Freie Lizenzen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Wie kann ein qualitativ hochwertiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk aussehen, der auch in der digitalen Welt eine wichtige Rolle spielt?
Diese Frage stellen sich nicht nur Gremien des ÖRR und politische Parteien. Nach der Diskussion um die Haushaltsabgabe betrifft diese Frage jeden in unserer Gesellschaft.
Creative Commons sind nicht mehr exotisch
Eine Antwort hat mit den Nutzungsmöglichkeiten der vom ÖRR produzierten Inhalte zu tun. Der ÖRR ist einer der größten von der Allgemeinheit finanzierten Produzenten urheberrechtlich geschützter Inhalte in Deutschland.
Aus der solidarisch gezahlten Haushaltsabgabe werden Inhalte produziert, die danach der Gesellschaft nicht zur Verfügung stehen. Das klassische Urheberrecht verhindert die zeitgemäße Nutzung von Inhalten. Damit aber in Zukunft die Inhalte frei zugänglich sind – und das länger als sieben Tage in den Mediatheken –, muss der ÖRR darüber nachdenken, seine Inhalte unter eine freie Lizenz zu stellen.
Einige „Leuchtturmprojekte“ gibt es dafür schon. Einzelne Radiosendungen können als Podcast (dann ohne Musik) unter einer Creative Commons-Lizenz heruntergeladen werden.
Die auf ZDFinfo laufende Sendung „Elektrischer Reporter“ ist komplett unter einer Creative Commons (CC-BY-NC-SA)-Lizenz veröffentlicht. Im Bayerischen Rundfunk nutzt die Sendung „Space Night“ seit Februar 2013 überwiegend Creative-Commons-lizenzierte und weitere Gema-freie Musik, und im NDR werden Beiträge des Medienmagazins „Zapp“ und der Sendung „Extra 3“ unter Creative Commons CC-BY-NC-ND lizenziert (siehe auch „Creative Commons: Kopieren erwünscht„).
Erfreulicherweise gibt es noch mehr solcher Beispiele im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Radio. Die ARD hat sogar bereits eine beim WDR angesiedelte Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit dem Thema der freien Lizenzierung und Creative Commons beschäftigt.
Ergebnisse stehen noch aus, aber wenn selbst der ÖRR das Thema bereits als wichtig erkannt hat, sind jetzt auch Politik und Gesellschaft gefragt, es voranzubringen.
Die ersten Schritte sind gemacht
Die Entscheidung des Bayerischen Rundfunks, nach Fan-Protesten die Sendung „Space Night“ nicht einzustellen und bei der Neugestaltung des Formats von Anfang an neben den bisher ohnehin freien Bildern der NASA auch freie Musik zu verwenden, hat gezeigt, dass die Gesellschaft positiven Einfluss nehmen kann. Medien- und Netzpolitik waren bisher eine meist auf Gefahrenabwehr ausgerichtete Angelegenheit, bei der „Space Night“ konnte auch einmal die digitalisierte Zukunft mitgestaltet werden.
Für den sozialdemokratischen Netzpolitik-Think Tank „D64″ hat Leonhard Dobusch, Juniorprofessor für Organisationstheorie an der Freien Universität Berlin, ein Whitepaper (PDF) zu Creative Commons im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verfasst, das Probleme und Potential der verstärkten Nutzung von Creative Commons im öffentlichen Sektor beleuchtet.
„Eine verstärkte Nutzung von Creative-Commons-Lizenzen im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks würde der Verbreitung der produzierten Inhalte dienen und eine Weiternutzung in den verschiedensten Kontexten vereinfachen – etwa im Bildungsbereich„,
erklärt Dobusch. Das Whitepaper fördert den Gedanken eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der seinen ihm erteilten Auftrag besser und freier erfüllt.
Als aktiver Netzpolitiker habe ich vergangenen Monat auf der Sitzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Medien- und Netzpolitik von Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag (PDF) eingebracht, der Koordinierungsbeirat Medienpolitik der Partei möge das Thema Creative Commons im ÖRR auch in den Rundfunkgremien mit grünen Regierungsvertretern voranbringen.
