#Enteignung

Mehr Kapitalismus wagen: Freier Fall für freie Unternehmen!

von , 19.2.09


Wo sind sie, die Verfechter des freien Marktes? Wer fordert endlich, eine insolvente Bank auch Pleite gehen zu lassen? Enteignung: Nein!

Gehen wirs mal durch.

Die Hypo Real Estate wird derzeit an der Börse mit einer knappen halben Milliarde Euro bewertet. Ohne staatliche Garantien in Höhe von 87 Milliarden hätte die Firma ihre Zahlungen längst einstellen müssen. Und gestern hieß es, sie würde noch einmal weitere 20 Milliarden benötigen. Um es noch einmal in Erinnerung zu rufen: zu derzeitigen Börsenkursen genügt eine halbe Milliarde, um den Laden schlicht zu kaufen. Da macht der Grossaktionär Flowers der Bundesregierung ein grosszügiges Angebot: 3 Euro je HRE-Aktie wären fair. Nicht zum aktuellen Kurs von 1,64, sondern lieber für knapp das doppelte würde er den Steuerzahler einkaufen lassen. Wenn das kein Schnäppchen ist!

Denken wir’s ein wenig weiter. Warum sollte der Staat überhaupt ein Unternehmen übernehmen wollen, das zahlungsunfähig ist? Offensichtlich geht es nicht um die Hypo Real Estate und ihre kleine, aber in Sachen Verbindlichkeiten übergroße Tochter Depfa. Die zudem noch nach Irland ausgewandert ist, um sich erst die deutschen Steuersätze zu sparen und dann dem hiesigen Steuerzahler an den Hals zu werfen. Nein, es geht nicht um eine ehemals solide Deutsche Pfandbrief-Anstalt, sondern um eine kleine Säule in dem großen Banken-Haus, das insgesamt baufällig geworden ist. Kein Mensch weiss, was passiert, wenn das Haus ohne diese Säule den vernichtenden Kräften des Marktes überlassen wird. Deshalb soll sie also gestützt werden. Nicht too big to fail, wohl aber too interconnected to fail.

Aber das ist noch nicht alles. Man könnte auch sagen: Überlassen wir doch das ganze Haus, dessen Bewohner sich immer so sehr gegen staatliche Eingriffe, Regulierungen und Vorschriften gewehrt hat, den heilenden Kräften des freien Marktes. Mit einiger Sicherheit würde das im sofortigen Einsturz der Ruine enden.  Es stellt sich also die Frage, was wir mit dieser Säule namens HRE an dem Haus der Banken überhaupt aufrecht erhalten. Die Funktionen der Geldverleiher sind es nicht. Denn vermutlich käme es den Staat wesentlich billliger, die Übernahme der Bankfunktionen – Kreditvergabe, Geldeinlage, Zahlungsverkehr – selbst zu organisieren oder sie den wenigen verbleibenden Instituten zu überlassen, die sich nicht um Kopf und Kragen spekuliert haben. Wie es unter anderem der bloggende Zentralbanker Willem Buiter, der Nobelpreisträger John Stiglitz und der Investor George Soros gefordert haben.  Was bei diesem Umweg über die Gründung einer “guten Bank” – im Gegensatz zur Rettung der vielen bad banks – auf der Strecke bleiben würde, sind die großen Vermögen. Das erklärt auch ganz einfach, warum sich so wenige der ehemaligen Verfechter des freien Marktes gegen die staatlichen Eingriffe wenden. Denn sie wissen genau, daas der Staat der Steuerzahler nicht einer insolventen Firma namens HRE zu Hilfe eilt, sondern ihren Freunden, den Vermögenden und deren Vermögen. (Und den Bankern, die im Fall einer Insolvenz ihre geliebten Millionen-Boni auf immer los wären, im Fall einer staatlichen Hilfe aber glauben, nicht darauf verzichten zu dürfen.)

Selbst der ewige Schwarzseher – und deswegen in jüngster Zeit immer Recht behaltende – Nouriel Roubini meint, dass eine Verstaatlichung nicht nur eine der wenigen verbleibenden Lösungen ist, um den Laden noch halbwegs am Laufen zu halten – sondern auch die marktfreundlichste:

Thus, paradoxically nationalization may be a more market friendly solution of a banking crisis: it creates the biggest hit for common and preferred shareholders of clearly insolvent institutions and – most certainly – even the unsecured creditors in case the bank insolvency hole is too large.

Das Gesetz zur Enteigung der Hypo Real Estate gilt bis zum Sommer 2009. Danach, so heisst es und so hofft man, sei das Gespenst vorüber gezogen. Aber nein! Dieses Sondergesetz wird nur der Anfang eines hübschen Reigens von Notverordnungen sein, mit denen am Haus weiter geflickt wird. Wie heissts volkstümlich : lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

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