#Frankfurter Rundschau

Zeitungskrise: Das Publikum geht leer aus

von , 21.11.12

Ich will mich zuerst mit dem Kassensturz von Wolfgang Michal auseinandersetzen, weil sich nach dem die Frage stellt: Sollen wir über linke Zeitungen oder besser über linken Journalismus reden? Er hat insgesamt acht Medien aufgelistet, die er als links und linksliberal einstuft. Darunter sind zwei Produkte einer Partei – neues deutschland und vorwärts – und mit der Berliner Zeitung eine klassische Regionalzeitung: So bieten die ersten beiden linke Inhalte, aber keinen unabhängigen Journalismus. Und die dritte darf durchgehend keine linken Inhalte bieten, bestenfalls als Einsprengsel, gefährdete sie doch sonst ihre betriebswirtschaftliche Basis, weil sie mit links nicht nur die Erwartungen der werbetreibenden Wirtschaft, sondern auch die ihres Publikums enttäuschte. Die junge welt und die taz können dagegen als unabhängige linke Zeitungen gelten. Aber: Wer von außen auf die taz schaut – hat der nicht oft den Eindruck, sie schämt sich dieser Etikettierung, will etwas anderes sein, etwas Besseres? Die wenigen Anmerkungen zeigen, dass bereits die Identifizierung von linken Zeitungen alles andere als selbstverständlich ist.

Im Folgenden gehe ich auf die Entwicklung von zwei Medien ein, die ich aus eigener Anschauung kenne; bei der Frankfurter Rundschau habe ich sechs Jahre lang gearbeitet, gut ein Jahrzehnt (1995 bis 2007) war ich einer von sechs Mit-Eigentümern des Freitag.

Die Frankfurter Rundschau ist nicht zugrunde gegangen, weil sie in Teilen links war und vor allem als die linke Tageszeitung galt. Unter den vielen hausgemachten Gründen ist meines Erachtens einer entscheidend: Sie hatte sich nie darum bemüht, in Frankfurt und dem Rhein-Main-Gebiet jenes Fundament an Präsenz, Auflage und Anzeigengeschäft aufzubauen, das unabdingbar ist, um als überregionales Blatt auf Dauer zu bestehen.

Der Freitag hatte eine Auflage von etwa 13 000 Exemplaren als die Eigentümer-Gruppe ihn Anfang 2008 an Jakob Augstein verkaufte. Augstein investierte seither das Mehr- bis Vielfache an Finanzen in Personal, Vertrieb, Layout, Internetauftritt. Die Bilanz nach knapp fünf Jahren hohem Ressourcen-Aufwand: eine verkaufte Auflage von 14 000 Exemplaren. Die ratlose Frage: Hilft heute nicht einmal mehr ein großer Sack `Kohle`, um die Auflage eines solchen Blattes nach oben zu bringen?

Wolfgang Michal hat meines Erachtens exzellent den Kern des Problems, den Kern des Versagens von linkem Journalismus herausgearbeitet: Der liebt es, sich im Feuilleton und in der Politik in Debatten und mit Meinungen herumzuschlagen, meist mit seinesgleichen; nicht selten in einer so abstrakten Sprache, dass nur Kundige verstehen. Energie und Ehrgeiz fließen in die entsprechenden journalistischen Formen. Die harte Recherche, die verständlich geschriebenen Erklärungen, die Informationen über alles, was neu und wichtig ist – ungeachtet dessen, ob es in das eigene Weltbild passt -, diese Hauptsachen ‚laufen am Rande mit’. Und: Vermittlungs- und Verständigungsarbeit im Sinne des Publikums ist bei Blättern, bei denen linke Journalisten das Sagen haben, meist schwach bis sehr schwach entwickelt. Das Publikum geht leer aus.

Kein Zufall: Jakob Augstein taufte seine Zeitung „Der Freitag – das Meinungsmedium“. Klar, Meinung ist am billigsten zu produzieren, aber wer braucht die noch? Bezieht doch jeder halbwegs Interessierte kostenlos Meinungen in Hülle und Fülle aus dem Meinungsmedium erster Güte: dem Internet. Und von der Frankfurter Rundschau erwartete das halbwegs kritisch gestimmte Publikum in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet zuallererst handfesten Nutzwert: (auch) solide und kritische Informationen aus Stadt und Region. Diese stellte ihr potenzielles Publikum meist vor die Alternative: leer schlucken oder kündigen.

Es lohnt sich, an der von Wolfgang Michal markierten, meines Erachtens entscheidenden Stelle weiterzubohren.

In einem Gespräch mit dem Saarländischen Rundfunk hat sich Wolfgang Storz, von 2002 bis 2006 Chefredakteur der Frankfurter Rundschau, auch zu den Gründen der FR-Insolvenz geäußert. Hier der Podcast zum Nachhören (ab Minute 3:54).

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