Der bei nur einer Enthaltung mit großer Mehrheit angenommene Antrag ist die Konsequenz der Beschlusslage von Bündnis 90/Die Grünen zur Gestaltung des ÖRR und zeigt, dass in einem föderalen Staat auch eine im Bundestag in der Opposition stehende Partei gestalterischen Einfluss nehmen kann. Solcher Initiativen, über Parteigrenzen hinweg und auch aus der Zivilgesellschaft heraus, bedarf es in Zukunft mehr.
Frei wie in Freiheit
Wichtig bei der Ausgestaltung freier Lizenzen im ÖRR wird die Wahl der Lizenz sein. Die Gestaltung einer eigenen Lizenz nur für den ÖRR ist dabei genauso denkbar wie die Nutzung einer Creative-Commons-Lizenz.
Ziel jeglichen politischen Handelns muss es sein, dass die von der Allgemeinheit finanzierten Inhalten dieser auch zur Nutzung unter einer freien Lizenz offen zugänglich gemacht werden. Nicht jede Creative Commons-Lizenz kommt deshalb in Frage. Die Open Knowledge Foundation hat einmal aufgelistet, welche Lizenzen als frei anzusehen sind.
Einschränkungen wie durch das ND-Modul (keine Bearbeitung) oder das NC-Modul (keine kommerzielle Nutzung) sind aufgrund der gesellschaftlichen Relevanz des Themas und auch zur Rechtfertigung der Haushaltsabgabe nicht hinnehmbar. Es geht darum, dass Inhalte frei wie in Freiheit sind, nicht nur frei wie in Freibier.
Tobias Schwarz ist Sprecher der LAG NETZPOLITIK der Berliner Grünen. Dieser Beitrag basiert auf einem Blogpost vom 26.03.2014 auf Isarmatrose.com und steht unter der Creative Commons-Namensnennung-Lizenz (CC BY 4.0).
- In Freiheit und Freibier: Öffentlich-rechtliche Inhalte unter freie Lizenzen stellen antwortet der Radiofuzzie, Technik- und Wissenschaftsjournalist Jan Rähm
22 Kommentare
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[…] Gerne hätte ich auch den Blogpost von Jan Rähm ignoriert, der meinte sich zu meinem Artikel auf Carta.info über freie Lizenzen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) äußern zu müssen. Doch leider […]
[…] 90/Die Grünen Berlin, einen Beitrag auf Carta.info, in dem er die Einführung “Freie(r) Lizenzen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk” […]
[…] von Bündnis 90/Die Grünen Berlin, fordert in einem Beitrag auf Carta.info allen Ernstes: “Freie Lizenzen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“. Er meint, “dass die von der Allgemeinheit finanzierten Inhalten dieser auch zur […]
[…] 90/Die Grünen Berlin, einen Beitrag auf Carta.info, in dem er die Einführung “Freie(r) Lizenzen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk” fordert. Es müssten seiner Meinung nach “… die von der Allgemeinheit […]
@Wolfgang Knoll (#17)
Auch wenn es wie in einem Nebensatz erscheint, es bleibt trotzdem falsch. Verbraucher bezahlen über Käufe im Einzelhandel Steuern, aber eben nicht die Werbung. Die Zusammenhänge sind da komplexer. Werbung ist Bestandteil der unternehmerischen Entscheidung, wenn ein Produkt auf dem Markt angeboten wird und gerade wenn Werbung erfolgreich ist, kann ein Produkt dadurch günstiger werden, weil die Stückzahl steigt. Ebenso gibt es Produkte, für die nicht geworben wird, die sich aber trotzdem verkaufen.
