#Börsengang

Facebook-Aktie ist für Muppets: Finger weg!

von , 17.5.12

Die im Prospekt angegebene Preisspanne für den Erstverkaufspreis lag zwischen 28 und 35 US-Dollar, nach neuen Berichten beträgt die Spanne nun 34 bis 38 Dollar. Der Preis am Ende des ersten Börsentags kann natürlich auch außerhalb dieser Spanne liegen.

Aus der Preisspanne im Prospekt errechnen sich Unternehmenswerte für die 2,74 Mrd. Aktien zwischen 76,7 Mrd. und 95,9 Mrd. US-Dollar (bzw. 93,16 und 104,1 Mrd. US-Dollar). Wenn ich Facebook bewerten würde, käme ich auf einen Wert deutlich unter 50 Mrd. Dollar. Ich würde nicht mehr als das 25-fache des 2012er-Gewinns bezahlen für die Aktien. Mir ist das Geschäftsmodell nicht klar genug für eine höhere Bewertung. Viele Argumente, die für eine höhere Bewertung vorgebracht werden, klingen willkürlich und rein hypothetisch. So ist derzeit völlig offen, ob und wie Facebook im mobilen Netz Geld verdienen wird. Daneben hat das angeblich nur auf Wachstum getrimmte Unternehmen im ersten Quartal 2012 erst einmal den Rückwärtsgang eingelegt.

Es ist unwahrscheinlich, dass Anleger bei der Zeichnung noch Aktien erhalten. Einige stellen sich daher die Frage, ob sie am ersten Börsentag zugreifen sollten. Ich würde in jedem Fall die Finger von der Facebook-Aktie lassen. Facebook ist ein Muppet-Köder, schrieb Henry Blodget letzte Woche auf Business Insider, und er hat Recht damit. Ich werde in einem Beitrag am Freitag noch zeigen, warum der Muppet-Faktor hier hoch ist. Man muss also nicht einmal Warren Buffett in den Zeugenstand rufen. Er warnt bekanntlich ebenfalls vor dem Kauf der Aktien.

In der letzten außerbörslichen Auktion auf Sharepost wurde Facebook mit 102,8 Mrd. US-Dollar bewertet. Nun ist der Handel dort untersagt. Medien und Analysten bemühen in diesen Tagen außerdem diverse Vergleiche zu anderen Börsengängen wie LinkedIn, Google oder anderen Unternehmen. Solche Vergleiche dienen aber eher der Unterhaltung und können bestenfalls als psychologische Entscheidungsrationalisierung dienen. Ökonomisch sind solche Analogien irrelevant.

Gelingt es Facebook und den Investmentbanken tatsächlich, so viele Interessenten von der Aktie zu überzeugen, so dass alle wild drauf los kaufen, nur weil sie selbst auf Facebook aktiv sind und die Anwendung mögen? Man kann es nicht ausschließen. Seit der Telekom-Emission wurde ich nicht mehr so häufig gefragt, ob ich diese Aktien kaufen würde. Der Taxifahrer-Indikator deutet auf ein viel zu hohes Interesse privater Anleger. Selbst Larifari-Radiosender, die sonst nur über die Börse nach einem Aktiencrash berichten, fragen sich, ob die Facebook-Aktie ein Kauf sein könnte. Allein dies sollte Warnung genug sein.

Wichtiger ist aber, was die Profis denken. Hier lese und höre ich eher Skepsis. Ich persönlich würde übrigens jeden aktiven Aktienfonds aus meinem Depot werfen, der Facebook zeichnet (gilt nicht für Indexfonds, die das Papier spätestens in die Bücher nehmen müssen, wenn die Aktien in einen Index aufgenommen werden). Mich würde es dagegen nicht überraschen, wenn die ersten Hedge-Fonds zügig Short-Positionen gegen Facebook aufbauen. Dies halte ich für wahrscheinlicher, je näher sich der Preis am oberen Bewertungsende bewegt.

Für die Konsortialbanken, zu denen übrigens auch die Deutsche Bank gehört, könnten diese “Shortstrategien” problematisch werden. Das bedeutet, sie müssten sich gegen einen echten Absturz stemmen. Nach den Erfahrungen aber, die JP Morgan in den letzten Wochen gesammelt hat, werden sie das nicht unbegrenzt tun können. Es geht um viel Prestige bei diesem Börsengang. Die Konsortialbanken werden dafür sorgen müssen, dass die Platzierung und auch der Handel am Anfang ein “Erfolg” werden. Business Insider hat vergangene Woche bereits darüber gelästert, wie dieser Börsengang von Goldman Sachs und Co. aufgeblasen wird.

Vor dem Hintergrund des veranstalteten Hypes glaube ich, dass der Emissionspreis trotz Überzeichnung bei 37 US-Dollar (nach Erhöhung der Preisspanne) liegen wird. Das wird dann PR-mäßig so vermarktet werden, dass man den kompletten Spielraum nicht ausnutzen wollte. Man signalisiert etwas Großzügigkeit, “muppetisiert” aber in Wirklichkeit die Anleger. Der erste Handel könnte sich dann zwischen 37 und 40 US-Dollar abspielen. Am Ende des ersten Börsentags könnte der Preis dann vielleicht bei 38,50 Dollar (das ist mein #facebookguess) liegen. Man wird dann von einem erfolgreichen Börsengang sprechen können. Spätestens am Montag könnte dann der Verkaufsdruck der Shorties auf die Aktie einsetzen. Lange dürften die Konsortialbanken diesen Druck dann nicht aushalten können.

Natürlich sind auch viele andere Entwicklungen denkbar. Das ist ja gerade das Spannende an den Kapitalmärkten. Die Aktivitäten sind von unterschiedlichsten Einschätzungen und Einschätzungen über diese Einschätzungen bestimmt. Irgendjemand wird schon richtig mit seinen Vorhersagen liegen. Und je nach Kursentwicklung werden uns anschließend “Experten” ganz genau erklären, warum es genau so kommen musste. In jedem Fall wird es ein interessanter erster Handelstag und eine spannende erste Handelswoche werden.

 

Leseempfehlungen zum Börsenstart

 

Nachtrag

Mein Artikel war kaum veröffentlicht, da gab es die ersten Berichte, dass Facebook die Preisspanne erhöhen könnte. Bestätigt ist das bisher zwar noch nicht, ich habe aber meine veränderten Schätzwerte entsprechend geändert.

Mit diesem Beitrag wollen @egghat und ich zusammen mit Handelsblatt Online heute eine Schwarmschätzung starten. Via Twitter und Facebook wollen wir den Preis einer Aktie am Ende des ersten Börsentages schätzen. Dazu kann jeder, der Lust hat, unter dem Hashtag #facebookguess seine Schätzung abgeben. Handelsblatt Online sammelt die unter diesem Hashtag abgegebenen Kursschätzungen ein. Mehr dazu auf Handelsblatt Online unter „Crowdguessing“ zum Facebook-Börsengang“.

Bei einem “Crowdguessing” des letzten 3-Jahres-Tender der EZB haben wir mit den Schätzungen der Twitter-Crowd die beste Vorhersage geliefert und die Experten abgehängt. Wichtig für die Schwarmschätzung (neudeutsch crowdguessing): Es geht nicht darum, zu schätzen, wie man die Aktie selbst bewerten würde, sondern was man glaubt, wie der “Markt” das Unternehmen am Ende des ersten Börsentags bewerten wird.

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