#Besitzstandsdenken

Für ein nationales Transparenzgesetz

von and , 18.5.13

Transparenz geht uns alle an. Sie ist ein wichtiges Element, das uns direkt – zum Beispiel bei der Kommunalverwaltung – oder indirekt über Nachrichtenmedien ermöglicht, unsere Rechte als Bürger in der Demokratie wahrzunehmen. Transparenz bestimmt die Qualität der Informationen, die uns dazu dienen, Gesellschafts-, Politik- und Verwaltungsprozesse zu verstehen und auf deren Basis wir letztendlich Wahlentscheidungen treffen.

Sie hängt also eng mit Informationsfreiheit zusammen. Wie viel Informationsfreiheit einzelne Länder ihren Bürgern gewähren, lässt Rückschlüsse über den Zustand ihrer demokratischen Prozesse zu. In Deutschland herrscht insgesamt eine Kultur von nur bedingter Offenheit vor.

Seit 2005 ist das Informationsfreiheitsgesetz (Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes, IFG) in Deutschland in Kraft. Andere Länder können hier auf eine deutlich längere Historie zurückschauen. Der US-amerikanische Freedom of Information Act, das älteste und international am besten bekannte Beispiel für gesetzlich geregelte Informationsfreiheit, existiert bereits seit 1966.

Im Jahr 2012 wurden 6077 Anfragen nach dem IFG gestellt. Zum Vergleich: In den USA waren es im gleichen Jahr 651.254 Anfragen und in Großbritannien allein in den ersten 3 Quartalen 2012 37.313 Anfragen.

In gewissem Sinne horten in Deutschland der Bund, die Länder und Kommunen also ihr Herrschaftswissen. Daran wird sich mit dem aktuellen IFG und den bestehenden Initiativen im Bereich Open Data auch so schnell nichts ändern. Aber warum eigentlich nicht?

Zunächst einmal folgen Verwaltungskulturen Pfadabhängigkeiten. Sie sind schnellem Wandel gegenüber nicht aufgeschlossen. Darüber hinaus werden Handlungsspielräume durch rechtliche Hürden eingeschränkt.

Den Umbrüchen und strukturellen Veränderungen im Journalismus werden die bestehenden gesetzlichen Regelungen allerdings nicht gerecht. Dort brechen traditionelle Geschäftsmodelle von Nachrichtenmedien weg, oder sie verändern sich durch den digitalen Wandel massiv. Häufig führt das dazu, dass weniger Ressourcen für investigative journalistische Leistungen zur Verfügung gestellt werden.

Mit der Einführung des IFGs wurden unter Federführung des Bundesinnenministeriums (BMI) hohe Hürden für die erfolgreiche Beantwortung von Anfragen gestellt. So können die auskunftgebenden Behörden Journalisten unter anderem durch Verschleppung und horrende Kosten für die Bearbeitung schikanieren.

Als Musterbeispiel dient hier die Enthüllung der überzogenen Medaillenerwartungen des BMI für die Olympischen Sommerspiele 2012 in London durch Daniel Drepper und Niklas Schenck. Von Ministerien wird darauf hingewiesen, dass Anfragen nach IFG bis zu 500 Euro kosten können. Bei Drepper und Schenck hat das BMI den Auskunftsantrag allerdings auf 65 einzelne Anträge aufgeteilt. In der Summe führt das zur stolzen Rechnung von 13.729,40 EUR.

Trotzdem – einem internationalen Trend folgend – florieren die Anfragen auf IFG-Basis. Neben der Regelung des Bundes können auch die Länder diesbezügliche gesetzliche Regelungen erlassen. Derer fünf (Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Hessen und Niedersachsen) sind dem noch nicht nachgekommen und haben noch keine Informationsfreiheitsgesetze auf Länderebene verabschiedet.

Informationsfreiheit muss daher grundgesetzlich geregelt werden, um einerseits restriktive länderspezifische Regelungen zu überkommen und andererseits die vielfach von auskunftgebenden Stellen angeführten schützenswerten und höherwertigen Interessen Dritter, die dem Informationszugang entgegenstehen und im Zweifelsfall mehr wiegen als Informationsfreiheit, zu unterminieren.

 

Open Data im Trend

Open-Data-Projekte auf kommunaler-, Länder- oder Bundesebene haben dem IFG in der Aufmerksamkeit der Medien und Verwaltung den Rang abgelaufen. Auf diesen Ebenen wurden kürzlich vielerlei Initiativen gestartet, die allesamt darauf abzielen, Daten der öffentlichen Verwaltung zugänglich zu machen und damit Politik- und Verwaltungsprozesse transparenter zu gestalten.

Leider sind viele dieser Bemühungen aus der Perspektive von Bürgern und Journalisten bisher nicht viel mehr als PR-Maßnahmen, die vom restriktiven Zugang zu eigentlich relevanten Informationen ablenken. Völlig zu Unrecht haben sie das IFG in der öffentlichen Wahrnehmung marginalisiert.

Verwaltungen haben kein eigenes Interesse daran, wirklich relevante Daten zu veröffentlichen. Ferner sind sie im Rahmen des New Public Managements angehalten, neue Erlösquellen neben der Steuerfinanzierung zu generieren, auch über den Verkauf von Daten. Daraus resultieren Lizenzstreitigkeiten, Veröffentlichung von Schnarchdaten, Linkkatalogen und Openwashing.

Lorenz Matzat resümiert am Beispiel der aktuellen Bestrebungen für Open Data auf Bundesebene govdata.de, dass es sinnvoller ist, „Daten weiter auf eigene Faust zu befreien“ und „weiter an einer eigenen unabhängigen, offenen Dateninfrastruktur zu bauen“, als sich auf die Bemühungen von Staat und Verwaltung für mehr Transparenz im Rahmen von Open Data zu verlassen. Diesbezüglich verfolgt er das Projekt Open ARD ZDF, das die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten transparenter darstellen soll.

