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„Die Blogeinträge waren gewissermaßen der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte“

von , 16.8.12


Carta: Herr Seppelt, Sie sind seit 1985 Sportreporter für die ARD und haben sich durch Ihre Berichterstattung vor allem über die Doping-Problematik einen Namen gemacht. Viele Journalisten und Sportinteressierte verfolgen derzeit die Auseinandersetzung um Ihren Kollegen Jens Weinreich. Wie beurteilen Sie seinen Konflikt mit dem Deutschlandfunk? Hat Herr Weinreich in der Sache Recht?

Hajo Seppelt: Das hat er aus meiner Sicht leider nicht. Hier wird gezielt der Eindruck erweckt, dass ein anerkannter und verdienter Kollege angeblich zum Opfer politischer Ränkespiele geworden ist, weil er zu kritisch sei und sich von niemandem verbiegen lasse. Das lässt sich ja so schön verkaufen im Mainstream des Klischees, ein großer öffentlich-rechtlicher Sender würde unter politischem Druck einknicken und sogar einen seiner besten Mitarbeiter dafür opfern. Richtig ist: Weinreich ist ein profilierter Journalist, er gehört zu den Besten in seinem Fach. Aber die Gründe dafür, dass er seit Jahren immer wieder mit etlichen Kollegen auch weit über den Deutschlandfunk hinaus in Konflikt gerät, sind aus meiner Beobachtung weniger inhaltlicher Natur, sondern haben mit seinem Auftreten seit langen Jahren zu tun.

Es ist aus meiner Sicht interessant zu beobachten, wie hier eine Kampagne von ihm und nahestehenden Kollegen inszeniert wird, die ihn als Opfer dastehen lässt. Etliche Kollegen sind darüber fassungslos, wie da gegen eine Redaktion geschossen wird, die wirklich immer wieder gerade in jüngster Vergangenheit versucht hatte, den Kollegen zu integrieren. Noch einige Tage, bevor die Situation im Frühjahr eskalierte, hatte die DLF-Sportchefin mit ihm ein langes Gespräch geführt, das die weitere Zusammenarbeit sichern sollte. Und dann attackiert er kurze Zeit später wieder die Berichterstattung über den Sportausschuss auf seinem Blog mit drastischen Begriffen unter der Gürtellinie. Der DLF wurde da zwar nicht namentlich genannt, aber da dieser zu den ganz wenigen Medien zählt, die regelmäßig darüber berichten, war klar, welches Medium damit auch gemeint sein musste. Weinreichs Wortwahl ist nach meiner Empfindung oft überzogen, anmaßend und selbstgerecht. Jetzt einen Begriff wie “Berufsverbot” in die Welt zu setzen, ist absurd. Geht es nicht bitte eine Nummer kleiner?

Es ist dennoch eine traurige Entwicklung insgesamt. Hier gibt es in der Tat, wie die taz schon schrieb, nur Verlierer. Denn es bleibt dabei: Weinreich ist ein herausragender Kenner der nationalen und internationalen sportpolitischen Verflechtungen. Da kennt er sich wie kein zweiter aus. Und seine Expertise fehlt jetzt natürlich.

 

Es gibt bislang zwei sehr unterschiedliche Sichtweisen auf den Fall. Die einen sagen, hier wird ein kritischer Journalist aus politischer Rücksichtnahme ausgebootet, die anderen sagen (meist hinter vorgehaltener Hand), die Ursache des Konflikts liegt allein im Verhalten von Jens Weinreich? Sie kennen Weinreich persönlich und hatten beruflich mit ihm zu tun. Was trifft denn nun zu?

Seppelt: Die Gründe liegen mitnichten im politischen Druck von Bundestagsabgeordneten. Natürlich waren einige von ihnen auch sauer über die DLF-Berichterstattung, auch gerade über die Geschichte zu den Abgeordneten, die im Ausschuss offenkundig wenig Interesse an ihrer Arbeit zeigten. Der Bericht dazu kam übrigens nicht zuerst von Weinreich, sondern von anderen Kollegen – um auch hier möglicher Legendenbildung vorzubeugen. Diese Berichterstattung war sogar mit einer der Gründe dafür, dass der Sportausschuss mehrheitlich dafür votierte, die Medien auszuschließen. Den politischen Druck ist der DLF in seiner sportpolitischen Berichterstattung seit Jahren gewöhnt und hält den nach meiner Einschätzung gut aus.

