#Ausgrenzung

Nerdpredigt (mein eingereichter Beitrag zur re:publica 2013)

von , 2.2.13

Nerds haben die Chance, heute und vor allem zukünftig einiges zu bewegen. Frank Schirrmacher würde ihnen am liebsten die Welt übergeben, und tatsächlich kommen viele wichtige politische und soziale Impulse aus der Nerdsphäre: Transparenz, Beteiligungsprozesse, Abbau von Machtstrukturen, Akzeptanz von vielem, was “anders” ist.

Das alles tun Nerds, weil sie begonnen haben, ihre etwas spezielleren Eigenschaften in die Gestaltung der Welt einzubringen. Das ist auch echt toll. Sie können jedoch auch sehr viel ganz prima vermasseln, wenn sie ihre typischen Nerdeigenschaften falsch einsetzen. Nerds können sehr schnell auch besinnungslose Technokraten und furchtbare Spießer sein. Die Weltfremdheit der Nerds kann sie zu Ignoranten machen: Sichtbare Themen sind Sexismus, Ausgrenzung von Menschen, die Technik nicht verwenden wollen, sie nicht verstehen oder sie sich nicht leisten können, und die Ablehnung von Themen, die anderen Menschen als Nerds nun mal wichtig sind (z.B. Körperhygiene).

Und warum zum Teufel entwickeln Nerds genau die Überwachungstechnik, die wir eigentlich gar nicht haben wollen?

Nerds hatten es als Kinder meistens echt schwer. Sie müssten also eigentlich dafür ein Bewusstsein entwickeln und viel mehr dafür sorgen, dass ‘anders sein’ nicht ausgrenzt. Sie entwickelten Schutzmechanismen, die ihnen – mehr oder weniger erfolgreich – geholfen haben, sich in einem System bewegen zu können, das sie nicht verstand und schlimmstenfalls verachtete. Die stehen ihnen aber jetzt, wo sie die Oberhand haben, oft genug im Weg: Wenn man als erfolgreicher Erwachsener diese Methoden weiterführt, benimmt man sich nämlich plötzlich genauso wie die Bullys von früher.

Die Nerdpredigt ist ein kleiner Vortrag über eine veränderte Realität für uns Nerds und wirbt für die Überwindung von Ignoranz, Elitarismus und Arroganz. Denn wenn das nicht gelingt, wird die momentane Hochzeit der Nerds nur eine weitere kurze Hippie-Episode der Geschichte sein. Und das wäre wirklich schade.

 

Crosspost von jensscholz.com 2.0

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