Parallel dazu fordert Stefan Wehrmeyer, Projektleiter von fragdenstaat.de bei der Open Knowledge Foundation, forderte bei einem Vortrag “Zur Lage der Information” ebenfalls eine Novellierung des IFGs. Von allen Anfragen aus dem Jahr 2012 wurden mehr als ein Drittel über dieses zivilgesellschaftlich organisierte Portal gestellt.

 

Informationsfreiheit bisher allein eine Frage der Zivilgesellschaft

Dass Portale wie fragdenstaat.de durch zivilgesellschaftliches Engagement realisiert und betreut werden, ist nur einer von vielen Indikatoren dafür, dass das Thema seitens der Verwaltung eher stiefmütterlich behandelt wird. Man kann den Eindruck gewinnen, als wolle das zuständige BMI die zunehmenden Wünsche der Bürger nach mehr Transparenz und Teilhabe einfach aussitzen.

Trotz der teilweise fadenscheinigen Gründe für die Ablehnungen von Anfragen oder eben Gängelungen, ist das IFG doch im Regelbetrieb angekommen. Ein Kulturwandel hin zu einem Verständnis, dass Verwaltungsdaten nicht so heißen, weil sie der Verwaltung gehören, sondern weil diese sie verwaltet, ist aber noch in weiter Ferne.

In Bezug auf Open Data greifen die Medien, besonders wenn es um investigativen Journalismus geht, bisher nur sehr eingeschränkt diese Angebote auf. Das liegt zum einen an den mageren und teilweise uninteressanten verfügbaren offenen Daten, zum anderen an den bei investigativen Berichterstattungen über Politik und Verwaltung häufig verfolgten tradierten Rechercheansätzen.

Aus journalistischer Perspektive ist hier die Unterscheidung zwischen Scoop und Stream entscheidend. Informationsfreiheitsgesetze ermöglichen einzelne, unregelmäßige Anfragen von Journalisten, die eher geeignet sind, zu Berichterstattungen mit hohem Nachrichtenwert zu führen (Scoop).

Demgegenüber steht der kontinuierliche Informationsfluss von Open Data, welcher vielfach von Datenjournalisten genutzt wird (Stream). Letzterer kommt im Rahmen der demokratiefördernden Funktion des Journalismus bisher allerdings viel weniger zum Tragen, als gesetzlich geregelte Informationsfreiheit.

 

Open Data und Wirtschaft

Wenn Open Data beim BMI schon nicht hoch aufgehängt ist, so scheint es doch zumindest verwunderlich, dass bisher keine Anstrengungen unternommen wurden, das Thema im Rahmen seiner wirtschaftsfördernden Komponente zu etablieren.

Einschränkungen und die Debatte um die Nutzung der Regierungsdaten für kommerzielle Zwecke offenbaren ein fehlgeleitetes Verständnis der Chancen, die Open Data bietet. Geschäftsmodelle, die auf Freigabe der Rohdaten beruhen, bieten gute Möglichkeiten, den Spagat zwischen ökonomischen Imperativen und der Bereitstellung von Wissen für die Allgemeinheit zu meistern. Dass das funktioniert, belegen wirtschaftlich tragfähige Modelle im Bereich Open-Source-Software (OSS), die z.B. auf OSS-Distribution oder der Bereitstellung von Dienstleistungen gründen.

 

Open Data scheitert an der Unverbindlichkeit und den Verwaltungen

Auffallend ist die prominente Rolle zivilgesellschaftlicher Institutionen und Akteure in den Bereichen IFG und Open Data. Transparenz muss auch politisch dementsprechend priorisiert werden, und vor allem erst einmal intendiert sein. Nur so kann den Problemen und Schwierigkeiten durch föderale Zuständigkeiten und Ministerialstreitigkeiten begegnet werden.

Das gilt im Übrigen für alle Bestrebungen im Rahmen der Öffnung von Regierung. Ähnlich, wie in der rundfunklastigen Medienpolitik die Länderzuständigkeit als Anachronismus bezeichnet werden kann, die den technischen Realitäten (mobile Endgeräte) nicht gerecht wird, liegt die Problemlage im Bereich Transparenz. Strukturellen Veränderungen, in diesem Fall dem gesteigerten Interesse von Bürgern an Transparenz und Informationsfreiheit, wird nur sehr bedingt Rechnung getragen, und teilweise werden sie in den Mühlen der Verwaltung zerrieben, in einem Bundesland mehr, in einem anderen weniger.

 

Für ein nationales Transparenzgesetz

Transparenzgesetze vereinen, zumindest in der Theorie, den Ansatz von Open Data (Push) und IFG (Pull). Um der zwanghaft-technokratischen Herangehensweise durch die Verwaltung in Bezug auf Informationsfreiheit und Open Data zu begegnen, bleibt kaum eine weitere Möglichkeit als die Verrechtlichung.

Nach dem Vorbild des Hamburgischen Transparenzgesetzes könnte ein nationales Transparenzgesetz eine interessante Mischform aus Scoop und Stream darstellen und allen Bürgern ermöglichen, ihre demokratischen Rechte gleichwertig wahrzunehmen.

Transparenzgesetze reichen weiter als gesetzliche Regelungen in Bezug auf Informationsfreiheit. Auf dem Weg zu einem nationalen Transparenzgesetz müssen zunächst einmal alle Länder Informationsfreiheitsgesetze einführen. Darauf aufbauend können dann, in einem zweiten Schritt, länderspezifische Regelungen in Bezug auf Transparenz getroffen werden. Schlussendlich könnte so ein nationales Transparenzgesetz stehen.
 

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