffentlichkeit zugehörig fühlen, schlummert diese Frage, weil die Prozesse im Dienste der Öffentlichkeit (um den hehren Ansprüchen gerecht zu werden) so gestaltet werden müssen, dass sie ein Höchstmaß an Inklusivität und Durchlässigkeit ermöglichen. Doch genau das ist in diesem Fall nicht gegeben.

Adorno hat einmal gesagt (ich paraphrasiere), dass die “Wirkung eines Werks dort anfängt, wo die Intention des Autors endet”. Analog zu Snowden ließe sich sagen: Die Wirkung des Snowden-Materials beginnt dort ihr volles Potenzial zu entfalten, wo die Intention des Whistleblowers endet (z.B. mit einer exklusiven Gruppe von Leuten zu arbeiten). Viele Forscher, Aktivisten und Technologie-Experten (nicht zu sprechen von den ganzen Journalisten, die nicht zu den “wenigen Glücklichen” gehören) haben ein großes Interesse daran, mit dem Snowden-Material zu arbeiten.

Es ist übrigens dasselbe Interesse wie auch schon in Zeiten der größten WikiLeaks-Projekte vor einigen Jahren. Stellen wir uns nur einmal vor, welche historische Wirkung es hätte, etwa im Bereich der Wissenschaften, sozialen Bewegungen und IT-Branchen, wenn das Snowden-Material in die öffentliche Hand überführt werden könnte. Und hier als Grundlage für Studien und alle erdenklichen Lernprozesse zur Verfügung stehen würde. Es ist kaum auszumalen, so weitreichend wären die Auswirkungen.

 

Luke Harding und die Überforderung der Analysten

Bei der netzwerk recherche-Jahrestagung in Hamburg (das große, internationale Treffen des Investigativ-Journalismus) habe ich Luke Harding, Autor des Buchs “The Snowden Files”, mit dieser Angelegenheit bei der Q&A-Session seines Panels konfrontiert.

Vor meiner Intervention hatte Harding bereits einige Hinweise auf die Beschränkungen der laufenden Untersuchung geliefert. Er spielte auf verschiedene Gründe an, warum die “wenigen Glücklichen” nicht in der Lage sind, der analytischen Herausforderung angemessen zu begegnen. “Wir sind keine Technik-Experten.” Oder: “Nach zwei Stunden fallen einem die Augen aus.” Dennoch schien Harding völlig unvorbereitet, vor seinem geistigen Auge die Option durchzuspielen, den Kreis der “wenigen Glücklichen” grundlegend zu erweitern.

Um seine Antwort zu paraphrasieren: Ja, es ist ein Dilemma, dass nur wenige Leute sich das Snowden-Material anschauen und ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen können. Jedoch ist diese Begrenzung ein natürliches Ergebnis ihrer prekären Natur (Dokumente, die Staatsgeheimnisse beinhalten) und darüber hinaus eine Folge des anhalten Drucks der Regierung.

Dennoch, wer “ein besonderes Projekt” hat, sollte nicht zögern, Alan Rusbridger zu kontaktieren und ihn um Zugang zu den betreffenden Dokumenten zu bitten.

Eine Auskunftsanfrage an The Guardian? So eine Anfrage richtet sich üblicherweise an obskure Organisationen oder intransparente Firmen und wird von der Presse artikuliert unter Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz und andere legale Instrumente. Der Antrag wird für gewöhnlich zunächst abgelehnt. Doch wer dran bleibt und nicht davor zurückschreckt, vor Gericht zu ziehen, hat Aussicht auf Erfolg, wie die Geschichte des Investigativ-Journalismus zeigt.

 

Seymour Hersh und die Accountability der Presse

Die Auskunftsanfrage ist ein wichtiges Instrument für die freie Presse. Doch in diesem Kontext ist es die Presse selbst (beziehungsweise einige ihrer Vertreter), an die wir eine solche Anfrage richten müssen. Das wirkt absurd und wirft verschiedene Fragen auf, darunter: Wem sind Organisationen wie The Guardian, Washington Post, New York Times, Der Spiegel und Akteure wie Glenn Greenwald eigentlich Rechenschaft schuldig? Welcher demokratischen Kontrolle sollten sie unterzogen werden?

Als ich den renommierten Investigativ-Journalisten Seymour Hersh mit dieser Angelegenheit konfrontierte, hatte ich den Sound eines Kämpfers im Ohr und engagierte Aussagen, darunter:
 

“In Anbetracht der massiven Vergehen gegen die Verfassung – darf die Presse tatsächlich darum besorgt sein, das Gesetz zu brechen, wenn es um Entscheidungen geht, welche Materialbestände zur Veröffentlichung freizugeben und mit welchen Akteuren zu teilen sind?”