Wenn jemand „Beiträge“ bezahlen muss und weder Sherlock und Tatort sehen will, dann interessierte den bestenfalls, ob durch diesen Austausch die „Beiträge“ sinken, weil jeweils eine Folge weniger produziert wird. Schon mal an diese Menschen gedacht? Die Tendenz bei den ÖRR ist aber immer die: Noch mehr Angebot. Notfalls von dem gleichen Zeug, gering variiert.
Und wer von der Weltkultur abgeschnitten ist, nur weil Youtube vielleicht nicht mehr auf dem Rechner/Tablet/Smartphone zur Verfügung steht, sorry, der hat einen sehr eingeschränken Gesichtskreis. Im übertragenen wie im wörtlichen Sinne.
@16
BBC ist auch öffentlich-rechtlich bezahlt. Und es gab keinen Privaten, der so eine faszinierende Serie wie Sherlock produziert hat. Das britische Marktversagen der Privaten sollte nicht mit weiteren Illusionen über Private verdrängt werden. Man könnte sich statt dessen den Realitäten zuwenden: BBC könnte den Sherlock in die Public Domein geben weil steuerfinanziert und ARD den Tatort.
Faktisch passiert das mit der gegeben Marktelastizität der Konsumenten ja sowieso. Als die neue Staffel von „House of Cards“ von netflix veröffentlicht wurde, war sie am Tag darauf auf vielen Hostern vorhanden, die dafür von den Downloadern kein Geld haben wollten, so wie auf SAT kein Geld dafür haben will, wenn sich Zuschauer im TV „Die Säulen der Erde“ von Ken Follet ansehen. Die finanzieren sich halt über Werbung (die alle Verbraucher (wie Steuern) über Käufe im Einzelhandel bezahlen). Auch die ursprünglich Serie „House of Cards“, die 1991 von BBC (!) produziert wurde, ist vollständig in Youtube.
Das Problem ist m.E. also eher das Geschäftsmodell, nicht das Urheberrecht und Lizenzen. Die Idee von Rechtskundigen, man könne das relativ junge Urheberrecht unverändert ins Digitale retten, obwohl die Menschheit höchste kulturelle Leistungen auch ohne Urheberrecht erbracht, das es im antiken Rom und im Mittelalter nicht gab, führt dazu, dass man keine Energie mehr hat, tragfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das fällt den Zeitungen durch Aussterben gerade auf die Füße.
Die GEMA und VGWort z.B. könnten dabei eine tragende Rolle spielen, weil die ja Modelle betreiben für indirekte Finanzierungen. Aber denen wird Honig ausgelegt aus dem juristischen Raum, dass alles so bleiben könnte wie früher (und Youtube dann eben bis ans Ende aller Tage Deutschland von der Weltkultur abschneidet).
Noch ein Sahnehäubchen: Marieke Schijndel und Joost van
Smiers kommen in der Untersuchung „No Copyright“ zu dem Schluss, dass das Urheberrecht nur den großen Institutionen und äußerst erfolgreichen Künstlern hilft, jungen Künstlern aber nicht. Es ist also auch aus dieser Ecke gegen Kultur gerichtet. Von daher ist es sehr zu begrüßen, dass die ÖRRs neue Wege suchen, um traditionelle, nicht performende Strukturen aufzubrechen.
Wenn die ÖRR sich darauf beschränken würden, mit einem kleinem Stamm von Festangestellten die Themen zu produzieren und zu senden/bereitstellen, die der Markt und auch andere Fördermöglichkeiten von selbst nicht bieten (Nachrichten, investigativer Journalismus, Bildungssendungen), dann könnten die Ergebnisse selbstverständlich frei verfügbar sein, denn sie würden ja von einer Art Beamten generiert.
Dann würde sich auch der Rundfunkbeitrag drastisch verringern und es gäbe kein Akzeptanzproblem.
Solange sie sich aber mit unserem Geld ein Heer von irgendwie Assoziierten leisten (Produktionsfirmen als Auftragnehmer; Produktionsfirmen, an denen sie beteiligt sind – und für den Aufbau dieses Geflechtes rechtswidrig Rundfunkbeiträge verwendeten -; dazu einzelne Personen mit exorbitanten Gagen) wird das natürlich nicht gehen.
