#Abstimmung

Rammler des Jahres

von , 22.1.14

Das Sommerfest mit der Wahl des “Rammlers des Jahres” war schon immer der Höhepunkt im Vereinsleben des Kaninchenzüchtervereins. In den vergangenen Jahren bemerkte man aber frustriert das abnehmende Interesse bei den Mitbürgern.

Selbst die Beteiligung der Vereinsmitglieder ließ mittlerweile zu wünschen übrig. Zwar kam noch regelmäßig der Ortsvorsteher vorbei, aber schon der Bürgermeister und die Repräsentanten der politischen Parteien ließen sich wegen “Terminproblemen” entschuldigen. Die immer schlechter werdende Beteiligung an der Wahl galt als Indikator für die abnehmende Bedeutung des Vereins in der Stadt.

Was tun?

Der seit 2001 amtierende Vereinsvorsitzende Meier sprach das Thema beim Bier nach der Vorstandssitzung an. Dabei waren noch Geschäftsführer Schulze und Pressesprecher Müller. Mit dieser Beteiligung brauchen wir uns im Ort nicht mehr sehen zu lassen, darin war man sich schnell einig. Statt 340 Wähler haben sich nur 34 beteiligt. Sie machten sich keine Illusionen über das Interesse der Politik an ihrem Hobby, trotzdem wollte man endlich von der Stadt das Grundstück für ein neues Vereinsheim erhalten.

Das funktioniert nur, wenn man seine Bedeutung in der Stadt nachweisen kann. Der Vereinsvorsitzende war immer noch gut vernetzt. Er wurde nicht ohne Grund “Vereinsmeier” genannt. Meier bekam bei den Honoratioren der Stadt zwar immer noch einen Termin, aber lediglich aus einem Grund: Diese nahmen an, sein Wort habe Gewicht. Sich es mit ihm zu verscherzen, könnte Wählerstimmen kosten.

Mit der miesen Wahlbeteiligung geriete dieses Image ohne Zweifel ins Wanken – und das Vereinsheim bliebe ein schöner Traum. Nach dem dritten Bier kam Pressesprecher Müller die Idee. Man könnte die Wahlbeteiligung doch etwas schönen, natürlich, ohne die Rangfolge zu ändern. Aus 34 Stimmen machen wir dann halt 340. Wer soll das schon bemerken?

Vorsitzender Meier hatte zwar Bauchschmerzen, ließ sich aber überzeugen. Als langjähriger Funktionär wusste er selbstredend, so ein Thema nur informell behandeln zu können. Es tauchte weder auf einer Tagesordnung noch in den Vorstandsprotokollen auf. Wenn die Sache auffliegt, müsste halt der Pressesprecher die Verantwortung übernehmen. Wie wollte man auch seine Mitwisserschaft nachweisen?

Nur hatte die Sache einen Haken. Wer glaubt uns schon, dass der langjährige Vorsitzende nichts davon gewusst haben soll? Wo doch in diesem Verein nichts ohne sein Wissen geschieht? Aber es wird schon gutgehen. Und wir haben ein ehrenwertes Motiv: Unserem Vereinszweck einen guten Dienst zu erweisen.

So einen Fall hat es natürlich nicht gegeben, auch wenn sich jeder Verein in der Öffentlichkeit von der besten Seite zeigen will.

Viele Vereine haben mit Nachwuchssorgen zu kämpfen. Wer die Lokalseiten einer Zeitung liest, kann darüber fast jeden Tag lesen. Dazu gehören auch die bisweilen rührenden Bemühungen von Vereinsvorständen, daran etwas zu ändern. Plumpe Fälschungen gehörten allerdings bisher nicht zu den üblichen Instrumentarien im deutschen Vereinswesen.

In so einem Fall müssten aber wohl der Vorsitzende und der Vorstand eines Kaninchenzüchtervereins zurücktreten, völlig unabhängig von der Frage, wer am Ende bei der Wahl des “Rammlers des Jahres” die Manipulation durchgeführt haben sollte. Schließlich ist man keine Aktiengesellschaft oder Bank, wo der schönste “Corporate Governance”-Kodex oder ein hoch dotierter Aufsichtsrat Betrug noch nie verhindert haben – und der Zynismus bisweilen zum Geschäftsmodell gehört. Dafür ist aber das Einkommen gesichert, und manche reisen dann sogar im Januar in das beschauliche Davos.

Vielleicht sollte man sich in München an den Kaninchenzüchtervereinen ein Beispiel nehmen. Dort bekommt man sicher gute Hinweise auf die Frage, wie man einen Verein organisiert – und was nach der Aufdeckung der Manipulation bei der Wahl des “Rammlers des Jahres” ein Vorsitzender und sein Vorstand tun sollten.
 
Crosspost von Wiesaussieht

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