 
Hersh sagte, nein, er schrie solche Dinge heraus bei seinem Panel auf der netzwerk recherche-Tagung. Als ich ihn wegen dieser Angelegenheit ansprach, zunächst von Angesicht zu Angesicht nach dem Panel, dann via E-Mail, vertrat er einen nicht ganz so, sagen wir, “aggressiven” Standpunkt.

Hersh über die Tatsache, dass das Snowden-Material von Leuten unter Verschluss gehalten wird, die die Idee der Presse- und Meinungsfreiheit repräsentieren:
 

“Ich sehe kaum Chancen, Greenwald oder jemanden von der New York Times, Washington Post oder von The Guardian zu bewegen, ihre Materialbestände zu öffnen. Die betreffenden Akteure werden behaupten, dass ihr Vorgehen dem Interesse der Öffentlichkeit geschuldet ist. In der Zwischenzeit horten sie, was sie haben und teilen es mit niemandem. Zeitungen sind nicht allzu interessiert daran, den Reichtum zu verbreiten.”

 

Das Paradoxon der Informationsanfrage

Dieser Pessimismus ist nachvollziehbar. Dennoch: Gibt es nicht Dinge, die wir unternehmen könnten?

Auskunftsanfragen mögen aussichtslos scheinen. Aber sie sind ein wichtiges Instrument. Die Erfahrung zeigt: Man kann den Kampf gewinnen. In Großbritannien kann man in Betracht ziehen, eine Beschwerde bei der Press Complaints Commission einzulegen – in Bezug auf die Tatsache, dass ein Medienhaus exklusive Kontrolle über das Snowden-Material ausübt. In Deutschland, wo dieses quasi-monopolistische Vorgehen gegen den Pressekodex verstößt, könnte man beim Deutschen Presserat eine Klage einreichen.

An dieser Stelle wird sehr deutlich: Die Auswertung des Snowden-Materials im Zeichen des öffentlichen Interesses offenbart eine beunruhigende Diskrepanz – sollten wir in der Presselandschaft nicht grenz-übergreifend zusammenarbeiten, um die großen Probleme unserer Zeit zu lösen, statt uns gegenseitig zu verklagen?

Hier bekommen wir direkt zu spüren 1) die Defizite des aktuellen Modells, und 2) den Anreiz, ein neues Modell für die Zukunft ersinnen. Vor diesem Hintergrund sollte man damit beginnen, ein Konzept für die Überführung des Snowden-Materials in die öffentliche Hand zu erarbeiten. Ein Modell, das sowohl die offensichtlichen Probleme der “Sicherheit” und des “Regierungsdrucks” als auch Fragen nach Snowdens “Lebensversicherung” in Betracht zieht.

All das sollte auf der internationalen Bühne behandelt werden. Ausgangspunkte sollten die USA, Großbritannien und Deutschland sein, also Länder, in denen die Unterlagen derzeit bearbeitet werden. Vielleicht sollte alles in Deutschland anfangen, wo das zivilgesellschaftliche Interesse an den Snowden-Enthüllungen wahrscheinlich am größten in der Welt ist.

Die zentralen Akteure hier, darunter Journalisten und Hacker, arbeiten sehr eifrig an diesem Fall. Im Zuge dessen akkumulieren sie aufgrund ihres exklusiven Zugangs “kulturelles Kapital” (Bourdieu), während sie weitgehend intransparente Entscheidungen treffen, was von dem Material zugänglich sein sollte, und was nicht. Kurz, es gibt genügend Reibungspotenzial in dieser Stadt, um ein Modell zum offenen Umgang mit großen Daten-Leaks zu konzipieren.

 

Probleme mit “uneingeschränktem Zugang”

Auf den ersten Blick gibt es nicht allzu viele Gründe, warum wir diesbezüglich optimistisch sein sollten. Schließlich sind wir
 

“in jedem Fall der drei großen Daten-Leaks der vergangenen Jahre vor jeweils unterschiedliche Probleme gestellt worden, als wir das Material offen zugänglich gemacht haben. Insofern lässt sich ein globales Modell nicht ohne Weiteres konstruieren. Jeder neue Daten-Satz wird mit einem neuen Set von Problem behaftet sein”,

 
wie Stefan Candea, eine zentrale Figur im Offshore Leaks-Projekt, zu verstehen gibt.

