#Bank Vontobel

Der Fall Mollath, der Fall Hoeneß und die Banken

von , 22.4.13

Der Fall Gustl Mollath spielt nicht am Seven Mile Beach in der Karibik, sondern im bodenständigen Nürnberg. Er zeigt, wie hemdsärmelig Justiz und Psychiatrie mit einem „Unbelehrbaren“ umgehen.

Gustl Mollath hatte sich in die „absurde Vorstellung“ verrannt, dass seine damalige Frau, die als Vermögensberaterin bei der Nürnberger HypoVereinsbank tätig war, Gelder reicher Kunden in die Schweiz geschafft haben soll. Diese Geldtransfers liegen etwa 12 bis 15 Jahre zurück.

Das Gericht hielt die Anschuldigungen Mollaths für „dummes Zeuch“ und erklärte ihn 2006 wegen seines wirren Verhaltens für schuldunfähig und für gemeingefährlich. Man brachte ihn in die Psychiatrie, wo er aber auch nach sieben Jahren Maßregelvollzug nicht von seiner „abstrusen Schwarzgeld-Verschwörungstheorie“ lassen wollte. Wegen seines „unkooperativen“ Verhaltens und seiner penetranten Unbelehrbarkeit musste man ihn weiter festhalten.

 

Vermögensberatung für wohlhabende Kunden

Als der Fall im Dezember 2011 durch einen Bericht von Report Mainz wieder hoch kochte und sich ein Justiz-Skandal anbahnte, versuchte die Zeit in einer großen Geschichte, den Justiz-Skandal herunterzuspielen und die von Mollath behauptete „Geldverschiebung“ in die Schweiz als normalen, völlig harmlosen Vorgang hinzustellen. Normaler Vorgang? Ich schrieb damals ein kleines Update zu dieser ‚Qualitäts-Berichterstattung’. Hier ein Ausschnitt daraus:

„Wer den 17-seitigen Revisionsbericht der HypoVereinsbank vom März 2003 aufmerksam liest, dem sollte doch Folgendes auffallen: Die von der Revisionsabteilung der Bank anlässlich der Beschuldigungen von Gustl Mollath „vernommenen“ fünf Bank-Mitarbeiter logen jeweils so lange, bis man ihnen mit schriftlichen Beweisen auf die Sprünge helfen konnte. Sie versuchten mit allen Mitteln, ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen und ihre heimlichen „Geschäfte“ und „Gefälligkeiten“ abzustreiten. Es ging dabei u.a. um die Annahme von Provisionszahlungen für die Schädigung des eigenen Arbeitgebers, um dubiose Wertpapiergeschäfte, um Edelmetall-Käufe für Kunden zu Mitarbeiter-Konditionen, um das Zur-Verfügung-Stellen von eigenen Konten für Fremdgeschäfte, um Geldwäsche und Schwarzgeldanlagen für Kunden, die sich dafür offenbar großzügig bedankten. Dies alles wäre nicht weiter aufgefallen, wenn es die Briefe Mollaths nicht gegeben hätte.

Ich frage mich deshalb als Leser des Berichts: Ist diese Dichte an ‚engen’ Kunden-Bankmitarbeiter-Beziehungen – mit Einladungen zu teuren Fernreisen (Südafrika für 25.589,20 Mark), Geldgeschenken (25.000 Mark) und hohen Erbschaften für die Kundenberaterin (800.000 Mark) – eine Ausnahmeerscheinung oder geht das in der Vermögensberatung für wohlhabende Kunden generell so zu? Ich zitiere ein Beispiel aus dem Bericht:

„Am 24.9.2001 erhielt Frau G von der von ihr betreuten Kundin Ruth M. (es bestehen keinerlei verwandtschaftliche Beziehungen) eine Gutschrift über DM 25.589,20 Mark mit dem Verwendungszweck „Reise nach Südafrika für zwei Personen“. Frau G. gab zu, von der Kundin zu dieser Reise eingeladen worden zu sein.“

Natürlich ist das nichts Unrechtes, aber ein paar kritische Fragen hätten den Spiegel– und Zeit-Journalistinnen dazu schon einfallen können.“

Den Journalistinnen fiel leider nichts dazu ein.

 

Die Spitze eines Eisbergs

Nun wird der Fall Mollath neu aufgerollt. Doch leider werden die Geldtransfer-Vorwürfe von damals auch im Wiederaufnahmeverfahren keine tragende Rolle spielen. Niemand ist Mollaths Vorwürfen (die im internen Revisionsbericht der Bank teilweise bestätigt wurden) ernsthaft nachgegangen. Schließlich waren die Vorgänge größtenteils verjährt. Damals soll auch „ein Spitzenvertreter der Bundesliga“ sein Vermögen in die Schweiz transferiert haben. Viele Reiche waren buchstäblich „auf der Flucht“.

