#Internetkonzerne

Voodoozauber der Verlage

von , 25.4.12

Mit dem Leistungsschutzrecht drängen die Presseverlage noch stärker als bisher in die Rolle der Urheber hinein. Sie inszenieren sich – wo immer sie können – als die wahren Urheber und verlangen Schutzrechte, die eigentlich den Autoren zustehen. Warum tun sie das? Warum bürden sie ihren Hausjuristen (und ihren Lobbyisten) eine unlösbare Aufgabe auf?

Sie tun es, weil sie ahnen – und mittlerweile auch schmerzlich erfahren -, dass sich andere, noch größere Marktteilnehmer in ihre alteingesessene Verlegerrolle hineindrängen: Großkonzerne wie Apple, Google/YouTube, Facebook und Amazon, aber auch Telekommunikationskonzerne, Energieversorger oder Handelsriesen werden zu Verwertern. Diese Konzerne verdienen schon heute viel Geld mit der Leistung von Urhebern bzw. am Service für Urheber (als Access-Provider, als Stromlieferanten, als Kiosk, als Platzanbieter, als Rechtehändler) – allerdings heißen die Urheber bei diesen Konzernen (un)sinnigerweise meistens Nutzer.

Und so ist der laufende Strukturwandel der Öffentlichkeit in erster Linie ein Verdrängungsprozess: Die neuen Giganten okkupieren die Rolle der alten Verlage, und die alten Verlage okkupieren die Rolle der Urheber.  Den letzten beißen die Hunde.

Die Verschiebung führt nämlich dazu, dass Verlage und Urheber eine Zeit lang als direkte Konkurrenten auftreten – während sie bislang zwei brav hintereinander hängende Glieder einer stabilen Verwertungskette waren.

Beim Lizenzhandel (der immer lukrativer werdenden Zweitvermarktung) machen die Verlage den Urhebern bereits direkte Konkurrenz. Autoren, die ihre Produkte früher mehrfach verkaufen konnten (etwa die gleiche Story an 20 verschiedene Regionalzeitungen), können das heute nicht mehr. Die Verlage (und bald auch die Sender) vermasseln ihnen das Geschäft und bieten die Werke der Urheber zahlreichen Dritten zur Weiternutzung an. Mit dem Leistungsschutzrecht würden die Urheber dann auch noch einen Teil ihrer Persönlichkeitsrechte verlieren.

Die Verlage drängen sich also in die Rolle der Urheber, weil sie ihrerseits dickeren Fischen (aus)weichen müssen, von denen sie eines Tages gefressen werden könnten. Das bedeutet: Die heutigen Medienverlage werden irgendwann zu Tochterunternehmen im Reich der Giganten – oder sie werden selbstständige Handelshäuser (wie Burda) oder reine Content-Anbieter ohne das bisher noch erforderliche Drumherum (ohne große Sekretariate, Druckereien, Studios, Fuhrparks, Immobilien, Anzeigen- oder Vertriebsabteilungen).

Diese Verlage sind dann nur noch größere Urhebervereinigungen, Konglomerate aus Programmierern, Layoutern, Graphikern, Designern, Autoren, Lektoren, Fotografen, Illustratoren, Filmemachern etc.

Allerdings reagieren nun auch die klassischen (isolierten) Einzel-Urheber auf diesen Verdrängungsprozess. Sie bilden größere Einheiten und verstehen sich nicht mehr als „abhängig Beschäftigte“, sondern als „Unternehmer“, die sich in Berufsverbänden und nicht mehr in traditionellen Gewerkschaften organisieren.

Diese Unternehmer-Urheber schließen sich auch nicht bloß zu Bürogemeinschaften zusammen, die sich Miete, Kühlschrank und DSL-Anschluss teilen, sie gründen richtige Multimedia-Unternehmen, betätigen sich als umfassende Dienstleister mit Full-Service-Charakter und vernetzen sich untereinander zu flexiblen Produktionseinheiten. Bald werden sie in Konkurrenz zu den alten (absteigenden) Verlagen treten können. Beide werden dann kleine oder mittelständische „Urheberklitschen“ sein, die sich als konkurrierende Zulieferbetriebe den Bedingungen der Markt-Giganten unterordnen müssen.

Der Versuch der Verlage, vor dem eigenen Abstieg noch schnell ein Sonderrecht zu erwirken, ist also nichts anderes als Voodoozauber gegen die hereinbrechende Zukunft. Im festen Aberglauben, auf diese Weise dem schumpeterschen Schicksal zu entgehen, rammen die Verlage noch rasch eine Stricknadel in die fantasierten Körper von Google und Facebook.

Gescheiter wäre es, sie würden sich gemeinsam mit Urhebern und Nutzern um eine echte Reform des Urheberrechts bemühen.

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