#Europapolitik

Sarkozy, der (Anti-) Europäer

von , 3.4.12

Gut drei Wochen vor der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen baut Staatspräsident Nicolas Sarkozy den Vorsprung zu seinem sozialistischen Herausforderer François Hollande in Umfragen weiter aus. Bis vor wenigen Wochen noch galt Sarkozy bei den anstehenden Wahlen  als chancenlos. Nun profitiert der Amtsinhaber offensichtlich auch von den terroristischen Anschlägen von Toulouse, bei denen er sich als zupackender Krisenmanager profilieren konnte. Eingeleitet hatte Sarkozy die Trendwende jedoch bereits am 11. März mit einem fulminanten Wahlkampfauftritt vor 50.000 Anhängern in Villepinte bei Paris. Dieser Auftritt könnte sich – neben den Geschehnissen in Toulouse – rückblickend als Schlüsselmoment erweisen.

In Villepinte hatte der Präsident mit einem Austritt Frankreichs aus der Schengen-Zone gedroht, falls die EU ihre Einwanderungspolitik nicht verschärfe. Der „Zustrom“ von Einwanderern dürfe nicht der Regelung durch „Technokraten und Gerichte“ überlassen werden. Vielmehr bedürfe es der Steuerung durch eine „politischen Regierung“ nach dem Modell der geplanten „Regierung der Euro-Zone“. Auch kündigte Sarkozy an, in der EU einen „Buy European Act“ durchsetzen zu wollen, um sicherzustellen, dass europäische Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen bevorzugt werden.

Wer Sarkozys europapolitische Einlassungen als bloße Wahlkampfpolemik abtut oder darin lediglich den Versuch sieht, rechtsgerichtete Wähler zu mobilisieren, verkennt, dass sich die Argumentation des Präsidenten nahtlos in die Grundkonstanten französischer Europapolitik einfügt. Seit jeher sehen die Franzosen in Europa vor allem ein Vehikel, ihre nationalen Interessen auf globaler Ebene durchzusetzen. Der Nationalstaat fungiert als primärer Bezugsrahmen staatlichen Handelns; Europa wird lediglich als Verstärker eigener Interessen wahrgenommen. Im Sinne von Charles de Gaulles „Europa der Vaterländer“ sollen wesentliche Entscheidungsbefugnisse dabei nicht bei „Technokraten“ (gemeint ist die Europäische Kommission) liegen, sondern bei den Staats- und Regierungschefs.

Mit dem „Buy European Act“, der französische Firmen (europarechtskonform) vor dem entfesselten globalen Wettbewerb schützen soll, will Sarkozy Frankreichs wirtschaftspolitisches Leitbild nun auf die europäische Ebene heben. Dieses liegt in der etatistischen Tradition des Landes begründet, in der der Staat als Schutzgarant der Bürger im Wirtschaftsleben kräftig mitmischt – anders als in Deutschland, wo dem Staat lediglich eine Schiedsrichterfunktion zukommt. Der Wahlkämpfer Sarkozy bedient mit seinen Forderungen die – durch die Krise befeuerte – Sehnsucht der Franzosen nach dem behütenden Nationalstaat. Den vermeintlichen Widerspruch zwischen dem europatreuen Staatsmann und dem europakritischen Wahlkämpfer löst Sarkozy selbst auf, indem er sich überzeugt zeigt, dass ein „starkes Frankreich und ein starkes Europa möglich sind“. Damit beschreibt er zugleich das grundlegende Motiv französischer Europapolitik.

 

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.