##offshoreleaks

#offshoreleaks: Wie wir zu Muppets wurden

von , 9.4.13

Das ist eine spannende Aktion, die Süddeutsche, NDR und weitere internationale Medien am vergangenen Donnerstag öffentlich losgetreten haben. Den Medien wurden anonym Datensätze zugespielt, die zeigen sollen, wie weltweit etwa 130.000 Personen Briefkastenfirmen und Investmentgesellschaften nutzen, um ihre Steuerbelastungen “zu optimieren”. Die Süddeutsche hat eine Übersichtsseite eingerichtet und erläutert dort u.a.:
 

“Die Daten geben Einblick in eine geheime Welt. Sie identifizieren mehr als hunderttausend Kunden, unter ihnen Staatsoberhäupter und Waffenschmuggler, Steuerflüchtlinge und Mittelständler, Prominente und Betrüger.”

 
Unabhängig von der juristischen und journalistischen Bewertung ziehe ich meinen Hut vor den Journalisten der ICIJ, die in den letzten Monaten an dem Projekt gearbeitet haben. Sie haben trotz zahlreicher unbeantworteter Fragen offensichtlich eine echte Fleißarbeit hingelegt, die zeigt, weshalb professioneller Wirtschaftsjournalismus notwendig ist. Ich bin gespannt, wie lange es gelingt, die Spannung für dieses Thema hochzuhalten.

Interessant ist auch, mehr über die technischen Details dieser Aktion zu erfahren, denn die Daten dürften ja ursprünglich weit zerstreut gewesen sein. Irgendjemand muss sie beschafft und zusammengefügt haben.

Ob sich dahinter jeweils illegale Transaktionen oder legale und damit staatlich unterstütze Steuersparmodelle verbergen, lässt sich für Außenstehende nicht beurteilen. Zeit Online schreibt, die Staatsanwaltschaften in Bochum und Düsseldorf, die schon länger Steuersünder jagen, sähen bisher keinen Anlass für neue Ermittlungen. Man wird sehen. Nicht ausgeschlossen, dass auch persönliche Daten im Zusammenhang mit ganz legalen Transaktionen veröffentlicht werden.

Überrascht, dass es “Sparmodelle” mit Steueroasen gibt, dürften allerdings nur diejenigen sein, die sich ständig über nicht gehaltene Politikerversprechungen oder den jährlichen Wintereinbruch wundern. Zusätzliche Brisanz bekommt das Thema freilich, wenn sich bewahrheitet, was das Manager Magazin schreibt, und rund 100.000 deutsche Bürger über globale Steueroasen versuchen, dem deutschen Fiskus zu entgehen.

Wie immer bei solchen Empörungsveröffentlichungen, wird das übliche Reiz-Reaktions-Schema an talkshowtauglichen Worthülsen produziert. Finanzminister Schäuble fordert öffentlichkeitswirksam Daten an, die die Journalisten nicht rausgeben wollen. Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs plädiert “für realistische Lösungen”. Was das sein soll, bleibt im Nebel. Die SPD fordert die Regierung zu Konsequenzen auf. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß “forderte umgehend, auf Ebene der EU mehr gegen Steueroasen zu unternehmen.“ Auch wenig überraschend, dass Kritiker unserer Wirtschaftsordnung jeden unter Generalverdacht stellen, der mehr als 10.000 Euro auf dem Sparkonto hat, und solche „Enthüllungen“ gleich als Grund nutzen wollen, um eine Vermögensabgabe einzuführen. Sven Giegold will gar das US-Bürokratie- und Überwachungsmonster FATCA für die gesamte EU ausrollen.

Für mich unterstreichen die Enthüllungen erneut, wie Teile der wohlhabenden “Funktions- und Wirtschaftselite” die “Normalbürger” zu Muppets degradieren. Das Volk darf sich zwar empören, gleichzeitig aber die Risiken aus den Verfehlungen und Bereicherungen tragen.

Bankenpräsident Andreas Schmitz weist reflexartig eine Mitverantwortung der Geldinstitute zurück. Die Zeit zitiert ihn damit, dass europäische Banken schon lange auf volle Transparenz setzten. Was damit konkret gemeint ist, lässt der Beitrag offen. Schmitz hätte besser geschwiegen: Wenn es nämlich stimmt, dass die Deutsche Bank über ihre Niederlassung in Singapur mehr als 300 Firmen und Trusts in mehreren Steueroasen unterhält, wird es schwer, das Publikum davon zu überzeugen, dass hier nur “juristisch optimiert” wird.

