#Andrew Sullivan

Zukunftsmusik: Die Grenzen des Journalismus werden neu verhandelt

von , 24.10.13

Mehr Diskussion, weniger Gerangel. Da stimme ich meinem Journalisten-Kollegen Fahrenbach gern zu, wenn er fordert, dass wir uns beim Blick auf den Medienwandel nicht ständig selbstverliebt Knüppel zwischen die Beine werfen sollten. Die Strategie der Exklusion und die ständige Schwarz-Weiß-Malerei, wie sie in Twitter-Debatten gern angewendet werden, hilft uns nicht weiter, wenn wir den Journalismus in Deutschland weiterentwickeln wollen.

Also schaffen wir lieber Grundlagen für die Debatte und werfen einen Blick darauf, was im englischsprachigen Raum mit Journalismus gerade passiert – gucken wir in Deutschland doch immer mit großen Augen auf all das, was da so läuft. Buzzfeed lässt grüßen.

 

Wir befinden uns am Anfang, lasst uns mitgestalten!

Meine Behauptung lautet: die deutsche Huffington Post kann erst der Anfang sein. Um einen besseren Überblick zu bekommen, werde ich die Angebote, also Trends, Internetseiten und Dienste, die Journalismus neu definieren in unterschiedliche Kategorien einteilen und einzelne Highlights vorstellen. Die einzelnen Kategorien lauten:

  • Social Media
  • Mobile
  • Der Experte
  • Viral-Experten
  • Aggregatoren
  • Stiftungsjournalismus
  • One Man and his Blog

Der Blick richtet sich dabei vor allem auf Angebote für das jüngere Publikum, also die so genannten Digital Natives, die mit Facebook und YouTube aufwachsen und den traditionellen Medienangeboten nicht mehr die Loyalität entgegenbringen, die den Unternehmen jahrelang die Taschen prall gefüllt hatten. Los geht’s.

 

Strategie 1: Social Media als exklusiven Kanal nutzen

Facebook, Twitter, Instagram, Vine, YouTube – all diese Kanäle werden von traditionellen Medienhäusern mittlerweile mehr oder weniger intensiv bedient. Aber Unternehmen, bzw. Medien-Start-Ups, die sich komplett auf die Verbreitung von Inhalten in sozialen Netzwerken konzentrieren, gibt es eher wenige.

Dabei ist es doch geradezu ein Traum für Produzenten, dass sie ihre Inhalte heute mit geringem finanziellen Aufwand an unendlich viele Konsumenten liefern können. Warum dann noch eine eigene Website? Warum dann noch ins Fernsehen wollen? Oder eine Zeitung drucken, die dann gekauft werden soll?

Beispiel NowThis News: “There’s a willing audience in people who would never think to turn on a TV to get their news, but refresh their Instagram feed multiple times a day.”
 

NowThis-shot

 
Was: Das Internet-Angebot NowThis News versteht sich als erstes Medienunternehmen, das exklusiv auf seiner App, auf Vine und Instagram sendet. Der Slogan “Social Mobile Video” ist Programm. Das junge Unternehmen bietet Video-News speziell auf Instagram (also Facebook) und Vine (also Twitter) an. Die jeweils sechs- bzw. fünfzehn-sekündigen Videos werden professionell erstellt und beleuchten unterschiedliche Themen aus den Bereichen Gesellschaft, Politik und Unterhaltung.

Wie: Gegründet wurde das Unternehmen vom Huffington Post Co-Founder Kenneth Lerer und vom ehemaligen Huffington Post CEO Eric Hippeau. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die Videos werden nicht fürs Fernsehen produziert und danach auf Instagram gepostet. NowThis News produziert originären Content fürs Web, teilweise für BuzzFeed, immer für die App, Instagram und Vine.

Insgesamt hat das Startup 37 Mitarbeiter, 22 davon produzieren Inhalte – stets mit einem Blick darauf, welche speziellen Möglichkeiten der Ausspielweg, also das soziale Netzwerk, bietet.

Finanzierung: Das Unternehmen funktioniert bislang durch satte Finanzierungsrunden von Lerer Ventures, Bedrocket Media Ventures und Oak Investment Partners – die auch bei der Huffington Post und Buzzfeed ihre Finger mit im Spiel haben. NowThis News denkt aber laut darüber nach, spezielle Werbung in ihrem Stil zu produzieren – also Native Advertising zu nutzen, um das Angebot zu finanzieren.

