Die SCHUFA und Big Data – BMJ, übernehmen Sie!
Die ablehnende Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu einem umfassenden Auskunftsrecht gegenüber der SCHUFA hat erhebliche Konsequenzen.
Letztlich geht es darum, ob der Datenschutz auch dort greift, wo auf Grund („bloß“) statistischer Zusammenhänge auf individuelles Verhalten geschlossen wird. Denn auch solche statistischen Bewertungen ziehen erhebliche persönliche Konsequenzen nach sich, etwan ob ein Kredit vergeben wird. Auch bei der existentiellen Frage, ob ich als Mieter akzeptiert werde, kann der Scorewert eine Rolle spielen. Der SCHUFA-Score funktioniert dabei ähnlich wie Big-Data-Anwendungen, die uns tagtäglich und überall in unserem Alltag beobachten und bewerten.
Die SCHUFA beschränkt sich seit langem nicht mehr darauf, Banken vor „schwarzen Schafen“ zu warnen, die ihre Kredite nicht ordnungsgemäß zurückgezahlt haben.
Vielmehr werden alle möglichen Informationen ausgewertet, um die Kreditwürdigkeit eines (potentiellen) Kunden mittels eine Kopfnote (Scorewert) zu beurteilen. Der auf der Grundlage eines mathematisch-statistischen Verfahrens errechnete Scorewert soll Banken, Versandhändlern, Telekommunikationsunternehmen und Vermietern die Wahrscheinlichkeit des künftigen individuellen Zahlungsverhaltens offenbaren.
Selbst wer überhaupt niemals einen Kredit aufgenommen oder ihn pünktlich zurückgezahlt hat, kann einen schlechten Scorewert erhalten. Denn Faktoren wie Alter, Geschlecht, Wohnort oder die Dauer eines Arbeitsverhältnisses können den Scorewert negativ beeinflussen.
Dabei greift das Scoring immer weiter um sich: Unser Surfverhalten im Internet wird bewertet, um uns passende Werbebotschaften zuzusenden (Behavioral Targeting), Versicherungen werten aus, wie wir mit dem Auto unterwegs sind und berechnen auf dieser Grundlage unsere Policen („Pay as you drive“), und US-Sicherheitsbehörden bewerten Fluggastdaten, Telefon- und Internetdaten, um potentielle Terroristen ausfindig zu machen.
Bei solchen Big-Data-Verfahren können wir immer weniger selbst über die Preisgabe und Verwendung unserer Daten bestimmen. Hier brauchen wir zumindest umfassende Transparenz.
Zwar müssen uns Kreditauskunfteien seit 2010 einmal im Jahr einen kostenlosen „Kontoauszug“ über die gespeicherten Daten geben. Auch haben sie uns über wesentliche Faktoren zu informieren, die in Scorewerte eingeflossen sind.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs verdeutlicht aber, dass dies nicht ausreicht: Der BGH hat nämlich festgestellt, dass die SCHUFA über die „Scoreformel“, also die Gewichtung und Berechnung der Scorewerte, keine Auskunft erteilen muss, weil es sich dabei um ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis handelt.
Deshalb muss jetzt der Gesetzgeber für die notwendige Transparenz sorgen. Nicht nur die beim Scoring verwendeten Daten müssen offengelegt werden, sondern auch, wie daraus eine Kopfnote wird.
Dies ist eine schöne und wichtige Aufgabe für den neuen Bundesjustizminister Maas und seine beiden dem Verbraucherschutz verpflichteten Staatssekretäre Billen und Kelber.
BMJ, übernehmen Sie!
Ihr
Peter Schaar
Crosspost vom Blog der EAID · Europäische Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz e.V.
3 Kommentare
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Nach dem Urteil wird sich der Gesetzgeber hüten, dort regulierend einzugreifen – Gesetze, die Unternehmen zugunsten von Bürgerrechten einschränken, sind von schwarzrot eher nicht zu erwarten. Es ist sehr bezeichnend für das Verständnis des Verhältnisses zwischen individuellen Rechten und unternehmerischen Interessen, wenn ein Gericht urteilt, dass bei den Faktoren, die einer Bewertung zugrunde liegen, das Geschäftsgeheimnis wichtiger ist als das Auskunftsinteresse des Bürgers. Das Unternehmen ist wichtiger als der Bürger, ist die Botschaft. Da passen die Ungeheuerlichkeiten, die im TTIP verhandelt werden, ins Bild.
Letztlich ist es wurscht, wo der Bewerter sitzt – solange der Bewertete ohnehin keine umfassenden Auskünfte kriegt.
Die Schufa ist momentan noch ein gewichtiger Punkt in Deutschland, kämpft aber mit erheblichen Bedeutungsverlust.
Jedoch ist die Branche glitschiger als ein Fass voller Aale. Die meisten großen Online-Dienste weichen bei der Bonitätsbewertung mittlerweile auf spanische und irische Anbieter aus und liefern auch dorthin Daten.
Die neuen Ebay-AGB, die jüngst per email zugestellt wurden, zeigen, dass man mit nationalen Gesetzen höchstens die Glitschigkeit erhöhen kann. Es muss eine Offenlegungspflicht her, wen ein Vertragspartner zur Bonität befragt und ob er seine Entscheidung darauf abgestellt hat.
Ferner muss eine unbegrenzte Schadensersatzpflicht mit Umkehrung der Beweislast her, wenn diese Informationen falsch sind und ein Schaden durch zum Beispiel fehlenden Zugang zu stadtnahen Wohnungen entsteht.
Sprich nicht der Geschädigte muss den Schaden bezifferbar nachweisen, sondern die Auskunftei muss dessen Nichtexistenz beweisen.
Wenn die Schufa dann die ersten Bahncard100 bezahlen muss, wird sie auch wieder zu dem sinnvollen Instrument, dass sie mal war.
Das Pendant zur SCHUFA existiert natürlich auch im europäischen Ausland.
Der Versuch auf europäischer Ebene Transparenz zu schaffen, sofern möglich, würde uns allen Europäern zugutekommen.