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TV-Duelle: Die unerträgliche Langeweile der Allparteienrunden

von , 14.1.09

Nachdem es im November einige Scharmützel um die Durchführung von TV-Debatten gab, muss der Hessische Rundfunk als analoges Leitmedium mit einem Rumpfprogramm zufrieden sein: zum prestige- und reichweitenträchtigen „Duell der Spitzenkandidaten“ kommt es in diesem Januar nicht. Noch vor Jahresfrist hatte die Konfrontation von Andrea Ypsilanti und Roland Koch dem Regionalsender ausgezeichnete Quoten beschert.

Zwar müht sich der HR um ein möglichst breit gestreutes Programm auf verschiedenen Kanälen, doch mit dem sorgsam im Parteispektrum austarierten Line-Up dürften dieses Mal keine Bäume ausgerissen werden. Die Abwesenheit einer „großen TV-Debatte“ ermöglichte stattdessen publizistische Nebenschauplätze bei der Konkurrenz von Print und Hörfunk: so sorgten bereits die von der FAZ unter Ausschluss der Linkspartei organisierten Diskussionsrunden für Furore, und am Dienstag durfte Focus-Chef Helmut Markwort eine Radio-Elefantenrunde für den Privatsender FFH moderieren.

Die Folgen des Scheiterns einer Debatten-Vereinbarung mit den Spitzenkandidaten wurde den HR-Verantwortlichen auch beim Bürgerforum am vergangenen Donnerstag deutlich vor Augen geführt. In der Allparteienrunde waren mit Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) und Tarek Al-Wazir (Die Grüne) lediglich zwei Spitzenkandidaten präsent, für die CDU ging Generalsekretär Michael Boddenberg an den Start, die Linke schickte mit Janina Wissler die Zweitplatzierte der Landesliste, die FDP mit Nicola Beer die Nr. 4.

Die Einschaltquoten der Sendung erreichten in der Spitze gerade mal etwas mehr als 120.000 Zuschauer – der Vergleich mit den Zahlen aus dem Vorjahr (ca. 1,5 Millionen deutschlandweit, in Hessen ca. 400.000) fällt düster aus. Auch die Zuschauerdemografie spricht Bände – nahezu drei Viertel des Publikums gehört der Altersgruppe „ab 50 Jahre“ an, Zahlen für Zuschauer unter 30 Jahren wurden gar nicht erst gemessen. Die vermutlich jüngeren Besucher der HR-Website bekamen nur eine Fotogalerie und einen knappen Überblicksartikel zu Gesicht, als Zusatz gab es noch eine zweiminütige Zusammenfassung von HR1. So richtig gefallen hat es der Online-Redaktion wohl nicht, im sehr informativen Twitter-Feed zur Wahl blieben Hinweise und Kommentare zur Sendung eher einsilbig.

Ein Erfolg war die Sendung daher zunächst einmal für Roland Koch – seine kategorische Absage an ein prominentes Duell mit dem SPD-Kontrahenten sollte vor allem die Steigerung des Bekanntheitsgrades von „TSG“ verhindern. In die Fünfer-Runde vom 8. Januar musste Schäfer-Gümbel natürlich trotzdem, lediglich der ebenfalls auf ein Duell mit Koch spekulierende Al-Wazir hatte den Weg aus der ersten Wahlkampfreihe ins TV-Studio gefunden. Die verbleibenden drei Gäste bildeten ein „Frankfurter Gipfeltreffen“: Boddenberg vertritt den Wahlkreis Frankfurt/Main IV, Wissler Frankfurt/Main VI und Beer Frankfurt/Main III. Als regionales Bindeglied mag dies ja noch funktionieren, allerdings muss man sich fragen, ob die Wahlkreise (und ihre KandidatInnen) eine derart prominente Platzierung verdient haben – oder andersherum: was haben Nord-, Ost- und Südhessen von diesem Übergewicht des Rhein-Main-Gebietes? Und selbst wenn hier ein Generalsekretär und zwei stellvertretende Fraktionsvorsitzende das Wort geführt haben – es waren eben nicht die Spitzenkandidaten Roland Koch, Jörg-Uwe Hahn und Willy van Ooyen.

Hier zeigt sich eine gewisse Geringschätzung des Formates – schließlich sollen sich doch die Bürger eine Meinung zu den Leitlinien der Landespolitik bilden, serviert wird ihnen jedoch nur die Position aus der zweiten Reihe. Dem Wahlkampfkalkül wurde die – ansonsten immer heiß begehrte – Medienpräsenz geopfert, aus Sicht von CDU, FDP und Linkspartei war das sogar nachvollziehbar: das Fehlen des geschäftsführenden Ministerpräsidenten senkt den Aufmerksamkeitswert der Sendung, der nicht eben kamera-affine FDP-Chef minimiert seine Bildschirmzeit und der Chef der krisengeschüttelten Linken entzieht sich unbequemen Fragen zum Zustand seiner Partei. Auf der Strecke bleiben allerdings: ein zur Belanglosigkeit verurteiltes Stehpultgespräch und die Wählerinnen und Wähler. Immerhin – als Quittung gab es eine schwache Quote.

Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Situation in dieser Woche verbessert: am Donnerstag steht die Runde der Spitzenkandidaten auf dem Programm – dann werden zumindest alle Frontfiguren des Wahlkampfs gemeinsam auf dem Bildschirm erscheinen. Eine produktive Auseinandersetzung ist aber auch dann nicht zu erwarten: die großen Runden sind gut geeignet, um sich im Diskussions-Durcheinander misslichen Fragen zu entziehen, eine direkte Auseinandersetzung der Kandidaten untereinander wird ausbleiben oder sich auf wenige Moment beschränken. Der Moderation bleibt die undankbare (und vermutlich unlösbare) Aufgabe, ein wenig zu schlichten und zu sortieren – die direkte und kompakte Adressierung wichtiger Wahlkampfthemen mit der Möglichkeit zur Gegenüberstellung parteipolitischer (und persönlicher) Standpunkte ist in einer solchen Gesprächssituation nicht möglich.

Voraussichtlich werden nicht wenige hessische Zuschauer mit der Fernbedienung abstimmen – und den HR spätestens nach der Tagesschau verlassen. Die Neuauflage der Hessenwahl unterbricht damit die Tradition der TV-Debatten zwischen Spitzenkandidaten auf Landesebene. Verschenkt wird damit das Potenzial zur verdichteten und reichweitenstarken Präsentation von Personal und Positionen. Es bleibt zu hoffen, dass die zuständigen Sender im Saarland, Sachsen und Thüringen im Sommer mit besseren Argumenten in die Verhandlungen gehen als der HR. Die laufende Berichterstattung in Hessen zeigt dabei dem SR und dem MDR eindrücklich die Vorteile von Debattenformaten mit nur zwei TeilnehmerInnen auf.

Diesen Text hat Christoph Bieber für Carta und Politik Digital geschrieben.

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