In der Praxis: Am folgenden Beispiel wird dargestellt, wie die Inhalte für Instagram, bzw. für Vine aufbereitet werden. Es fällt dabei auf, dass nicht ein und dasselbe Video einfach nur länger oder kürzer ist, wie wir es beispielsweise vom TV kennen. Hier handelt es sich vielmehr jeweils um einen originären Ansatz. Dadurch erzielen sie eine hohe Reichweite für ihre Inhalte.

Inwieweit aber machen sie sich dadurch abhängig von den Drittplattformen, und inwiefern können sie ihre Angebote wirklich monetarisieren? Sind Native Ads ein legitimes Mittel für ein News-Programm?

 

Strategie 2: Komplett auf Mobile setzen

Wenn sich Mark Zuckerberg bei der Weiterentwicklung von Facebook mit oberster Priorität auf die mobile Nutzung seines Netzwerks konzentriert, dann versinnbildlicht das, wie wichtig Mobile heute ist. Wir alle sind mit Smartphones ausgestattet und simsen, twittern, facebooken zu jeder Zeit, überall. Wer will da schon ellenlange Texte in der mobilen Version von Spiegel Online lesen? Keiner. Kurz, knapp und präzise sollen die News sein. Genau auf diesen Häppchen-Journalismus hat sich die Firma Circa News spezialisiert.

Beispiel Circa News: “At Circa we atomize news or break down news into its atomic elements.”

Was: Das Nachrichten-Startup Circa News setzt konsequent auf mobile Endgeräte. Die Nachrichten werden dementsprechend mit Blick auf die Darstellung auf Smartphones geschrieben und formatiert. Das Motto lautet: save time, stay informed. Circa News gibt es nur als App für Smartphones und nicht als Website. Im Fokus steht der Nutzer, der mal eben an der Ampel checken will, was es Neues gibt.
 

circa

 
Wie: Die Redaktion bereitet Themen auf verschiedenen Seiten auf, die per Swipe ineinander übergehen. Dabei folgen sie dem Prinzip, dass ein Thema in maximal vier bis fünf Absätzen erklärt werden muss. Die einzelnen Absätze (respektive Seiten) können Texte und Bilder enthalten. Alle weiterführenden Informationen und Einschätzungen gibt es per Link auf Drittangebote. Dass sämtliche Inhalte per Klick geteilt werden können, versteht sich von selbst.

Finanzierung: Mir nicht bekannt.

In der Praxis: Im Screenshot wird dargestellt, wie Circa News die Journalismus-Häppchen aufbereitet. Es gibt ein Bild und so etwas wie einen Teaser. Danach folgen zwei, drei Seiten mit ähnlich übersichtlichen Info-Häppchen. Alles weitere erfolgt per Link auf die Quelle der Nachricht. Circa News bringt Nachrichten-Häppchen für die Wartezeit an der Supermarkt-Kasse.

Gibt es in Deutschland einen Bedarf an solchen Häppchen? Und ist es überhaupt der Mühe wert, solche Info-Brocken zu produzieren?

 

Strategie 3: Der Experte

Freie Journalisten müssen sich heute selbst vermarkten können, lautet das immer gleiche Mantra auf allen Kongressen und in den einschlägigen Blogs. Ich bin da etwas anderer Meinung. Ich glaube, dass Journalisten vor allem eine Sache richtig gut können müssen: Egal, ob es eine bestimmte Expertise ist oder eine spezielle journalistische Fähigkeit – die, die was können, werden Gehör finden.

Einer, der sich regelmäßig Gehör verschafft, ist Tim Pool – der Prototyp des Reporters für das 21. Jahrhundert.

Beispiel: Tim Pool, “Mobile/Tech specialist, Award winning Journalist, Producer @VICE”

Tim Pool (@timcast) ist eine echte Granate. Der Typ ist gerade einmal 27 Jahre alt und erfindet den Journalismus jedes Jahr ein bisschen neu. Zunächst hat er mit dem Einsatz von Drohnen auf sich aufmerksam gemacht. Dann hat er als One-Man-Show die #occupywallstreet-Bewegung live ins Netz übertragen. Um dann schließlich im Auftrag von Vice mit einer gehackten Google-Glass-Version in der Türkei von den #occupygezi-Protesten zu berichten – live im 24h-Stream, fast.

Was: Tim Pool ist ein Reporter, der aktuell für Vice arbeitet, sich stets die neueste Technik zu eigen macht und damit die Grenzen des Journalismus immer etwas weiter verschiebt. Seine Aktionen sind getrieben von Subjektivität – aber wer kann schon von sich behaupten, dass er im Alleingang Interessierte aus aller Welt mittels Live-Reportage mitten in die Proteste einer sozialen Revolte entführt?

