Erbarmen! Zu spät, die Retter kommen.

von , 27.1.09

Als der von mir so geliebte FC St. Pauli 2003 aufgrund inkompetenter Geschäftsführung in eine dramatische wirtschaftliche Schieflage geriet, setzte dies alle kreativen Kräfte im Verein und im Umfeld frei. Die Idee, RETTER-T-Shirts zu veräußern, wurde geboren – in kürzester Zeit wurden weit über 100.000 T-Shirts an Retter in ganz Deutschland verkauft. Die Unterstützung der Fans und Sympathisanten war enorm. Noch heute sind die T-Shirts ein Renner.

Die wirtschaftlichen Probleme vieler Unternehmen rufen keine ähnliche Kreativität zur Bewältigung der Krise hervor. Stattdessen wird oft einfach und einfallslos nach staatlicher Hilfe gerufen und, wenn das nicht reicht, nach mehr staatlicher Hilfe. Das erinnert an Emir Kusturica, der einen seiner Protagonisten in „Schwarze Katze, weiße Kater“ (sinngemäß) sagen lässt: „Probleme, die Du mit Geld nicht lösen kannst, kannst Du mit viel Geld lösen“.

Eigentlich müsste nun jeder Bundesbürger ein ähnliches RETTER-T-Shirt erhalten wie damals die Fans des FC St. Pauli (wenn vielleicht auch in etwas anderem Design). Mit fast 10.000 Euro bürgt jeder Bundesbürger (das Wort „Bundesbürger“ bekommt nun eine ganz neue Bedeutung ;-)) für Banken und auch Industrieunternehmen. Der Unterschied zur damaligen Rettungsaktion des FC St. Pauli ist jedoch, dass dort die Fans die RETTER-T-Shirts aus freien Stücken gekauft haben – der Steuerzahler hingegen kann heute nicht frei entscheiden, ob er bei den Rettungsaktionen mitmachen möchte.

Natürlich ist unbestritten, dass staatliches Eingreifen in Zeiten einer solchen Krise grundsätzlich notwendig und ohne Alternative ist. Das ist völlig klar. Allerdings gilt das nicht für alle Maßnahmen und jede Bürgschaft und Subvention. Die Gefahr ist groß, nun das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Der Versuchung, unter dem Deckmantel der Finanz- und Wirtschaftskrise aktive Industriepolitik zu betreiben, scheint die Politik teilweise nicht widerstehen zu können. Sollte die von Anfang an hochgradig riskante Übernahmen von Conti durch Schaeffler nun mit staatlicher Hilfe abgesichert werden, so würde das den unverantwortlichen Umgang mit Steuergeldern auf die Spitze treiben.

In der Monopolkommission haben wir uns in der letzten Woche bereits veranlasst gesehen, deutlich vor Übertreibungen zu warnen. Dabei hatten wir noch die wettbewerbsverzerrende Einflussnahme des Staates auf die Geschäftspolitik der Commerzbank (zu Lasten kleiner Genossenschaftsbanken) vor Augen sowie die Gefahr, dass der Rettungsschirm für die Realwirtschaft zu großzügig ausfällt. Diese Befürchtung bestätigt sich, wenn Bayern und Niedersachsen den Deal zwischen Conti und Schaeffler mit Steuergeldern ermöglichen: „Wer rettet uns vor diesen Rettern?“, hat Guido Westerwelle neulich schon gefragt – niemand, befürchte ich (Und wenn sie kommen? Dann laufen wir! ;-))

Als Vorsitzender der Monopolkommission sehe ich eine große Gefahr für das Wettbewerbsprinzip, das uns immerhin den bisherigen Wohlstand gebracht hat (auch wenn der Hinweis, das Wohlstand nicht durch Umverteilung von Steuermitteln erzeugt wird, mittlerweile schon als neoliberaler Unsinn gegeißelt wird – aber erst muss der Kuchen gebacken werden, dann kann er verteilt werden). Sehr problematisch ist, dass es wohl primär größere Unternehmen sein werden, die staatlich gerettet werden. Der kleine Handwerkerbetrieb oder ein Taxiunternehmen werden, um Beispiele zu nennen, wohl kaum unter den Rettungsschirm kriechen können. Wenn aber in der Krise die kleinen Unternehmen bankrott anmelden, während die großen gerettet werden, dann befördert dies die Unternehmenskonzentration und die Vermachtung von Märkten. Wettbewerbspolitisch betrachtet würde ich – wenn schon gerettet werden soll – tendenziell lieber viele kleine Unternehmen retten als die großen. Dann hätten wir nach der Krise wenigstens weniger konzentrierte Marktstrukturen. Aber das ist ein frommer Wunsch, das weiß ich auch.

 

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