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Blick in die Glaskugel: Landtagswahl in NRW

von , 9.5.12

Auch ein Norbert Röttgen, der nicht weiß, ob er vielleicht ein bisschen in Düsseldorf bleiben möchte, gibt nicht eben eine Wahlempfehlung für seine Partei ab. Dass er außerdem noch die Europapolitik der Bundesregierung zum Wahlthema machen will, ist mehr als ungeschickt, wird aber seine Rückkehr nach Berlin sichern. Christian Lindner wird mit Ach und Krach der FDP noch einmal den Hals retten, wie es auch Kubicki in SH gelungen ist. Starke Persönlichkeiten lenken allerdings höchstens von der verbreiteten Unzufriedenheit der Bürger mit einer Politik ab, die sie schon lange nicht mehr verstehen. Im Gegensatz zu der bisherigen Reaktion, gar nicht zu wählen, gibt es nun mit den Piraten eine neue Option.

Bundespolitik färbt immer auf Landtagswahlen ab. Der Zusammenhang mit den Wahlen in Frankreich und Griechenland, wo die Menschen auch gegen Merkel gewählt haben, ist für die CDU kein günstiges Umfeld. In einem postindustriellen Land wie NRW, das besonders intensive Umbrüche erlebt hat, dürfte das Verständnis für die Wähler in den europäischen Nachbarländern groß sein. Gerade im Ruhrgebiet weiß man, was Sparen bedeutet, was es heißt, wenn der Konsum nachlässt, weil die Menschen kein Geld mehr zum Ausgeben haben. Dort hat über Jahrzehnte ein Tante-Emma-Laden nach dem anderen geschlossen, die Infrastruktur schwer gelitten, bis schließlich kein Geld mehr für die notwendige Sanierung öffentlicher Einrichtungen da war. In dieser Lage mit Sparplänen Wahlkampf zu machen, ist in der Tat tollkühn.

Dass gespart werden muss, wissen die Wähler. Doch Hannelore Kraft macht klugerweise keinen Wahlkampf mit Bezügen auf Finanzierung oder Wirtschaft. Sie vertraut auf ihre persönliche, menschliche Wirkung und die Erfolge, die sie seit Rüttgers’ Abschied errungen hat und heftet sich auch die der grünen Kollegin Löhrmann diskret mit ans Revers. Damit vermeidet sie geschickt die unangenehme Themensetzung und kommt im Vergleich zu den konkurrierenden Wahlkämpfern, die schwer nach Berlin riechen, mit ihren bodenständigen Auftritten gut an. Von der Möglichkeit der eigenen künftigen Kanzlerkandidatur ist vor der NRW-Wahl kaum die Rede, entsprechende Fragen werden dezent überhört oder mit der nachdrücklichen Entscheidung für Düsseldorf kommentiert.

Die NRW-Grünen beschränken sich neben ihren Stammthemen weitgehend auf Bildung und Soziales, machen zudem gerade eine Kampagne gegen Pro NRW – ein paar medienwirksame Aktionen vor der Wahl können nicht schaden. Für Rot-Grün könnte es reichen, notfalls muss ein dritter Partner mit ins Boot. Ob der zwingend Lindner heißen wird, ist noch nicht ausgemacht. Er selbst verhält sich, FDP-ungewohnt, recht bescheiden – kein Fehlverhalten, wenn man mit dem Parteivorsitz liebäugelt. Für die Grünen ist allerdings auch eine schwarz-grün-gelbe-Koalition nicht unvorstellbar; die Piraten sind aufgrund der Wählerwanderung kein wahrscheinlicher Partner.

Die Linke hat sich selbst aus dem Rennen genommen: zu viel personelles Hickhack, zu viel Spekulation um Lafontaines mögliche Rückkehr, zu viel Bundesgetöse vor der wichtigen Landtagswahl. Die Probleme in der Außenwelt kamen bei der Linken nicht mehr vor, damit ist das Düsseldorfer Gastspiel vorerst beendet.

Die Piraten haben für die skeptischen Westfalen und die traditionsbewussten Rheinländer noch zu wenig Profil, so dass sie zwar in den Landtag einziehen werden, aber nicht ganz so rauschend wie im Saarland, in Schleswig-Holstein oder in Berlin. Möglicherweise stellen sie jedoch ein willkommenes Gegengewicht dar, sollte sich die bemerkenswerte Zurückhaltung der FDP nach der Wahl schnell verflüchtigen.

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