Die ÖRR haben den Begriff der „Grundversorgung“ bis ins Unendliche ausgedehnt und Konglomerat von Verfilzungen und Verflechtungen geschaffen, um letztlich nicht mehr kontrollierbar und nur mit riesigem Aufwand abwickelbar zu sein. Das ist der Webfehler des System und den gilt es zu beseitigen. Dann wird es auch keine Kulturbehinderung (#15) mehr geben. Die Rechte an einer BBC-Serie kann auch ein Privater kaufen und erfolgreich vermarkten, wenn sie sooo gut ist. Und wenn sie es nicht ist, gehört sie auch nicht mit Rundfunkbeiträgen gekauft. Oder ist das Publikum immernoch blöd, nur ARD und ZDF sind es nicht? Dann frage ich mich doch, was die in einem halben Jahrhundert mit den vielen Milliarden erreicht haben.
Ich finde es sehr gut, dass sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in die richtige Richtung bewegen. Bisher hat wir anderswo im Urheberrecht eher eine gegenläufige Tendenz, dass gegen die digitale Welt gearbeitet wird und das Vorgestern konserviert werden sollte. Ich habe auch heute zu meinem Erstaunen festgestellt, dass die Tagesschau Downloads für ihre Filme anbietet, so dass ich selbst entscheiden kann, wann ich das von mir Bezahlte sehen will.
Nicht verhehlen aber will ich meine eigentlich radikaleren Wünsche. Bei ARD und ZDF haben wir Anstalten nach öffentlichem Recht (also kein Privatrecht), die über öffentliche Zwangsabgaben (also Steuern) unabhängig von der Nutzung finanziert werden. Hier wäre es demnach auch denkbar, dass die Ausstrahlung im amtlichen Interesse als amtliches Werk nach §5 UrhG erfolgen würde, das urheberrechtsfrei und ohne Lizenzen (da keine Rechte) erfolgt.
Zulieferer, die das nicht möchten, könnten ihre Werk an private Sender verkaufen, die sich nach Privatrecht finanzieren und die zum Schutze der Urheberrechte dann leistungsfähig verschlüsseln. Dann hätte man klare Verhältnisse.
Aber ich will einen Seiteneffekt nicht verhehlen: die ARD hatte die Rechte an der BBC-Serie (auch öffentlich-rechtlich) gekauft. Die Folge war, dass in Deutschland Sherlock Staffel zwei über ein halbes Jahr vom Markt gehalten wurde. Sowohl die englische als auch eine von der ARD erstellte deutsche Synchronisation, die dann auf bescheuerten Sendeplätzen sonntags nach einem Tatort mit marginaler Quote ausgestrahlt wurde, was dann zu der absurden Conclusio führte, in Deutschland sei für Sherlock kein Markt. Hier führt ein perverses Urheberrecht zur Kulturbehinderung.
Tatsächlich aber sehen die Zuschauer dann gleich die englischen Versionen, im Streaming am selben Tag, im Download einen Tag später. Diese Verhinderung macht Märkte kaputt und schädigt Kultur.
Ich habe meinem Ärger über diese Kulturbehinderung der ARD mittels Urheberrecht damals auch Luft gemacht :-)
http://wk-blog.wolfgang-ksoll.de/2012/05/13/sherlock-holmes-das-dartmoor-und-das-urheberrecht/
[…] Wie kann ein qualitativ hochwertiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk aussehen, der auch in der digitalen Welt eine wichtige Rolle spielt? […]
@DieterK: Ich werde hier nicht noch einmal wiederholen, was ich im ohnehin verlinkten White Paper ausgeführt habe – dort finden sich eine Reihe von Gründen, warum jede CC-Lizenz besser als keine ist.
ad NC-Lizenzen: Natürlich ist „echte“ NC-lizenzierte Musik nur eine solche, in der auch Rechteinhaber des Leistungsschutzrechtes dieser Lizenzierung zugestimmt haben. Das ist auch bisher schon so. Nur ist es bislang Mitgliedern der GEMA nicht erlaubt, einzelne Stücke CC zu lizenzieren. Das wird sich (hoffentlich) ändern, sobald die kürzlich verabschiedete EU-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt ist (vgl. Artikel bei netzpolitik.org, der auch im White Paper verlinkt ist).