Wie: Tim Pool ist ein Nerd. Er scheut nicht davor zurück, den Zuschauer/User mit auf eine Reise zu nehmen, von der er selbst noch nicht weiß, wie sie sich entwickelt.

Tim Pool, Foto: Tony Riggins, CC BY-SA

Tim Pool, Foto: Tony Riggins, CC BY-SA

Während wir in deutschen Redaktionsstuben häufig von Echtzeit-Berichterstattung schwätzen, macht Tim vor, was das wirklich heißt: Er ist vor Ort und streamt via Smartphone oder Google Glass live und direkt ins Netz – egal, ob er gerade von der Polizei eingekesselt wird oder irgendwo gemütlich Pause macht. Dazu twittert er, stellt Fotos ins Netz und schreibt kurze Blogposts. Tim ist quasi Kameramann, Tonmann, Reporter, Producer und Stringer in einer Person.

Finanzierung: Seit den Occupy-Wallstreet-Protesten ist Tim ein international bekannter Reporter, der bereits für den Guardian und Reuters gearbeitet hat und sich aktuell um seine Aufträge keine Sorgen machen muss. Derzeit arbeitet er für Vice.

In der Praxis: Tim Pool ist der Prototyp des Reporters des 21. Jahrhunderts. Er berichtet live und direkt. Doch wieviel Distanz kann er zu den Ereignissen wahren? Und brauchen wir überhaupt Distanz? Oder wollen wir als User einfach mitgenommen werden – gerade, weil wir nicht wissen, was als nächstes passiert.

 

Strategie 4: Die Viral-Experten

Es gibt Nachrichten-Seiten, die gute, solide Nachrichten produzieren. Leider nimmt sie kaum jemand wahr. Das liegt sicherlich nicht an den Inhalten, sondern viel mehr an der Verpackung. In Zeiten, in denen die Aufmerksamkeitsspanne häufig nicht länger als drei Sekunden anhält, ist es wichtig, dem User sofort zu signalisieren, warum die Nachricht für ihn wichtig ist. Das funktioniert. Auch bei seriösen Themen. Die absoluten Chefs der Aufmerksamkeit sind die Jungs und Mädels von upworthy.com.

Beispiel Upworthy.com: “A steady stream of the most irresistibly shareable stuff you can click on without feeling bad about yourself afterwards.”

Was: Upworthy.com ist eine Internet-Seite, die es in kürzester Zeit geschafft hat, Millionen von Fans zu generieren. Das Geheimrezept besteht darin, Videos, die viral werden könnten, im Netz oder bei TV-Sendern zu entdecken und sie neu zu präsentieren. Klingt simpel, ist aber eine Menge Arbeit. Somit ist upworthy.com keine klassische Nachrichtenseite.

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Und dennoch ist sie weit entfernt davon, einfach nur ein weiterer Zeitfresser zu sein. Upworthy.com ist eine interessante Mischung aus bester PR (mit Blick auf die Überschriften und Teaser) und politischem Journalismus. Sicherlich hat das Portal eine Agenda, aber das hat auf ihre Art ja auch jede deutsche Tageszeitung.

Wie: Die Mitarbeiter suchen im Netz nach etwaigen viralen Krachern. Dabei steht stets die Frage im Raum, inwiefern der User von der Geschichte emotional ergriffen wäre. Ist ein entsprechendes Video gefunden, wird mittels ausgefeilter Technik die beste Überschrift und der bestmögliche Teaser geschrieben. Auf der Seite selbst finden sich recht aggressiv platziert Facebook- und Twitter-Buttons, um die Inhalte zu teilen. Zudem ergreift Upworthy.com jede Chance, um den User zum Facebook-Fan zu machen oder das Blog per Email abonnieren zu lassen.

Finanzierung: Upworthy.com wurde von Eli Pariser – ihr wisst schon: Filter Bubble – gegründet. Aktuell setzt das Startup auf Reichweite und finanziert sich durch Risikokapital von Facebooks Chris Hughes, Reddits Alexis Ohanian und John Johnson von BuzzFeed.

In der Praxis: Das Video wurde über zwei Millionen Mal auf Facebook geteilt und zehn Millionen Mal auf YouTube geklickt. Insgesamt hat Upworthy.com nur für dieses eine Video über 79 verschiedene Überschriften ausprobiert, um zu schauen, mit welcher das Video durch die Decke gehen würde.

Bei der Seite upworthy.com handelt es sich um eine eigenwillige Form von Journalismus. Die Seite setzt sich zwar primär mit seriösen Themen auseinander, verkauft wird aber alles mit Blick auf die Betroffenheit der User – alles schlimm, schlimm, schlimm.