Die Bank wies nach einem Bericht der Süddeutschen die Vorwürfe zurück. Das Blatt verweist aber auf die Webseite dboffshore.com der Bank, wo für “eine steuerneutrale Umgebung” (“tax neutral environment”) geworben wird. Die Mitarbeiterzahl im örtlichen Büro soll laut Süddeutscher, die sich auf den Konzern beruft, in den vergangenen Jahren von fünf auf mehr als 200 gestiegen sein. Laut Finews spielen außerdem UBS und Credit Suisse (respektive deren Tochter Clariden bzw. Clariden Leu) eine recht prominente Rolle in diesen Geschichten. Beide Banken sollen intensiv mit einem weitverzweigten Trust-Spezialisten zusammenarbeiten.

Auch, wenn nicht klar ist, ob hier tatsächlich Rechtsverstöße vorliegen, degeneriert Transparenz hiermit weiter zum Unwort: Je mehr darüber geredet wird, desto eher darf man davon ausgehen, dass sie nicht existiert. Die Banken geizten schon immer mit öffentlicher Transparenz – meistens aus nachvollziehbaren Gründen.

Zustimmen würde ich Schmitz nur darin, dass europäische Banken versuchen, sich an die Geldwäschevorschriften zu halten. Spätestens seit den gigantischen Strafen von fast 2 Mrd. US-Dollar gegen HSBC herrscht nahezu apokalyptische Panik in den Häusern, etwas falsch zu machen. Aber stellt es einen meldepflichtigen Verstoß gegen Geldwäschevorschriften dar, wenn eine Person eine Zahlung für eine “Dienstleistung” ins Ausland leistet? Wohl kaum. Banken können sich an Geldwäschevorschriften halten und trotzdem unwissentlich Zahlungen für Steuersünder transferieren. Es gibt keine Pflicht, Überweisungen nur mit steuerlicher Unbedenklichkeitsbescheinigung zu tätigen.

In jedem Fall wird Offshore-Leaks noch für weitere Empörung sorgen. Und voraussichtlich wird  es unter den 130.000 Personen noch diverse Prominente erwischen, das verlangen die ökonomischen Gesetze des Medienbetriebs zur Aufrechterhaltung der Spannung. Spannend und frustrierend zugleich an der Kampagne ist, dass wieder einmal der Schleier von so mancher angesehenen Person gelüftet wird, wie etwa der des Schatzmeisters von Hollandes Wahlkampagne.

Ärgerlich, dass erneut eine immer größer werdende Gruppe – wie im Gefangenendilemma – sich zu Lasten der übrigen (auch wohlhabenden) Gesellschaftsmitglieder unkooperativ verhält. Jeder bekannt gewordene Fall erhöht letztlich die Erosion unserer Gesellschaftsordnung. Jeder Steuerflüchtling sorgt auch dafür, dass der Risikoanteil der Steuerehrlichen für die Haftungsrisiken der Europäischen Union noch größer wird. Spätestens, wenn nun noch bekannt werden würde, dass die Steuersünder auch noch von den Rettungsgeldern profitieren, was ich nicht ausschließe, wird auch der deutsche Muppet sich nicht mehr zurückhalten.

Ob Offshore-Leaks tatsächlich dazu führen könnte, dass insgesamt die Furcht vor peinlichen Enthüllungen steigt, ist offen.

Ein Teil der wohlhabenden technokratischen Elite hat bisher geglaubt, clever genug zu sein, um persönliche Vorteile zu verschleiern – so, dass niemand bemerkt, wie sie Wähler, Kunden und Bewunderer zu Muppets machen. Diese Illusion hätte eigentlich schon mit den Steuerdaten-CDs und vielen anderen Enthüllungen platzen müssen. Der eigentliche Skandal liegt nicht darin, dass hier Teile der Gesellschaft Steuerbelastungen umgehen, sondern darin, dass sie vor den gewachsenen Haftungsrisiken für Europa fliehen.
 

Crosspost von Blick Log

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.