Und Nein, ich übersehe das mit der „unkontrollierten Nachnutzung“ nicht, sondern bin anderer Meinung: es gibt eben Fälle/Fallgruppen, wo eine solche unkontrollierte Nachnutzbarkeit wünschenswert sein kann. Und das sollte deshalb nicht generell und ex-ante ausschließen.
@Harald: Dem Gerücht, dass die Einstellung der Space Night eine Sparmaßnahme ist, bin ich damals nachgegangen (siehe diverse Artikel dazu auf Carta.info). Es stimmt nicht, dass durch die Einstellung oder die Wahl freier Inhalte, der BR auch nur einen Cent spart. Die ÖRR-Sender zahlen der GEMA, wie die damalige Pressesprecherin mir bestätigte, eine Pauschalabgabe. Egal ob der ÖRR nun 500 oder 501 Sendungen produziert, der Betrag bleibt gleich.
Mir scheint es so, dass der BR das Gerücht als einen Vorwand nutzen wollte. Wir haben damals das Spiel mitgespielt und dem BR gesagt, dass wenn es doch nur ums Geld an die GEMA geht, gemafreie Musik als Ersatz denkbar wäre. Sie waren deshalb sicher nicht gleich zum Umdenken gezwungen, argumentativ kam dann aber auch nichts mehr vom BR dazu.
@DieterK: Der Satz ist von mir ungenau formuliert. Die Depublikationspflicht hat natürlich nichts mit der Lizenz an sich zu tun, ich wollte nur ausdrücken, dass „frei zugänglich“ eben nicht bedeuten, es einfach in einer Mediathek zu sehen und das, aus anderen Gründen, auch noch zeitlich begrenzt. Ich stimme Ihnen auch zu, dass es sich bei der Depublikationspflicht um eine politische Entscheidung handelt, die meines Erachtens auch bald fallen könnte.
Den letzten Abschnitt Ihres Kommentars kann ich nicht ganz nachvollziehen. Die Lizenzierung hat erst einmal nichts mit dem Verhältnis des ÖRR zu Privaten zu tun. Ob die Wahl einer freien Lizenz für die Inhalte des ÖRR einen Wettbewerbsvorteil darstellt, vermag ich nicht zu sagen. Das sollte auch nicht das leitende Motiv sein, sondern das die von der Allgemeinheit finanzierten Inhalten dieser auch zur freien Nutzung offen zugänglich gemacht werden.
@Leonhard Dobusch (Kommentare 3 & 5)
„Nur zur Klarstellung: Ich spreche mich nicht prinzipiell gegen die Nutzung von NC-Lizenzen aus und in meinem White Paper schreibe ich ja auch, dass dieses Lizenzmodul vor allem dann an Bedeutung gewinnen bzw. für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk attraktiver werden wird, sollte (endlich) die GEMA zumindest die Nutzung dieses Moduls erlauben (…) Was die Komplexität der Materie betrifft, so ist dem durchaus zuzustimmen. Es geht vor allem einmal darum, dort anzufangen, wo die Rechteklärung relativ einfach ist..“
Warum gewinnen NC-Lizenzen im Zusammenhang mit ÖR-Produktionen an Bedeutung, wenn die GEMA „(endlich) … zumindest dieses Moduls“ erlaubt? Warum ist die Rechteklärung in diesem Bereich „relativ einfach“?