Aber ist das nicht legitim? Und wenn ja, was können wir aus der Verkaufe von upworthy.com lernen?

 

Strategie 5: Die Aggregatoren

Warum selbst Nachrichten machen, wenn doch genügend andere Portale sie anbieten? Eben. Dann doch lieber versuchen, die relevanten Nachrichten wohlsortiert und übersichtlich aufbereitet zu präsentieren.

Genau das ist das Ziel von Aggregatoren. Der König aller Aggregatoren ist das Portal Reddit, denn es setzt nicht auf Algorithmen, sondern auf die unfassbare Masse an Usern, die Artikel vorschlagen und dann hoch- bzw. runterbewerten dürfen. Das, was also die Masse interessiert, wird auch die Masse erreichen.

Beispiel Reddit: “The Front Page Of The Internet”

Was: Reddit.com versteht sich selbst als “front page of the internet”. Dieser Spruch kommt nicht von ungefähr: auf Reddit finden sich alle Inhalte, die für User Relevanz haben – fein säuberlich sortiert in sogenannte Subreddits. Ob das noch Journalismus ist? Ja, weil hier die User ihre “eigene Zeitung” machen. Auf Reddit.com finden sich Links zu allen nur erdenklichen Themen. Die Bandbreite ist wirklich grenzenlos.

Das Prinzip dahinter ist simpel: Reddit.com ist eine Plattform, auf der User Links einreichen können. Diese Links werden dann von anderen Usern nach oben bzw. nach unten gewertet. Dadurch ergibt sich eine Rangfolge dessen, was für andere User Relevanz haben könnte, oder eben nicht.

Wie: In diversen Subreddits toben sich User akribisch zu speziellen Themen aus. Auch das abstruseste Thema wird hier mit einer großen Hingabe von allen Seiten beleuchtet. Dabei handelt es sich keineswegs um Spinner, die sich auf Reddit austoben. Es ist vielmehr die Masse, die als Korrektiv auf alle Themen einwirkt. Zudem gibt es nicht nur Links, sondern auch die Möglichkeit, auf Reddit Texte zu verfassen.

Finanzierung: Reddit bietet eine Premium-Mitgliedschaft an und schaltet Werbung.

In der Praxis: Das bekannteste Beispiel ist sicherlich der Manhunt nach dem Boston Marathon. Zwar handelt es sich dabei nur begrenzt um ein positives Beispiel, aber es zeigt sehr deutlich, inwieweit Reddit als journalistische Quelle und Plattform fungieren kann. Zudem gibt es Hunderttausende, die Reddit als Info-Quelle Nummer eins nutzen.
 

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Reddit ist ein toller Ort, um journalistische Inhalte und Original-Quellen zu finden. Dass es sich dabei nicht um ein redaktionell aufbereitetes Angebot handelt, ist eine wahre Freude.

Aber inwieweit taugt die Weisheit der Masse wirklich mehr als die fundierte Rercherche eines einzelnen Journalisten? Und wäre ein solch rege Community im deutschsprachigen Raum überhaupt denkbar?

 

Strategie 6: Stiftungsjournalismus

Wer soll denn nun diesen ominösen Qualitätsjournalismus bezahlen? Und was ist das überhaupt? Und warum auch? Den Öffentlich-Rechtlichen trauen wir ja schließlich auch nicht. In den USA hat sich in den letzten Jahren eine neue Form der Finanzierung von journalistischen Inhalten ausgebildet: das Stiftungswesen. Die bekannteste Seite, die durch eine Stiftung finanziert wird, ist ProPublica.

Beispiel ProPublica: “Journalism in the public interest”

Was: Investigative Recherche, unabhängig finanziert und auch noch richtig gut: das ist ProPublica – der wahr gewordene Traum aller Hardcore-Journalisten-Fans. Die Seite wurde 2007 gegründet, sitzt in New York und versteht sich als Nonprofit-Newsdesk. ProPublica steht für investigativen Journalismus wie kaum eine zweite Plattform. 32 Festangestelle und über 2.200 Freiwillige helfen dabei, Wahrheiten ans Licht zu bringen oder zumindest die Fragen zu stellen, die sonst keiner mehr stellt – weil man keine potentiellen Werbekunden verschrecken möchte.

Wie: Die Seite arbeitet häufig monatelang an einem Thema und bietet die Recherchen dann anderen Plattformen exklusiv an. Ferner stellt ProPublica alle Ergebnisse auch unter Creative Commons der Allgemeinheit zur Verfügung. Die Seite arbeitet aber auch tagesaktuell.
 

