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Die Energiewende braucht auch eine EEG-Wende

von , 28.8.12

Die Energiewende ist eines der ambitioniertesten Projekte der Bundesregierung. Die Energieversorgung soll schon bald ohne Kernkraftwerke und langfristig möglichst auch ohne Kohle- und Gaskraftwerke durch eine möglichst kleinteilige, dezentrale Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien erfolgen. Zudem soll dies möglichst unabhängig von unseren Nachbarn stattfinden, die an der Kernkraft festhalten. Wir helfen gern aus, wenn dort der Strom knapp wird, möchten aber ungern Atomstrom importieren – so das deutsche Modell des Europäischen Energiebinnenmarktes. Und bezahlbar soll es sein – am besten günstiger als bisher.

Diese heile Energiewelt wird von einigen Protagonisten der Energiewende durchaus aus als realistisch angesehen, während hartherzige Ökonomen (und auch Ingenieure) zunehmend bezweifeln, dass dies alles zugleich möglich sein wird. Die mahnenden Stimmen, die die gute Stimmung verderben, mehren sich.

Ökonomen und auch Verbraucherschützer machen sich dabei auch über die Kosten der Energiewende Gedanken. Das Ziel, die erneuerbaren Energien erheblich auszubauen, soll nicht in Frage gestellt werden. Die Frage ist vielmehr, wie das Ziel möglichst kostengünstig erreicht werden kann, damit Verbraucher und auch Industrie (Arbeitsplätze!) nicht unnötig belastet werden. Die dramatische Ineffizienz der Förderung für erneuerbare Energien treibt nämlich aktuell die Kosten der Energiewende unnötig nach oben.

Der wesentliche Grund für die Verwerfungen liegt in der Politik des „Dritten Weges“, der uns zur Energiewende führen soll: Weder gibt es eine zentrale Planwirtschaft, bei der eine zentrale Planung des Energiesystems erfolgt, noch wird ein marktwirtschaftlicher Ansatz verfolgt, bei dem die Einzelpläne der Marktteilnehmer über den Mechanismus von Angebot und Nachfrage koordiniert werden. Stattdessen wird das Modell einer „dezentralen Planwirtschaft“ verfolgt: Kommunen, Bundesländer, der Bund und die Europäische Union schmieden weitgehend unabhängig voneinander und auch von den eigentlich Betroffenen Pläne, ohne sich zu koordinieren. Zugleich wird aber auch der Preismechanismus bei erneuerbaren Energien weitgehend ausgesetzt, sodass nahezu jegliche Koordination der Einzelpläne ausbleibt. Das Resultat ist ein ziemliches Durcheinander und ein permanentes Nachsteuern der Politik. Dass es so nicht weitergehen kann, wenn die Energiewende zum Erfolg werden soll, ist im Grunde allen klar. Die Frage ist daher, ob wir von der heutigen dezentralen Planwirtschaft eher in Richtung „zentrale Planwirtschaft“ gehen wollen oder lieber in Richtung Marktwirtschaft.

Mein Plädoyer ist klar: Wie auch in vielen anderen Bereichen, kann der Wettbewerb auch im Sektor der erneuerbaren Energien enorme Vorteile erzeugen. Voraussetzung ist, dass der ordnungspolitische Rahmen, in dem sich der Wettbewerb entfalten soll, richtig abgesteckt wird.

Heute wird der Ausbau der erneuerbaren Energien vor allem durch das EEG gefördert. Für jede Kilowattstunde grünen Strom gibt es eine staatlich für 20 Jahre festgelegte Vergütung. Die Netzbetreiber sind verpflichtet, den Strom zu diesen Tarifen zu kaufen, ganz egal ob sie ihn loswerden oder nicht. Die Kosten werden auf den Verbraucher überwälzt. Als grüner Stromerzeugerkann man produzieren, ohne sich um Nachfrage und Vermarktung zu kümmern: „Produce and Forget“ ist das Leitbild. Die planwirtschaftliche Fehlsteuerung, die in der Landwirtschaft früher zu Butterbergen und Milchseen geführt hat, ist auf den Energiesektor übertragen worden. Die Landwirte kennen sich damit ja aus. Nur lässt sich Strom im Gegensatz zu Milch und Butter nicht lagern. Daher müssen zeitweise sogar negative Preise – auf Deutsch: Entsorgungsgebühren – bezahlt werden, damit man den Strom los wird, den niemand möchte. Die Netzbetreiber und letztendlich die Verbraucher bezahlen dafür, so wie die Bürger sonst für die Müllentsorgung zahlen.

Doch damit nicht genug: Die teuerste Form der Stromerzeugung hat man auch noch mit den weitaus höchsten Renditen gesegnet. Seit 2005 erleben wir eine massive Überförderung der Photovoltaik. Obwohl Solarstrom in Deutschland mit Abstand die höchsten Kosten unter den erneuerbaren Energien hat, lassen sich damit die höchsten Gewinne machen. Der Grund für die massive Überförderung liegt darin, dass die staatlich garantierten Festpreise für Solarstrom sehr viel langsamer gefallen sind als die Kosten für Solarpanels. Die Gewinnspanne für Solarstromerzeuger hat sich daher drastisch erhöht. Dementsprechend schnell geht der Zubau neuer Solaranlagen voran, auch in diesem Jahr! Es ist daher kein Erfolg, dass über 40 Prozent der weltweit installierten Solaranlagen heute im sonnenarmen Deutschland stehen. Das ist ein grandioser Misserfolg des EEG. Grüner Strom wäre heute viel billiger, wenn er in Deutschland mit Windkraft erzeugt würde und nicht durch Photovoltaik.

Eine Alternative zu den mehr als 3000 staatlich festgelegten EEG-Vergütungssätzen wäre ein Quotenmodell, bei dem Energieversorger verpflichtet werden, bis 2020 eine Quote von 35% grünen Strom zu vermarkten. Ob Stadtwerke und andere Versorger den Strom aus regenerativen Energien dann selbst erzeugen oder ob sie grünen Strom am Markt beschaffen, ob sie den Grünstromerzeugern Festpreise zahlen oder Marktprämien, ob der grüne Strom aus Biomasse, Solarenergie oder Windkraft wäre – all das könnte man den Stadtwerken und anderen Versorgern selbst überlassen. Die Folge wäre Wettbewerb auch unter den erneuerbaren Energien. Das verhindert Überkompensation und drückt die Preise, und die größten Absurditäten wie die Negativpreise würden verschwinden.

Wunder kann jedoch auch ein Quotenmodell nicht vollbringen: Die Kosten, die schon aufgelaufen sind, lassen sich nicht mehr vermeiden. Allein die heute bereits zugesagten Einspeisevergütungen für die nächsten 20 Jahre summieren sich zurzeit auf 110 Milliarden Euro. Verhindern ließe sich aber, dass diese Summe weiter dramatisch anwächst. Nach aktuellen Berechnung ließen sich mit einem Quotenmodell immerhin bis zu 52 Milliarden Euro einsparen. Die Energiewende würde dadurch finanzierbar und sozialverträglich.

(Der gleichlautende Kommentar ist heute auch in der FTD erschienen).

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