Sie vergessen (verschweigen?), dass bei Musik nicht nur die Kompositionen geschützt sind, sondern auch die Aufnahmen (Leistungsschutzrecht der Interpreten/Produzenten). Selbst wenn die GEMA in Bezug auf die Kompositionen die Verwendung von NC-Lizenzen gestatten sollte (warum eigentlich?), ändert sich nichts am Status der Aufnahmen. Und anders als die GEMA, die verpflichtet ist, ihr gesamtes Repertoire potenziellen Lizenznehmern zur Verfügung zu stellen, gibt es für die Inhaber der Leistungsschutzrechte, die ihre Rechte an Musikaufnahmen individuell wahrnehmen, keinen Lizenzierungszwang.
„Und was die Nachteile von CC betrifft: klar gibt es die, aber im Falle öffentlich-rechtlichen Inhalten gilt, dass jede CC-Lizenz besser ist als der status quo.“
Warum? Ohne nachvollziehbare Erklärung ist diese Aussage Ideologie.
„(…) selbst wenn man eine diesbezügliche “Fürsorgefunktion” annimmt, ist das dennoch kein Grund, pauschal und generell kommerzielle Weiternutzung auszuschließen.“
Bei Ihrer Antwort auf Kommentar 4 übersehen sie, dass das Jürgen Bischoff von der „beliebigen, unkontrollierten kommerziellen Nutzung“ sprach (die er zurecht ablehnt). Selbstverständlich können und werden ÖR-Inhalte kommerziell genutzt. Nach entsprechenden Lizenzverhandlungen.
@ Tobias Schwarz:
„Damit aber in Zukunft die Inhalte frei zugänglich sind – und das länger als sieben Tage in den Mediatheken –, muss der ÖRR darüber nachdenken, seine Inhalte unter eine freie Lizenz zu stellen.“
Dass die Sendungen in den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nur sieben Tage zur Verfügung stehen, ist eine politische Entscheidung, die auf Druck der Medienindustrie zu stande kam. Einen Zusammenhang mit dem Lizenzstatus der öffentlich-rechtlichen Produktionen kann ich nicht erkennen.
In welcher Hinsich trägt eine NC-Lizenzierung von aus Gebühren finanzierten Produktionen dazu bei, dass die Medienindustrie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mehr als Konkurrenten einstuft? Würde die unbefristete „freie“ Nutzung öffentlich-rechtlicher Produktionen nicht im Gegenteil die Position der kommerziellen Anbieter schwächen (zumindest in deren eigenen Analysen)?
@Harald (#7)
Beim ÖRR von einer „Freiheit der Nutzer“ zu sprechen, ist doch der reine Hohn. Weil eben diese Freiheit nicht besteht, gibt es doch diese Begehrlichkeiten erst, die Ihnen ein mulmiges Gefühl verschaffen.
Also man möchte schon reichlich Aufträge von den ÖRR haben und glaubt in Unkenntnis der tatsächlichen Finanzströme und Interessenlagen das dadurch mehr Kultur entsteht und wagt sich nicht an das Kernproblem heran. Weil man gedanklich festgefahren ist bei der Vorstellung, wer denn ein Auftraggeber sein könne.
In Wirklichkeit ist das Leistungspotential der Gesellschaft auch für diesen Bereich begrenzt. Und nun müssen wir nicht darüber reden, wie beim ÖRR mit Geld umgegangen wird.
Deshalb meine These: CC verarmt die Produzenten. Und ÖRR verarmt das Angebot.
[…] COMMONS Carta: Freie Lizenzen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Wie kann ein qualitativ hochwertiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk aussehen, der auch in der […]
Es gibt sicher eine Reihe von Produktionen, die für CreativeCommon geeignet sind. Ein paar wurden schon genannt im Artikel. Bei der Spacenight bin ich mir nicht sicher, ob es sich da nicht ausschließlich um eine Sparmaßnahme handelte. Signale dazu gab es genügend.
