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Über das Gedruckte im digitalen Zeitalter – ein Abend bei der Union

von , 26.4.13

Am Mittwochabend lud die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu einem Gesprächsabend über das Gedruckte und seinen Wert im digitalen Zeitalter ein.

Weniger philosophisch wurde jedoch vor allem über die Zukunft des Buchhandels im Zeitalter von Amazon, Apple & Co. diskutiert – mit überraschenden Fronten. So sieht vor allem die Verlags- und Buchhandelsseite, vertreten durch Prof. Dr. Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, und Helge Malchow, Verleger bei Kiepenheuer & Witsch, weniger eine Bedrohung in digitalen Formaten und internationalen Verlagskonkurrenten, als die kreative und wirtschaftliche Seite der UrheberInnen und VerkäuferInnen von Büchern.

Es sind Reden, wie PolitikerInnen sie lieben. Der CDU-Kulturpolitiker Wolfgang Börnsen und der CDU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder konnten einen Tag nach dem UNESCO-Welttag des Buches auf der Fraktionsebene der Unionsparteien im Bundestag zahlreiche Gäste aus dem literarischen Bereich begrüßen. Beide zeigten ihre tiefe Zuneigung zur deutschen Kultur und Sprache sowie zu den Kulturschaffenden dieses Landes.

Applaus ist solchen Reden gewiss, besonders wenn solche Worte sich an Menschen aus dem Buchhandel und Verlagswesen richten. Dem digitalen Fortschritt und seinen von den Bürgern gern genutzten Annehmlichkeiten zum Trotz haben Kultur und Tradition noch einen hohen Stellenwert bei den deutschen Konservativen. Das hören die vom Wert des geistigen Schaffens lebenden Interessengruppen gerne.

Doch schon im Vortrag der Berliner Schriftstellerin Julia Franck wurde schnell deutlich, dass sich die Werte verschoben haben. Das ″habgierige Internet″ setze neue Maßstäbe, und der Wert eines Buches als Medium nehme rapide ab. Die das Digitale in schönen Worten kritisierende Franck machte diesen Konflikt nur zu gut deutlich. Von einer Krise der Literatur, die frei vom Zwang eines Mediums entsteht, will sie dann doch nicht sprechen, durchaus aber von den neuen Parametern eines Marktes, die Auswirkungen auf den kreativen Schaffensprozess haben. Wenn Logistikunternehmen wie Amazon sich zu Verlagen und digitalen Verwaltern von Inhalten aufschwingen, diktierten nicht mehr Kultur wertschätzende Preise den Markt, sondern ökonomische Gesichtspunkte. Wie gut sich ein Buch verkauft, werde dann wichtiger als die Bedeutung oder die subjektive Bewertung des Werkes an sich.

Das Gedruckte – nur noch etwas für Nostalgiker? Die Zukunft des Buches im digitalen Zeitalter. Foto: CDU/CSU-Bundestagsfraktion/Tobias Koch, CC BY-SA

Foto: CDU/CSU-Bundestagsfraktion/Tobias Koch

 
In diesen zwei Fronten verlief auch die Diskussion, moderiert von der Journalistin Tanja Samrotzki. Auf der einen Seite standen der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar, Spiegel-Redakteur Dirk Kurbjuweit und die Geschäftsführerin des Berliner Kulturkaufhauses Dussmann, Julia Claren, die durch den digitalen Wandel und weniger Buchhandlungen vor allem einen Verlust der deutschen Kultur zu erkennen glauben.

Besonders der Luxemburger Yogeshwar plädierte sehr energisch für den besonderen Schutz der Kultur, in dem der Literaturbetrieb dem Einfluss des Marktes durch Gesetze entzogen und so gesichert wird. Es waren die im Bereich Innovation meist rückständig erscheinenden Verlagsvertreter, die ihr Plädoyer für Offenheit gegenüber Veränderungen hielten. Ihrer Ansicht nach werden weder die Literatur noch die Kultur untergehen, nur weil ein Buch nicht mehr von einem Stück Papier, sondern einem Display gelesen wird. Auch sehen Malchow und Honnefelder Amazon lediglich als eine natürliche Konkurrenz im Markt, wenn das Logistikunternehmen aus Seattle jetzt verstärkt als Verlag auftritt. Nichtsdestotrotz fürchtet auch Malchow, dass noch mehr Marktanteile ans Internet gehen.

Die Podiumsgäste der Union konnten sich auf Grund ihrer grundsätzlich verschiedenen Bewertungen auf keinen gemeinsamen Punkt einigen – und genau darin liegt vielleicht das bemerkenswerte Ergebnis. Der Kulturbetrieb ist nicht das konservative Gewerbe, als das es manchmal gesehen wird, sondern, wie so oft bei netz- und medienpolitischen Themen, sind der persönliche Kenntnisstand und die eigene Offenheit gegenüber Veränderungen entscheidend.

Der die neuste Technologie zwar kennende Yogeshwar will totes Holz zum Kulturgut erster Klasse erklären, während der vom Inhalt lebende Honnefelder die Frage des Medium als zweitrangig betrachtet, solange die wirtschaftliche und kulturelle Grundlage des Schaffens gewahrt wird. Seiner Meinung hat sich das Leseverhalten der Menschen verändert, was einige Marktteilnehmer verschwinden, neue wiederum entstehen lässt.

In der Abschlussrunde hatten die Unionspolitiker Dagmar Wöhrl, Michael Kretschmer und Dr. Günter Krings die Möglichkeit, ein politisches Resümee des Abends zu ziehen. Auch hier zeigte sich das gleiche Ergebnis wie in der Podiumsdiskussion: Während die Kulturpolitikerin Wöhrl die gleiche Emotionalität zum Medium Buch wie mancher Diskutant erkennen ließ, zeigte sich der Forschungspolitiker Kretschmer offener für Innovation und plädierte dafür, keine Kraft für Abwehrkämpfe zu opfern, die sowieso nicht gewonnen werden könnten. Seines Erachtens müssten Kreative unterstützt werden, politische Maßnahmen dürften sich aber nicht auf das Medium Buch begrenzen, wenn die Politik den Wandel gestalten will.

Günter Krings wiederholte noch einmal seine bekannte Auffassung, analoge Regeln müssten auch im Digitalen gelten. Er unterstrich, wie alle anwesenden Unionspolitiker, dass die Buchpreisbindung erhalten bleiben müsse und auch für E-Books gelten solle, denn nicht das Gedruckte auf dem Papier werde geschützt, sondern das literarische Werke an sich, losgelöst vom Medium.

Viele Köche verderben den Brei, und so hätte es der Veranstaltung gut getan, wenn das Podium mit weniger Gästen besetzt gewesen wäre, die die verschiedenen Positionen genauso gut hätten darstellen können, wie zeitweise die Zwiegespräche zwischen Yogeshwar und Honnefelder. Über den Wert des Gedruckten im Zeitalter digitale Medien zu reden, war jedoch ein gute Idee, und die Diskussion zeigte auch, wo die Linien in der Gesellschaft verlaufen – zwischen der Bewertung des Medium und der des Inhalt. Hier gehen die Meinungen stark auseinander: Ist nur ein gedrucktes Buch ein echtes Werk, oder bleibt ein Goethe-Gedicht auch getwittert ein Kulturgut?
 
Tobias Schwarz bloggt im Logbuch des Isarmatrosen. Text und Foto werden veröffentlicht unter einer CC BY-SA-Lizenz.
 

 

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