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Nur Schwarz-Grün bringt die Gesellschaft voran

von , 29.9.13

Die Große Koalition ist vielleicht das wahrscheinlichste Ergebnis der kommenden Wochen. Aber es ist nicht das beste. Union und SPD mögen ein paar akute Probleme halbwegs befriedigend bearbeiten und viele andere, wie gewohnt, weiter vor sich herschieben. In der Bilanz besser als Schwarz-Gelb, gleichwohl nicht annähernd auf der Höhe der Zeit, geschweige denn mit der Innovationskraft, die die Gesellschaft im Zusammentreffen von „Rentnerberg“, Big Data-Wahn und Powerhouse China braucht. 2017, bei der nächsten Wahl, stünde man ungefähr wieder dort, wo man Ende 2013 begonnen hätte – mit kleinen Ausnahmen auf Seiten der Oppositionsparteien.

Vielleicht wird dann aus AfD und FDP-Resten eine rechtsliberale Sieben-Prozent-Partei entstanden sein. Und, falls die Grünen die Oppositionskonkurrenz mit der Linken überstehen sollten, werden sie sich so weit von der Regierungsfähigkeit im Bund entfernt haben, dass sie dort keiner mehr vermissen würde.

Im Unterschied zu Schwarz-Rot bietet die Alternative Schwarz-Grün eine vermutlich einmalige historische Chance. Man erkennt sie aber erst, wenn man nicht nur auf das Stresspotential schaut, das jede der beiden Optionen für die jeweils Beteiligten bedeutet, sondern auch auf die Wirkungen, die Schwarz-Grün auf das deutsche Parteiensystem, ja sogar die deutsche Gesellschaft insgesamt haben würde.

Es gilt, die zwei Faktoren einer historisch einmaligen Konstellation zur Kenntnis zu nehmen. So wird die nächste Regierung vermutlich die letzte einer Kanzlerin Angela Merkel sein, einer Politikerin aus der rechten Mitte. Das heißt, einer Politikerin, die es wie niemand anderer verstanden hat, die ursprünglich konservativ bis national-chauvinistisch geprägte Union auf einen Modernisierungstrip zu schicken, bei dem die Unterschiede zwischen rechter und linker Mitte tendenziell erodiert sind.

Die verblüffende, vermutlich nach Merkel unwiederholbare, Leistung war es, die Aktiven der Union auf diesen Trip mitzunehmen und mit dem Wahlerfolg von 2013 zu belohnen. Deshalb besteht kein Zweifel, dass „Merkel 2013“ über die besten Voraussetzungen verfügt, auch eine schwarz-grüne Koalition – also dem Ursprung nach ein rechts-linkes Regierungsbündnis – zum Erfolgsmodell werden zu lassen.

Der Anreiz, eine schwarz-grüne Regierung als erfolgsfähige Option auszuweisen, ist gegenwärtig ausgesprochen stark, weil der Union der angestammte Partner FDP abhandengekommen ist. Das muss nicht lange so bleiben. Die FDP mag sich erholen, die AfD sich über die Länderparlamente konsolidieren und inhaltlich zivilisieren.

Was jedoch nicht mehr wiederkehren wird, ist das Zusammentreffen dieser zwei Faktoren: Eine Kanzlerin, die dank ihres Wahlerfolgs über erheblichen Handlungsspielraum im eigenen Lager verfügt, und der Verlust eines politisch anspruchslosen, weil überwiegend selbstinteressierten Koalitionspartners wie die FDP. Diese beiden Umstände verschaffen einer dritten Merkel-Regierung genügend Legitimität für politische Innovationen.

Was immer eine schwarz-grüne Regierung an zukunftsorientierten Reformen realisierte, würde zwar zuerst dieser Kanzlerin zugerechnet werden – aber stets im Hinblick auf ihre mutige Tat, genau diesen Regierungspartner gewählt zu haben. Mit der SPD als Oppositionsführerin behielte schließlich auch das Verhältnis von Regierung und Opposition mehr produktive als antagonistische Züge, immer vorausgesetzt, dass es gelänge, das Regierungsprogramm mit grünen Projekten in Sachen Bildung, Soziales, Energiewende und Europapolitik zu bestücken.

Alles in allem: Eine günstigere Konstellation für den Eintritt der Grünen in eine Bundesregierung als heute ist nicht vorstellbar. Es ist eine nicht wiederkehrende Chance. Natürlich ist der Erfolg ihrer Nutzung nicht garantiert. Aber das gilt auch für den Fall, dass die Chance ungenutzt bleibt. Dann ist nur eines garantiert: die Reue.
 
Crosspost von Helmut Wiesenthal

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