Aber ich finde es als Gewerkschafler auch sehr problematisch, Einkünfte aus Mehrfachverwertungen einfach über eine Lizenz zu kappen. Kunst und Kultur lebt davon, dass nach Erfolg entlohnt wird. Die reinen Produktions- und Erstaufführungkosten sind nur ein Teil der Kalkulation. Im Prinzip können wir nach dieser Logik auch fordern, dass die Privaten, die ihre Produktionen ja auch schon über Werbung finanziert haben, diese über CC freigeben.
Ich bei einer pauschalen Anwendung von CC im ÖRR ein mulmiges Gefühl. Die angesprochene Freiheit ist dann nur eine Freiheit der Nutzer – etwas einseitig.
Die Debatte ist mir als Nutzer (oder Nicht-Nutzer) ein Grauen. Ich möchte selber entscheiden, ob ich mit meinen 18 Euro Bibliotheksbeiträge bezahle, mir Eintrittskarten kaufe (und wofür bitte!), mir ein gutes Buch leiste, Mitglied in einem Verein bin … um nur einiges zu nennen, was durch die Haushaltsabgabe, die ja angeblich eine Demokratie-Abgabe sein soll und Teilhabe ermöglicht, an Teilhabe verhindert wird.
Dies Bevormundung ist das eigentliche Problem. Wer frei über sein Geld entscheiden kann, wird auch gerne Rechte beachten.
Diese Debatte sieht nur die Interessen der Produzenten, also einer Minderheit.
Die Sache wird doch nicht besser, weil man die 90% Überflüssiges und die 100 % zu teuer Produziertes dann frei verwenden kann. Im Gegenteil. Das würde die Deutungsmacht des hochgradig undurchsichtigen Apparates ÖR nur noch verstärken.
Runter mit der Haushaltsabgabe! Dann entstehen die oben debattierten Probleme doch überhaupt nicht. Überregulierung schafft überbordende Debatten, aber nicht zufriedene Kreative und zufriedene Nutzer.
Lieber Herr Bischoff, selbst wenn man eine diesbezügliche „Fürsorgefunktion“ annimmt, ist das dennoch kein Grund, pauschal und generell kommerzielle Weiternutzung auszuschließen, sondern etwas, das im Einzelfall bzw. für Fallgruppen entschieden werden sollte – gerne auch unter Einbeziehung der betroffenen MitarbeiterInnen.
Und was die Nachteile von CC betrifft: klar gibt es die, aber im Falle öffentlich-rechtlichen Inhalten gilt, dass jede CC-Lizenz besser ist als der status quo.
Lieber Herr Dobusch,
Ich bin der Auffassung, dass die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten auch eine Fürsorgefunktion für ihre kreativen Mitarbeiter haben, und in diesem Sinne kann es nicht sein, dass die Anstalten ihre Inhalte auch zur beliebigen, unkontrollierten kommerziellen Weiternutzung lizensieren.
Ich denke da hat eher Wikipedia ein Problem mit seinem Lizenzmodus. Damit zeigt sich aber auch schon sehr schnell ein Pferdefuss der CC-Lizenzen, wie Sie ihn ja selbst in Ihrem Kommentar auf netzpolitik.org zum Urteil des Landgerichts Köln aufgezeigt haben: die unterschiedlichen Lizenzmodule blockieren sich in der Praxis gegenseitig.
Nur zur Klarstellung: Ich spreche mich nicht prinzipiell gegen die Nutzung von NC-Lizenzen aus und in meinem White Paper schreibe ich ja auch, dass dieses Lizenzmodul vor allem dann an Bedeutung gewinnen bzw. für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk attraktiver werden wird, sollte (endlich) die GEMA zumindest die Nutzung dieses Moduls erlauben.
Hinsichtlich Wikipedia ist mein Argument einfach nur, dass die dortige Verwendbarkeit ein Argument für einen Verzicht auf das NC-Moduls darstellt, wo dieser möglich ist. Schließlich sind bspw. Nachrichtenberichte oder Dokumentationsformate Inhalte, die als multimediale Ergänzung gut in Wikipedia-Artikel passen würden.