Die Gründe für das Ende Weinreichs beim DLF liegen woanders. Unser Beruf hat viel mit Eitelkeiten und narzisstischen Ausprägungen zu tun, machen wir uns da nichts vor. Davon sind wenige wirklich ganz frei. Wie viel verbrannte Erde der Kollege Weinreich in manchen Redaktionen hinterlassen hat, ist indes schon auffällig. Normalerweise gehört so etwas nicht an die große Glocke gehängt, aber da Weinreich ja offen den DLF mit Vorwürfen überzieht, wird es jetzt notwendig, hier auch mal ein bisschen mehr Balance in der Wahrnehmung herzustellen. Was ich immer wieder erlebt habe: Er kanzelt Kollegen ab, kommuniziert kaum oder äußerst barsch und lässt keinen Widerspruch gelten. Wie viele Redaktionstüren ihm überhaupt noch offenstehen und wie die Erinnerungen so mancher Mitarbeiter sind, die unter Weinreich arbeiteten, wäre interessant zu erfahren.

 

Welche Rolle spielen die Blogbeiträge von Jens Weinreich in dieser Auseinandersetzung?

Seppelt: Wenn Sie auf die Blogeinträge anspielen, die Anfang des Jahres die Berichterstattung über den Sportausschuss thematisierten, dann waren sie nach meiner Einschätzung nicht der Grund, sondern der letzte Auslöser nach einer Reihe vergeblicher Versuche, einen Modus Vivendi mit Weinreich zu finden. Die Blog-Einträge waren gewissermaßen der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Es mag berechtigte Kritik an manchen Beiträgen im derzeitigen DLF-Sport geben, das ist ganz normal – aber das hier ist völlig überzogen. Auch, was andere im Blog dazu insinuieren.

 

Der Deutschlandfunk hat inzwischen in einigen Erklärungen und Interviews Stellung bezogen, allerdings beschränken sich die Einlassungen auf vage Andeutungen. Das wirkt etwas verdruckst. Wäre es nicht besser, offen über die Sache zu reden?

Seppelt: Da ich kein Vertreter des Deutschlandfunks bin, kann ich hier nur spekulieren. Kann der DLF hier wirklich Personalinterna mit den Details und die atmosphärische Gemengelage in aller Öffentlichkeit diskutieren? Ich gehe davon aus, dass dies rechtlich gar nicht zulässig ist. Und wer die zweite Stellungnahme von Chefredakteurin Wentzien gelesen hat, die ja auf den Schilderungen ihrer Sportredakteure beruht, hat wohl erkennen können, was gemeint ist.

 

Sie sind etwa so alt wie Jens Weinreich, Sie haben die gleiche Berufserfahrung und eine ähnlich herausragende Stellung im deutschen Sportjournalismus. Wie wären Sie mit einem solchen Konflikt umgegangen?

Seppelt: Ich hätte mich sicher auch gewehrt, wenn ich mich ungerecht behandelt gefühlt hätte. Aber zwischen persönlicher Verteidigung und öffentlicher fortwährender Angriffe gegen die andere Seite sehe ich schon einen Unterschied. Zudem frage ich mich, ob das nicht auch in manchen Punkten justitiabel ist, was er da behauptet. Aus meiner Sicht wäre er besser beraten, diese Inszenierung schnell zu beenden und sich auf das zu konzentrieren, was er am besten kann: Ich finde nach wie vor, dass er ein vorzüglicher Kenner in seinem Themenfeld ist. Aber zur Wahrheit und – wie er sagen würde – Transparenz gehört es auch, mal die andere Sicht der Dinge in diesem Fall darzustellen. Die kursierenden Verschwörungstheorien aber können schnell zum Rohrkrepierer werden.

 

Interview: Wolfgang Michal 

Eine Link-Liste zum Thema finden Sie unter dem Beitrag von Vera Bunse

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