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Mut zu Lucke

von , 28.8.13

Ein neues Beispiel findet sich im Cicero. Bekanntlich wurde der Professor Bernd Lucke bei einem Wahlkampfauftritt ‘fremdgeschubst’. Zwei Männer waren auf die Waldbühne im Bremer Bürgerpark gesprungen, der eine von ihnen brüllte ‘Scheiß-Nazi!’ und stieß den Herrn Professor zweimal an der Schulter, bis der von der Bühne hopste. Dann rannten die beiden davon. Zu besichtigen ist diese grauenhafte Gewalttat hier.

Prompt – zur angemessenen publizistischen Verwurstung – erhält Wolfgang Bok seinen Auftritt, früher mal bei Scholz & Friends, heute ein zupackender freier Journalist, immer zur Stelle, wo’s um den Uppercut eines geborenen Rechtsauslegers geht. Der Cicero forderte genau dies von ihm jetzt ein – und Bok lieferte. Slimm, gaaanz slimm geht’s demnach zu in Deutschland:
 

“Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) [lässt sich] trefflich in die rechte Ecke stellen. Und wer dort verortet wird, ist im politischen Diskurs vogelfrei. In Bremen wird deren Vorsitzender Bernd Lucke auf offener Bühne von einer Horde „vermummter Gestalten“ angegriffen. In Göttingen muss die junge Partei um Polizeischutz bitten, um sich vor Angreifern „aus der linken Szene“ zu erwehren. Auch in anderen Städten beklagt sie „massive Pöbeleien und Sachbeschädigungen“.

 
Nun ja, dies ist wohl die erste ‘dschunge Partei’, die vor allem graumelierte Rentner anzieht, die nach ihrer D-Mark greinen (vgl. Video). Der Text jedenfalls siedelt – zieht man das Bildmaterial zu Rate – eher in Maximaldistanz zur Wahrheit, wobei man dem Wölfchen zugute halten mag, dass der Polizeibericht auch nicht viel besser ist als das journalistische Elaborat. Förmlich demontiert wird das Wahngebilde hier – und zwar Bild für Bild, Sekunde für Sekunde, und stets absolut lesenswert.

Man fragt sich schon, weshalb der Journalismus so etwas Gutes nicht mehr auf die Reihe bekommt. Es gab nämlich gar keine ‘Horde’, die beiden Männer waren auch nicht ‘vermummt’, niemand sprühte dort mit Reizgas – allenfalls tat dies eine aufgescheuchte Polizei kurz darauf. Kurzum, ein chaotischer Ablauf voll frei flatternder ‘Enten’, der aber so ähnlich, wie er im zutiefst widersprüchlichen Polizeibericht dann stand, von jeder besseren Postille abgedruckt wurde. Mich jedenfalls erinnerte das Ereignis eher an Laiendarsteller, die mal böse Linksextremisten spielen sollten. Die Polizei räumt inzwischen ein, dass sie nichts weiß, zumindest nichts Genaues, redet aber noch immer von drei ‘Angreifern’, wo doch nur zwei zu sehen waren:
 

“Die Polizei nahm zunächst drei Angreifer im Alter von 22, 25 und 27 Jahren fest, setzte sie später aber wieder auf freien Fuß. Es habe keine Haftgründe gegeben, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Wie viele Störer insgesamt bei der Kundgebung waren, sei noch unklar. Ob die drei Verdächtigen der linksextremen Szene zuzurechnen sind, wollte der Sprecher nicht sagen.”

 
Tscha, keine Haftgründe, keine Ahnung … ähnlich grauwertig ist die Lage in Göttingen, dem zweiten Beispiel, das Bok anzuführen weiß. In diesem Hort des Bösen regiere ja angeblich seit Wochen der Terror. Bei näherer Betrachtung scheint es mir jedoch so, dass dort ein AfD-Funktionär penetrant und laut ‘Mimimi’ macht, dass er was von Brandstiftern schwadroniert und damit die Polizei unnötigerweise in Atem hält. Die Vorgänge dort haben schon Max-Frisch’sches Format:
 

“In der Nacht vom 9. auf den 10. August rief das AfD-Mitglied Lennard Rudolph die Polizei. … Die Polizei durchsuchte das Gelände. … Rudolph erstattete Anzeige gegen Unbekannt wegen Hausfriedensbruch. … Die Polizei wunderte sich, dass Rudolph den Beamten in der Nacht nichts davon gesagt hatte. … Rudolph berichtete den Polizisten nun von „Benzingeruch“, den er wahrgenommen habe. …”

 
Bei dieser Sachlage hätte meine durchaus begründbare Arbeitshypothese zunächst einmal ‘Willi Wichtig auf Paranoia’ gelautet. Der deutsche Journalismus aber – hier mit der dankenswerten Ausnahme der FAZ – schreibt derweil fröhlich und unisono von “Attentaten” auf die AfD und von einem unerträglichen Terror der autonomen Szene im verruchten Göttingen.

Kurzum – wir erleben mitten im Wahlkampf ein Publizistikversagen auf breiter Front. Und unser Wölfchen bellt mit Lucke im gleichen Chor:
 

“Der Presse teilte [Lucke] später dann mit, der Überfall sei eine „unerträgliche Störung des demokratischen Wettbewerbs“ und ereiferte sich, von „Schlägertruppen wie seinerzeit in der Weimarer Republik“ zu sprechen.

 
Jaja, diese armen Verfolgten von der AfD, die so recht gar keiner mehr wahrgenommen hat. Und jetzt sitzt ihnen – wie in der Weimarer Republik – die linke SA auf den Hacken, weil sie ja eigentlich gar nicht rechts sind … oder so ähnlich jedenfalls. In Bayern haben sie einem sogar den Arm ausgekugelt! Wie isses denn nur möglich! Beim ‘Focus’ wurden derweil aus jenen Behauptungen der AfD, denen die Polizei widerspricht, längst Fakten gemacht:
 

‘Vorstandsmitglieder wurden telefonisch bedroht. Beispiele: „Wenn du bei der AfD bleibst, werden wir dein Kind morgens zur Schule begleiten“ oder „Wenn du weitermachst, dann werden wir dich kaltmachen“. Das Wohnhaus eines Kreisvorstandsmitglieds wurde mit Benzin übergossen.’

 
Wahrlich, das muss ein autonomer Goliath gewesen sein, der ein ganzes Wohnhaus ‘übergießt’. In manchen deutschen Redaktionen riecht es längst auch nach Benzin.

Alle erwähnten Recherchen zum Ablauf des Geschehens fanden übrigens mal wieder im Internet statt … wie in jüngster Zeit immer öfter.

 
Disclaimer: Ich persönlich hätte übrigens nichts gegen einen Einzug der AfD in den Bundestag einzuwenden. Da bin ich mir mit Helmut Markwort ausnahmsweise mal einig. Weil eine sechste Partei die Fortsetzung des schwarzgelben Elends am wirksamsten verhindern würde, und weil die AfD auch – ähnlich wie die Linke – in jeder denkbaren Konstellation als Koalitionspartner ein ideologischer Totalausfall wäre.

 
Crosspost vom Stilstand

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