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Vorbild Bundesregierung: sei innovationsfeindlich, habe Angst vor dem Medienwandel

von , 23.10.08

Man hätte es eigentlich ahnen können: Nach der erneuten Vorstellung der Nationalen Initatitive Printmedien gestern an Lutz Hachmeisters Institut für Medienpolitik blieb vor allem schale Eindruck zurück, dass es sich hier vor allem um eine korporatistische Selbstzweckveranstaltung handelt: Die Bundesregierung betreibt ein bisschen amtliches Mediengattungsmarketing und darf sich dabei als Hüterin der “guten” Medienordnung fühlen. Die Print-Verbände dürfen noch einmal ihre gesellschaftliche Aufgabe betonen und erhalten nebenbei einen kurzen Draht ins Bundeskanzleramt.

Dabei wurde in der Diskussion gestern schnell klar: Gesellschaftlich betrachtet gibt es nicht das Problem Printmedien, sondern das Problem Qualitätsjournalismus. Durch den Strukturwandel der Medienindustrie fällt es zunehmend schwer, aufwändig recherchierten, hintergründigen Journalismus zu finanzieren – sei es in der Zeitung oder in anderen Medien. Zugleich wendet sich ein erheblicher Teil des Publikums von klassischen Qualitätsinhalten ab. Das Problem des Qualitätsjournalismus wird damit vor allem auch zu einer Bildungsherausforderung.

Doch statt eine wirklich sinnvolle Initiative “Qualitätsjournalismus im Strukturwandel der Öffentlichkeit” zu gründen, ist die Bundesregierung auf die alten korporatischen Muster bundesdeutscher Politik zurückgefallen und hat sie mit einer Portion Angst vor der neuen Öffentlichkeit angereichert:

Auch wenn auf der Veranstaltung mehrfach betont wurde, die Initiative habe nichts gegen andere Medien, kam als Tenor doch immer wieder durch: Ohne Zeitungen und Zeitschriften ist die Demokratie gefährdet. Zeitungsleser sind die besseren Demokratieteilnehmer. Ohne Zeitung keine gepflegte Auseinandersetzung mit der res publica. Ohne Zeitung ist man kein mündiger Staatsbürger.

Die Sache ist nicht nur ärgerlich. Von ihr geht vor allem das falsche Signal aus. Sie ist ärgerlich, weil hier ein Medium überpauschal  geadelt wird. Viel verheerender aber ist die Botschaft, die von der Initiative ausgeht: Die Bundesregierung kümmert sich nicht darum, wie in der sich abzeichnenden digitalen Informationsgesellschaft Qualitätsinhalte verbreitet und vor allem durch medienpädagogische Maßnahmen gestützt werden können. Stattdessen schließt sie sich mit den Verlegern in einem Angstbündnis zusammen und jammert, dass die alte massenmediale Informationssphäre langsam zerbröselt. Statt das Neue proaktiv zu gestalten, wird das Alte zum normativ Überlegenen erklärt und strukturkonservativ verteidigt. Die Bundesregierung lebt damit vor allem eines vor: Sei innovationsfeindlich, habe Angst vor dem, was Du nicht kennst.

Die Bundesregierung hat ihr eigenes Problem und das der Zeitungsverleger noch nicht erkannt. Es besteht eher, wie Thomas Knüwer in einem sehr guten Beitrag zur Initiative schon im April sehr pointiert schrieb, etwa in folgendem:

Die Menschen werden immer schlauer. Und deshalb haben Zeitungen ein Problem.

Die Zeitungen sehen als One-Size-Fits-All-Produkte, die täglich Informationen mittlerer Tiefe und breite vertreiben, in der On-Demand-Informationskultur des Internets zunehmend alt aus. Die junge Generation wendet sich von den klassischen Print-Medien ab, weil sie sich lieber mit ihren Freunden beschäftigt, sich lieber gezielt und ereignisbezogen informiert und sich mehr für das interessiert, was konkrete Relevanz für das eigene Leben hat. Sie wenden sich ab von den alten Routinen des Massemedienbetriebs, weil sie die Riten zunehmend als dysfunktional empfinden, wenn es darum geht sich zu informieren.

Schade eigentlich, dass sich die Bundesregierung sich  diesen Prozessen nicht widmet – oder zumindest nur sehr vermittelt, indem sie eine gesellschaftliche Herauforderung, die eigentlich eine medienpädagogische ist, im Rundumgutfühlprogramm mit den Verlegern angeht. Zielgenaues Regierungshandeln sieht anders aus.

So ganz wohl fühlte sich Matthias Harbort (Foto), der als Ministerialrat die Initiative im Bundeskanzleramt verantwortet, gestern bei der Vorstellung augenscheinlich auch nicht. Er habe die negativen Kommentare zu der vom im geleiteten Initiative in den Blogs durchaus zur Kenntnis genommen. Der Ministerialrat gestand damit selbstredend nebenbei auch, wo die relevante politische Meinungsbildung zu seiner Initiative  stattfindet. Noch mehr überraschte der defacto-Leiter einer “Nationalen Initiative Printmedien” dann aber doch mit folgender Aussage:

“Wenn ich morgens ins Büro komme und mich über die Nachrichtenlage informieren will, schaue ich ins Internet. Zeitungen spielen da quasi keine Rolle mehr.”

(Matthias Harbort, im Bundeskanzleramt verantwortlich für die Nationale Initiative Printmedien)

Die “Nationale Initiative Printmedien” hat zwei Chancen: Entweder sie entwickelt sich zu einer Initiative zu Qualitätsjournalismus sowie den medienpädagogischen und strukturpolitischen Herausforderungen einer On-Demand-Gesellschaft oder sie bleibt reine Geldverschwendung.

Nachtrag: Matthias Harbort legt Wert darauf, dass sein oben angegebenes Zitat zwar korrekt wiedergegeben, aber unvollständig sei. Er habe zugleich betont, dass Zeitungen noch immer einen sehr wichtigen Teil in seinem Medienmix darstellen würden. Ziel der Initiative sei es, dass Printmedien ihren Platz im Medienmix gerade auch heranwachsender Menschen behielten – ohne dabei andere Medien diskrimineren zu wollen. RML, 24.10.08

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