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Finanzierung: Die Seite wurde originär von zwei Milliardären gegründet und finanziert sich heute durch eine Stiftung.

In der Praxis: Auf ein Beispiel verzichte ich an dieser Stelle. Einfach mal auf die Seite gehen und lesen – denn das ist es, worauf es bei ProPublica ankommt. ProPublica ist eine tolle Plattform, die ihresgleichen sucht.

Ist stiftungsfinanzierter Journalismus in Deutschland denkbar? Und wenn ja, wann fangen wir damit an?

 

Strategie 7: One Man and his blog

Blogger gibt es wie Sand am Meer. Aber es gibt nur wenige Blogger, die eine überregionale, ja gar internationale Strahlkraft haben und von ihrer Bloggerei leben können. Warum ist das eigentlich so schwer? Es müsste doch Mittel und Wege geben, sich das Bloggen finanzieren zu lassen. Einer, der es im Alleingang geschafft hat, ist Andrew Sullivan.

Beispiel The Dish: “Andrew Sullivan Biased and balanced”

Was: Andrew Sullivan kann einen echt aufregen. Und genau darum geht es ihm auch. Sein Blog ist voller Gemeinheiten und Übertreibungen – und lockt damit Hunderttausende an. Sullivan hat jüngst ein Experiment gewagt, das seinen Bekanntheitsgrad noch weiter gesteigert haben dürfte: er hat seine Leser gebeten, sein Blog zu finanzieren – und macht sich damit frei von Investoren oder Werbepartnern.

Andrew Sullivan ist ein schwieriger Charakter, der sein Wissen ungebremst anderen mitteilen möchte. Das bekommen nicht nur viele Gegner zu spüren, sondern es begeistert auch Massen an Lesern. Sullivan bloggt über Politik, Medien und Gesellschaft. Er wirkt zuweilen besessen von dem, was er tut. Aber er ist auch einfach extrem gut in dem, was er tut.

Wie: Sullivan hat ein Blog. Dort schreibt er. Er schreibt auch für andere Publikationen. Aber sein Blog ist sein Instrument für die Auseinandersetzung mit sich selbst, dem Gegner und seinen Lesern. Ein besonderes Markenzeichen ist es, dass er sich konsequent mit den Kommentaren und Einwürfen seiner Leser auseinandersetzt, was ihm mutmaßlich eine hohe Lesertreue garantiert.

Finanzierung: Sullivan bietet sein Blog allen Lesern kostenfrei an. Er wünscht sich aber von den Stammlesern eine Bezahlung von 19,99 Dollar jährlich. Und es klappt.

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In der Praxis: Andrew Sullivans Blog ist – unter uns gesagt – total hässlich. Aber das ist ziemlich egal, es geht schließlich um die Inhalte. Es ist wahrlich schwer, in Worte zu fassen, was Sullivans Blog ausmacht– so vielseitig ist seine Schreibe, sind seine Gedanken. Einfach mal lesen. Andrew Sullivan gehört zu den erfolgreichsten und bekanntesten Bloggern weltweit. Er schafft es, über das zu bloggen, was ihn interessiert, und seine Leser lieben es nicht nur, nein, sie finanzieren es auch noch.

Wäre so ein Modell in Deutschland denkbar? Und wenn ja, für welche Blogger würden wir hierzulande wohl am ehesten freiwillig bezahlen? Und rettet dieses Modell bestmöglich die Unabhängigkeit des Journalisten?

 

Too long, didn`t read

Für alle, die nicht den ganzen Text lesen wollen, hier eine kurze Zusammenfassung: Sieben Apps, Internetseiten, Personen und Startups definieren Journalismus neu und machen uns damit in Deutschland vor, wie es gehen kann.

Welche Modelle wären auch hier denkbar – jenseits der Huffington Post und dem bereits viel zitierten und gehypten Buzzfeed? Wo verlaufen die Grenzen zwischen PR und Journalismus? Und wie kann guter Journalismus unabhängig bleiben – gerade auch als One-Man-Show? Wie können wir die neuen Medien nutzen, ohne uns zu ihren Sklaven zu machen? Und sind Amazon/Google/Apple nun unsere Freunde oder Feinde? Alle diese Fragen gilt es zu beantworten – von uns.

 
Martin Giesler bloggt auf 120sekunden.com. Crosspost mit freundlicher Genehmigung der Berliner Gazette Mehr zum Thema dort im Dossier Zeitung 2.0.

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