Was die Komplexität der Materie betrifft, so ist dem durchaus zuzustimmen. Es geht vor allem einmal darum, dort anzufangen, wo die Rechteklärung relativ einfach ist.
Sollte nicht nur für öffentlich-rechtliche Inhalte gelten, sondern für alle immateriellen und materiellen Güter, die mit staatlicher Unterstützung produziert werden.
Wenn ein staatlich (teil-)finanziertes Symphonieorchester eine CD einspielt, sollten die Erlöse entsprechend zurück an die Allgemeinheit gehen. Wenn ein Unternehmen ein Projekt mit Subventionen teilfinanziert, ebenfalls. usw. usf.
Wir lassen uns alle leider immer wieder über den Tisch ziehen, wenn es um die öffentliche Finanzierung von Partikularinteressen geht.
Als Medienjournalist und Geschäftsführer einer eigenen kleinen Filmproduktion, die vor kurzem einen Film über Gemeingüter für 3Sat produziert hat, bin ich regelmäßig mit der Frage von Rechteeinräumung und Rechteeinholung befasst. Aus der alltäglichen Erfahrung kann ich nur sagen: als Nichtjurist bewegt man sich hier in einem unübersichtlichen Minenfeld.
Auch wenn ich die Anliegen von Tobias Schwarz schon seit Jahren teile – denn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind ein sehr wichtiges Archiv dieser Gesellschaft – so warne ich davor, allzu simplizistisch jetzt schon mit Lösungen herumzuwedeln. Ein Film oder auch ein Radiobeitrag mit Griffen ins Archiv sind zum Teil mit einem Rattenschwanz an eingeräumten Rechten behaftet, die es nicht einfach machen, Beiträge zur „freien Nutzung“ bereitzustellen. Ich wage zu bezweifeln, dass Tobias Schwarz schon jemals in einen 16-seitigen Produktionsvertrag (zuzüglich Anhänge mit allgemeinen Geschäftsbedingungen) hineingeschaut hat.
Interessant an dem Papier von Leonhard Dobusch aber auch an der Argumentation von Tobias Schwarz ist vor allen Dingen die Ablehnung eines NC-Moduls, also eines Vorbehaltes, nur nichtkommerzielle Nutzung zuzulassen.
Leonhard Dobusch, der viel über Wikipedia forscht und veröffentlicht, begründet dies damit, dass Wikipedia dann ja nicht mehr auf Inhalte der Öffentlich-Rechtlichen zurückgreifen dürfe, weil das Lizenzmodell von Wikipedia auch eine kommerzielle Nutzung erlaube. Mit Verlaub: seit wann darf der Nachnutzer Wikipedia dem Rechteinhaber ARD/ZDF/DLR vorschreiben, wie gefälligst die Lizenzen zu gestalten sind, damit das Geschäftsmodell des Nachnutzers nicht gestört wird?
Auch Tobias Schwarz liefert für sein Postulat „Einschränkungen wie durch das ND-Modul (keine Bearbeitung) oder das NC-Modul (keine kommerzielle Nutzung) (…) nicht hinnehmbar.“ keinerlei nachvollziehbare Begründung.
Sagen wir es ganz deutlich: dieser Beitrag von Tobias Schwarz – auch wenn er einigermaßen moderat daherkommt – ist der Versuch, im Rahmen einer innerparteilichen Auseinandersetzung in einem nicht ansatzweise ausdiskutierten Problemfeld seine Sichtweise öffentlich als Ultima Ratio darzustellen.
Zu meiner Person: ich bin Mitglied in der LAG Medienpolitik der Berliner Grünen und von dieser als Delegierter in die BAG Medien- und Netzpolitik entsandt, deren Mitglied auch Tobias Schwarz ist. Ich habe aus meiner fachlichen Kenntnis der Sachlage mich bei dem von Tobias Schwarz erwähnten Beschluss der Bundesarbeitsgemeinschaft enthalten.