#Barabara Hendricks

Ja zum Verzichtsumweltschutz – aber bitte richtig

von , 12.4.14

Über die von der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks angestoßene Debatte, ob das Tragen von Pullovern in den Antwortmix auf steigende Energiepreise bei sinkenden Öl- und Gasvorkommen aufzunehmen ist, könnte ich aus meinem winterlichen Domizil in Süditalien einfach überlegen schmunzeln. (Obwohl viele Italiener hier auch bei 20 Grad in schweren Wintermänteln herumlaufen.) Stattdessen ärgere ich mich gleich doppelt:

  • Zum einen darüber, daß das Tragen eines Pullovers in der Wohnung von manchen schon als menschenunwürdige Zumutung gesehen wird.
  • Zum anderen über die Umweltministerin, die das Ausmaß der umwelt- und energiepolitischen Herausforderungen auf die Frage reduziert, ob ein deutsches Wohnzimmer auf 20 oder auf 22 Grad zu heizen ist.

Die Wahrheit ist folgende:

  • Wenn die Erde dadurch zerstört wird, daß wir täglich über unsere Verhältnisse leben und Raubbau am Planeten betreiben, dann wird eine Umkehr nicht zu schaffen sein, ohne daß wir auf Dinge oder Aktivitäten verzichten, an die wir uns gewöhnt haben. Umwelt- und Klimaschutz unter Beibehaltung unserer aktuellen Verbrauchsgewohnheiten ist eine Alibi-Veranstaltung, die das Problem allenfalls auf die nächste Generation verschiebt.

    Ohne Verzicht geht es nicht. Die Kunst besteht darin, den Verzicht so zu gestalten, daß er zu keiner Einbuße an Lebensqualität, vielleicht sogar zu einem Mehr davon führt.
  • Dabei reicht es aber nicht aus, den häuslichen Thermostaten zwei Grad niedriger zu stellen, solange alles andere beim Alten bleibt. 

    Drastischere Schritte sind notwendig: komplett aufs Auto verzichten; auf Produkte verzichten, die um den halben Globus verschifft werden müssen; auf Flugreisen verzichten; von zuhause arbeiten, statt jeden Tag 50 Kilometer zu pendeln; auf Wirtschaftswachstum verzichten; auf Fleisch verzichten.

Einen Pullover zu tragen, während man die Kiwis aus Neuseeland isst oder die nächste Flugreise bucht, ist so eine typisch deutsche Lösung: halb-halb, klein-klein, wischi-waschi. Probleme verschieben, aussitzen, faule Kompromisse schließen und alles andere vertagen.

Es gibt durchaus Argumente gegen eine Änderung unserer Lebensweise (wer sagt, daß wir Verpflichtungen für die nachkommenden Generationen oder für Bewohner absaufender Inseln haben?), aber es gibt eben auch Argumente dafür (ethische, moralische, ökologische, wirtschaftliche, für manche auch religiöse).

Seit der Krimkrise könnte das Sparen von Öl und Gas sogar einen geopolitischen Aspekt erhalten. (Als Slogan für den nächsten Winter ohne russisches Gas schlage ich “Frieren für den Frieden” vor). Aber diese Grundsatzdiskussion muss öffentlich und mit aller Schärfe und Deutlichkeit der gegensätzlichen philosophischen Positionen ausgetragen werden, statt die Frage auf einen Pullover zu reduzieren und nach zwei Tagen Aufregung so weiterzumachen – und weiter zu verbrauchen – wie bisher.
 
Crosspost von Der reisende Reporter

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