Andere, die seit vielen Jahren im Feld des Investigativ-Journalismus aktiv sind, sehen ebenfalls grundlegende Probleme, “uneingeschränkten Zugang” anzubieten.

“Da können auch Zulieferer drinstehen, die gar nicht wissen, dass sie mit den Diensten zu tun hatten”, so Ewald Tarkan*, der (verdeckte) Recherchen zu Themen wie Überwachung betreibt.
 

“Bei allen großen Leaks der Vergangenheit waren immer auch ‘Unschuldige’ erfasst. In Afghanistan etwa Namen von Übersetzern oder lokalen Ansprechpartnern. Bei geheimerkrieg.de (kein Daten-Leak, sondern eine Auswertung) standen in den Daten auch die Namen von Menschen, die ganz normale IT-Wartung gemacht oder andere Aufträge erledigt haben.”

 
Sollten wir deshalb nicht weiter gehen in diese Richtung? Nur, weil große Daten-Leaks schier unmöglich zu “regulieren” sind, sollten wir gar nicht erst anfangen, darüber nachzudenken?

Mit Blick auf seine lange Berufserfahrung meint Tarkan:
 

“Ich bin strikt dagegen, Leaks ohne zumindest selektiv geschwärzte Namen zu veröffentlichen. In der Vergangenheit sind immer wieder Menschen in Papieren aufgetaucht, die nur ausgelagerte Dienste erledigt haben. Deren Leben ist in höchstem Maße gefährdet bei einer ungeschwärzten Veröffentlichung.

Gleichzeitig kann dies kein Argument dafür sein, nun alle Papiere zurückzuhalten. WikiLeaks hat es schließlich auch geschafft, Namen aus Dokumenten zu entfernen und diese dann zu veröffentlichen.”

 
Denken wir also weiter, nehmen aber zunächst einmal noch einen weiteren wichtigen Hinweis zur Kenntnis:
 

“Es ist die Entscheidung des Leakers, dem Journalisten zu sagen, was er mit dem Material machen soll”,

 
wie wiederum Candea herausstreicht.

Offenbar wollte Snowden nicht, dass sein Material in der öffentlichen Hand landet. Leute wie Snowden sollten deshalb überzeugt werden – vielleicht nicht unmöglich, in Anbetracht der Tatsache, dass auch er nicht vollumfänglich zufrieden sein dürfte, was bislang mit seinem Material passiert ist (wie nicht wenige Beobachter mutmaßen).

Da steht eine Menge Arbeit vor uns in Sachen Bewusstseinsbildung, sowohl im Hinblick auf Whistleblower, als auch im Hinblick auf ein Modell für Plattformen, die offenen Zugang zu ihrem Material erlauben.

 

Das Zukunftsmodell in 6 Punkten

Zu allererst sollte jede verantwortungsbewusste Enthüllung mit “Informationen über das Material des gesamten Korpus angereichert sein, so lange diese Art der Information nicht die Identität des Whistleblowers preisgibt”, so der erfahrene IT-Journalist Detlef Borchers von heise.de.
 

“Dies bringt mit sich, dass jeder interessierte Leser mit einer gewissen Souveränität nachvollziehen kann, ob die Veröffentlichung in einem Massenmedium durch eine (verdeckte) Agenda gesteuert wird.”

 
Zweistens sollten bei einem öffentlich zugänglichen Leak alle Namen entfernt werden.

Doch wer löscht die Namen? Wer gestaltet die Benutzeroberfläche auf eine Art und Weise, dass sie auch für ein nicht-technisches Publikum leicht zu bedienen ist? Hier würde eine Programmier- oder Kontrollinstanz ins Spiel kommen. Im Hinblick darauf müsste der “Verantwortung, die diese Instanz trägt, eine zentrale Bedeutung zukommen”, denkt wiederum Borchers und erinnert daran, “dass immer wieder viele Fehler passieren, etwa dass in der deutschen Ausgabe des Greenwald-Buches Namen von NSA-Leuten drinstehen, die im englischsprachigen Original geschwärzt sind”.

Drittens müsste sichergestellt werden, dass die Dateien in einer Art und Weise zugänglich gemacht werden, die auch die Anonymität der User schützt. Man will brisante Dateien nicht auf dem persönlichen Computer haben, sondern in der Cloud, an einem öffentlich bekannten Ort, der einen gesicherten Zugang erlaubt. Doch wer soll die Dateien dann hosten? Ideal wäre eine öffentliche Institution, zum Beispiel eine Bibliothek.

