#Japan

GAU

von , 17.3.11

Es ist wohl zu früh, um das mediale Echo auf den GAU in Japan genauer zu analysieren, aber ein paar Anmerkungen gäbe es da doch. Wobei ich mich diesmal nicht aufs Fernsehen oder auf die grossen Tageszeitungen beziehen möchte, sondern auf meinen „Freundeskreis“ bei Facebook, unter dem sich ein sehr hoher Anteil an Journalisten befindet – wohl auch, weil ich selbst dieses Medium vor allem zum professionellen Austausch nutze.

Was mich frappiert hat: Der hohe Anteil an Zeitgenossen, die einfach weiter gemacht haben wie bisher – als gäbe es die Zäsur durch das Erdbeben und den Strahlenalarm in Japan  einfach nicht. Dann, natürlich, ein paar Profis, die sich selbst mit einer Nachrichtenagentur verwechseln und meinen, jede neueste Tickermeldung auch über Facebook weiterverbreiten zu müssen. Und schliesslich so etwas wie eine schweigende Mehrheit, die wie ich selbst nahezu von Schockstarre befallen sind, sich also entweder gar nicht oder nur mit kargen Vier- oder Fünfwort-Sätzen melden: “Ich fasse es nicht”, “Finde es einfach nur schrecklich”.

Was könnten diese ganz unterschiedlichen Reaktionsweisen wiederum mit den Medien zu tun haben? Viele von uns – offenbar nicht zuletzt Journalisten und andere Medienprofis – sind von den ständigen Alarmmeldungen, mit denen uns Fernsehen und Boulevardpresse und in deren Schlepptau stets auch die „seriösen“ Medien überschütten, so abgestumpft, dass sie sich durch nichts mehr aus ihrer Ruhe und Routine bringen lassen wollen. Andere werden wieder und wieder Opfer des medialen Herdentriebs und lassen sich von Vogel- und Schweinegrippe fast genauso in Angst und Schrecken versetzen wie vom radioaktiven Fallout.

Wie viel medialen Katastrophenalarm können wir verarbeiten, ohne unsere Sensibilität, unser Differenzierungsvermögen zu verlieren? Gibt es für Aufklärung noch eine Chance, wenn die Medien (auch die öffentlich-rechtlichen !) letztlich um Auflagen, Clicks und Einschaltquoten konkurrieren? Und hat nicht der Jesuit und Philosoph Ivan Illich, übrigens ein Österreicher, auch wenn man ihn hierzulande kaum kennt, recht behalten, selbst wenn er nur ungläubiges Kopfschütteln erntete, als er schon vor Jahrzehnten unsere „Entmündigung durch die Expertenkultur“ konstatierte und uns kurz nach der ersten Energiekrise das Fahrrad als einzig menschenfreundliches Verkehrsmittel andiente?

Stefan Ruß-Mohl schreibt diese Kolumne für österreichische Wochenzeitung Die Furche. Carta übernimmt Sie mit freundlicher Genehmigung.

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