Gustl Mollath hatte in Nürnberg allerdings nur das Zipfelchen eines Eisbergs gesehen. Von dessen gewaltigen Ausmaßen erfuhren die Bürger erst Anfang April 2013, als ein Journalisten-Konsortium das weltweite Netz reicher Steuerflüchtlinge enttarnte. Die unter dem Namen „Offshoreleaks“ bekannt gewordenen Dokumente belegen, wie „seriöse“ Banken das Geld vermögender Kunden durch die Welt schleusen: Von den Kunden wandert das Geld zu den Banken, von dort zu deren Filialen und Tochterfirmen, dann in ‚sichere Drittstaaten’, danach zu den berühmten „Rundum-Sorglos-Dienstleister-Kanzleien“ und schließlich in die Steueroasen mit den Korallenstränden. Schweizer Banken und Anwälte helfen, wo sie können. Alles ist sauber und legal – sagen zumindest die Profiteure des Geldschleuser-Systems. Sie können allerdings nicht erklären, warum bei sauberen Geschäften so viel getrickst und verschleiert werden muss.

 

Der Zipfel der Wurst

Damit kommen wir zu Uli Hoeneß, der ja nicht nur der verehrte Patron des FC Bayern ist, sondern auch ein bedeutender Nürnberger Wurstfabrikant. Ich halte es für ziemlich unwahrscheinlich, dass sich Uli Hoeneß und Gustl Mollath je im Leben begegnet sind, denn der Vegetarier Mollath wohnte im bürgerlichen Nürnberger Norden, während die Wurstfabrik von Uli Hoeneß in der Nähe des Rangierbahnhofs im Nürnberger Süden steht. Zu einer ideellen Berührung könnte es bestenfalls dadurch gekommen sein, dass Mollath eines der beliebten FC Bayern-Kontos bei der HypoVereinsbank benutzt hat. Aber auch das ist eher unwahrscheinlich.

Die HoWe Wurstwaren KG, die längst von Hoeneß’ Kindern geführt wird, beliefert u.a. Aldi, McDonalds und Feinkost Käfer. Die Rostbratwürste der HoWe KG gehen in viele europäische Länder. 2012 produzierte das Unternehmen mehr als 10.000 Tonnen Fleischwaren. Aber kann man damit Milliardär werden? Die in vielen Medien jetzt herumgereichten Summen erstaunen und verwirren. Steckt gar ein anderer dahinter?

Ein hoher Vertreter der Fußball-Bundesliga soll mehrere hundert Millionen Euro auf einem oder mehreren Nummernkonten der Schweizer Privatbank Vontobel gebunkert haben. Als das Magazin Stern am 16. Januar erstmals – ohne einen Namen zu nennen – darüber berichtete („Spitzenvertreter der Bundesliga bunkerte halbe Milliarde“), muss dem Betroffenen klar geworden sein, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis man ihn outen würde. Aber warum gab der Stern einen solchen Warnschuss ab? Woher hatte das Magazin so präzise Informationen über die Geldflüsse? Aus der dunklen Quelle einer angekauften „Steuer-CD“? Von einer kursierenden Festplatte?

 

Strikte Verschwiegenheit

Die Schweizer Bank Vontobel, bei der das Geld des angeblichen „Spitzenvertreters der Bundesliga“ zwischengelagert war, ist keine ganz normale Bank. Sie ist eine Privatbank. Und äußerst verschwiegen. Sie hat sich auf die Vermögensverwaltung reicher Privatkunden spezialisiert (Vermögensverwaltung, Anlageberatung, Nachlassplanung). Zusammen mit der „VT Wealth Management AG“ betreibt sie eine „unabhängige“ und diskrete Vermögensverwaltungsgesellschaft für Schweizer und ausländische Privatkunden. Der oberste Grundsatz der Wealth Management AG lautet: „Größtmögliche Transparenz für unsere Kunden und strikte Verschwiegenheit gegenüber Dritten.“

Die Bank Vontobel expandierte erfolgreich in alle Welt. 1990 z.B. wurde die „Vontobel Bank & Trust Company Ltd.“ auf den Cayman-Inseln gegründet, ein Jahr später folgte die „Vontobel Fund Management SA“ in Luxemburg. Im Jahr 2000 ließ sich die Bank Vontobel im Liechtensteiner Bankenparadies Vaduz nieder. Man ging sozusagen in die schönsten Geldhäfen des Planeten. Auf den Cayman-Inseln residiert Vontobel standesgemäß im „Grand Pavillon Centre“
 am Seven Mile Beach. Dieser Strand wurde bekannt durch die Verfilmung des Mafia-Romans Die Firma.

Berichtet wird auch, dass das Geld des „Spitzenvertreters der Bundesliga“ 2009 wieder weitgehend abgeflossen war. Aber wohin? In andere Länder? Vontobel hält auch eine Mehrheit an der „Harcourt Investment Consulting AG“ (einem Hedgefonds-Anbieter) mit Niederlassungen in Hongkong und auf den Cayman-Inseln. „Alternative Anlagen“ nennt man das heute. Eine Sache für Zocker. Zusammen mit anderen Geldhäusern beteiligte sich Vontobel laut Schweizer Wochenzeitung WOZ auch an der umstrittenen Rohstoff-Spekulation.

So etwas würde Uli Hoeneß nie machen! In einem Interview mit dem Handelsblatt nannte er Rohstoff-Spekulanten „abartig“. Journalisten sollten also vorsichtig sein, was sie jetzt berichten. Sonst geht es ihnen am Ende wie Gustl Mollath.
 

Update, 24. April:
 

 

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