Viertens sind die Bearbeitungsmöglichkeiten der geleakten Dokumente von zentraler Bedeutung für unser Modell: Sind die fraglichen Dateien maschinenlesbar? Oder müssen sie erst noch in diesen Zustand gebracht werden? Es gibt verschiedene Werkzeuge, die dieses Problem lösen können, beispielsweise DocumentCloud.

Fünftens muss der User die Sprache verstehen, in der die Dokumente verfasst sind. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten: Jemanden zu Rate ziehen, der sie spricht, sie selbst lernen oder sich einer Maschine bedienen, die es kann.

Die vom Datenjournalismus bereitgestellten Werkzeuge (man findet sie online oder bekommt sie bei einer der vielen Datenjournalismus-Veranstaltungen vorgestellt) unterstützen einen dabei, die Systematisierung, die Analyse und die öffentlichkeitsfähige Interpretation vorzunehmen. Jede Veröffentlichung, die auf solch einer Auswertung basiert, sollte natürlich die benutzten Quellen offen legen.

Und schließlich, sechstens, muss unser Modell die Sicherheit des Whistleblowers bedenken, sofern er sich entschieden hat, an die Öffentlichkeit zu treten – wie im Falle Snowdens.

Hier muss sichergestellt werden, dass er seine Lebensversicherung und somit sein Leben nicht verliert. “Ed”, wie Unterstützer ihn nennen, hat seine Strategie schon mehrfach gewechselt. Anfangs, im Sommer 2013, wollte er sich an der von ihm angestoßenen Debatte nicht beteiligen, sondern die Dokumente für sich selbst sprechen lassen. Wenige Monate später, Ende 2013, hat er seine Haltung geändert und begann eine Reihe von öffentlichen Auftritten.

Der nächste große Schritt wäre es, den Zugang zu den Dateien zu öffnen – zumindest zu 50 Prozent. Hierbei sei an Assange erinnert: In seinem Falle blieben einige Dateien (vielleicht große Leaks zu den US-Banken) unveröffentlicht. So konnte er seine publizistische Aktivität aufrecht erhalten. Dieser Ansatz könnte auch für Snowden funktionieren.

 

Grundpfeiler unserer Demokratie

Ist das alles, was bei dem hier vorgeschlagenem Modell berücksichtigt werden muss? Vermutlich nicht. Jedes Feature, ob es nun bereits vorgeschlagen wurde oder nicht, muss von der Öffentlichkeit genaustens überprüft werden.

Um die Debatte in Gang zu bringen, könnten wir zunächst fragen: Warum gibt es eigentlich nur einen öffentlich zugänglichen Zähler der Snowden-Files? Dieser wird, unter dem Projektnamen “Tally Update”, von John Young auf cryptome.org betrieben. Warum bieten diesen Service nicht die “wenigen Glücklichen” an, die im Besitz der Dokumente sind? Oder warum helfen sie nicht zumindest, die Exaktheit des Zahlenstands zu überprüfen?

Warum werden die Snowden-Dokumente so restriktiv behandelt? Ist das der einzig mögliche Weg? Was ist in diesem Kontext von öffentlichen Interesse? Wollen wir lückenlose Aufklärung qua offenem Zugang zu den Dokumenten? Oder die Zurückhaltung von Informationen, um den Whistleblower zu schützen?

Müssen wir uns zwischen diesen beiden Optionen entscheiden? Oder gibt es einen Weg, um beide Anliegen miteinander zu versöhnen? Diese Fragen ziehen Fragen nach sich, die allesamt an den Grundpfeilern unserer Demokratie rütteln. Die Zeit für diese Auseinandersetzung ist mehr als reif.
 
Anm.d.Red.: Der Name Ewan Tarkans wurde von der Redaktion geändert. Mehr zum Thema im Berliner Gazette-Dossier Post-Snowden.
 

Zwischen dem 15.-17. Juli findet in Berlin das große internationale Open Knowledge Festival statt. Das Motto: Open Minds to Open Action.

Organisator ist die Open Knowledge Foundation (kurz OKF, deutsch: Stiftung für offenes Wissen). Sie wurde als gemeinnützige Organisation im Jahr 2004 in Cambridge in Großbritannien gegründet und ist inzwischen eine weltweite Bewegung mit Zweigstellen und Unterstützern von Nepal über Deutschland bis hin zu Südafrika.

Crosspost von der Berliner Gazette

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