#Armee

Bradley Manning · Der Whistleblower

von , 5.6.13

Das können Firmen genauso sein, wie Politiker, Organisationen, Behörden oder eben auch dein Nachbar.

Diese Menschen sind auf Geheimhaltung angewiesen, darauf, dass ihre Handlungen nicht herauskommen.

Und hier beginnt der Job der Whistleblower.

Whistleblower sind nicht zwangsläufig gute oder mutige Menschen. Die Motivation zum Whistleblowing kann sehr kleinlich sein, wenn ein Angestellter zum Beispiel Firmengeheimnisse verrät, weil er nicht befördert wurde.

Es gibt aber noch die anderen Whistleblower, diejenigen, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren, die die Gelegenheit hatten und den Mut, diese Gelegenheit zu ergreifen, um Unrecht offenzulegen.

Anfang der 70er-Jahre gab es die Watergate-Affäre. Die Washington Post hat einen Politskandal aufgedeckt, der letztlich zum Rücktritt Richard Nixons führte. Ausgelöst wurden die Recherchen von Bob Woodward und Carl Bernstein durch das Whistleblowing von “Deep Throat”, einem Informanten, der über detaillierte Insiderkenntnisse verfügte. 2005 wurde der Name dieses Informanten erstmals öffentlich bekannt: Mark Felt.

Am Ende stand zum ersten Mal in der Geschichte der USA der Rücktritt eines Präsidenten, der damit einem Amtsenthebungsverfahren zuvorgekommen war.

Fast 40 Jahre später, im Jahr 2007, führen die USA einen anderen Krieg. Der Irakkrieg wurde gegen jede Vernunft durchgezogen. Die von der amerikanischen Regierung behaupteten Massenvernichtungswaffen, die sich im Besitz von Saddam Hussein befinden sollten, sucht man bis heute.

Das Erste, was in jedem Krieg verlorengeht, ist das Bewusstsein, dass auf der anderen Seite Menschen stehen. Nicht von ungefähr ist die Kriegsrhetorik darauf ausgelegt, den Gegner als “unmenschlich” zu klassifizieren. Ein Soldat, der weiß, dass er auf einen Menschen schießt, wird das womöglich nicht tun.

Leider nur folgerichtig ist dann der Angriff der Hubschrauberbesatzung auf unschuldige Zivilisten. Das Video, veröffentlicht auf der Whistleblowerplattform Wikileaks, zeigt, wie eine Hubschrauberbesatzung ein Teleobjektiv einer Kamera mit einem Granatwerfer verwechselt und die Besatzung sich dann zum Angriff entschließt. Im nachfolgenden Gefecht sterben nicht nur zwei Reporter der Nachrichtenagentur Reuters, sondern auch Zivilisten, die in einem Van Schutz gesucht haben, darunter Kinder.

Die US-Armee hat die Kameras der Reporter konfisziert und als geheim klassifiziert. Die Tragödie war in mehr als einer Hinsicht peinlich für die US-Armee. Und kurz nach dem Skandal um Abu Ghraib konnte sich die Armeeführung keine schlechte Presse im Irak leisten.

Bradley Manning hatte Zugriff auf die Videos. Über seine Motivlage möchte ich nicht spekulieren, es spielt keine Rolle, warum er die Dokumente an Wikileaks weitergegeben hat. Er hat die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und die Dokumente veröffentlicht.

Die Ermittlungen nach der Ursache des Informationslecks liefen auf Hochtouren, und schnell wurde man fündig. Brandley Manning wurde verhaftet und in eine Untersuchungshaft gesperrt, die so schikanös war, dass sich ein Richter genötigt sah, aufgrund der harten Haftbedingungen im Camp Quantico die Strafe bereits vor dem Urteil um 112 Tage zu kürzen.

Erst jetzt, nach fast 3 Jahren Ermittlungsarbeit und ununterbrochener Untersuchungshaft, wurde Bradley Manning vor ein Militärgericht gestellt.

Die Botschaft sowohl von US-Regierung als auch seitens der Armeeführung war klar: Whistleblower haben keine Gnade zu erwarten.

Folgerichtig ist auch die Regierung von Präsident Obama die erste US-Regierung, die Whistleblower zu Kriminellen degradiert und rücksichtslos verfolgt, wie man am Beispiel Julian Assanges beispielhaft sieht. Unter der Regierung von Barack Obama sind Whistleblower wie nie zuvor kriminalisiert, gejagt und eingesperrt worden.

Demokratien leben von Offenheit und sterben an Geheimnissen. Eine starke Demokratie kann Pannen verkraften. Viele Geheimnisse sind ein Zeichen dafür, dass die Demokratie im Land zumindest geschwächt ist. Whistleblower stellen diese Offenheit her, wenn die Regierung dazu zu feige ist. Sie sind keine Kriminellen, sie sind notwendiger Bestandteil einer Demokratie.

Der Umgang mit Bradley Manning sagt viel über den Zustand der US-Demokratie aus. Die Art und Weise, wie die Untersuchungshaft durchgeführt wurde, die nicht-rechtsstaatlichen Schikanen, die nur dazu dienten, ihn bereits vor dem Prozess zu bestrafen und seinen Charakter zu brechen, wirft ein Schlaglicht auf das Demokratieverständnis der amerikanischen Regierung.

Bradley Manning soll mit seinem Whistleblowing “amerikanische Menschen und ihre Verbündeten” gefährdet haben. Doch das Whistleblowing wäre nicht notwendig gewesen, hätte sich die amerikanische Regierung an das Völkerrecht gehalten, oder wäre die Hubschrauberbesatzung weniger schießwütig gewesen.

Das Urteil im Fall Manning wird zeigen, wie es wirklich um die Bürgerrechte in den USA bestellt ist. Ich fürchte, nicht gut.

Übrigens: Mark Felt, der Mann, der einen Präsidenten gestürzt hatte, wurde nie verurteilt.
 
Crosspost von Tante Jays Café

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