#Karl-Theodor zu Guttenberg

Nicht Glamour, sondern sprachliche Virtuosität erklärt den Guttenberg-Hype

von , 17.10.10

Es gibt verschiedene Methoden, dem Phänomen des beliebtesten deutschen Politikers, Karl-Theodor zu Guttenberg, und seiner Frau Stephanie auf die Spur zu kommen. Entweder man geht so vor wie DER SPIEGEL in seiner neuesten Ausgabe: Die Hamburger stellen „Die fabelhaften Guttenbergs“ glamourös auf den Titel, ermüden ihre Leser mit lauter Bekanntem (angedrohter Opel-Rücktritt, Kundus-Entzauberung etc.) und bedenken den 38jährigen Politstar mit Freundlichkeiten wie „Pingel … mit gelacktem Aussehen“ oder „im deutschen Adelsranking eher niedrig angesiedelt“. Die Auflage des Heftes geht aufgrund des GALA-gleichen Titelfotos vermutlich durch die Decke, der Erkenntniswert der Story freilich gegen Null.

Für einen etwas anderen Weg entschied sich am 13. Oktober die Frankfurter Allgemeine Zeitung und druckte unter der Headline „Alle Gewalt geht vom Worte aus“ im Feuilleton eine Rede ab, die der Bundesverteidigungsminister am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit vor Parteigängern in Berlin gehalten hatte. Die Lektüre dieser Rede ist um einiges Erkenntnis fördernder als die Titelstory in dem Hamburger Nachrichtenmagazin. Sie ist, wenn nicht alles täuscht, die Bewerbungsrede eines Dirigentensohns um einen der Führungsposten in dieser Republik.

Beißende Ironie, vernichtende Härte

Was macht diese Rede aus – wie müssen wir sie lesen? Da ist zum einen die spezifische, die ebenso elegante wie schneidende Sprache zu Guttenbergs. Der „Ruck in der Berliner Republik“ sei bisweilen „nur ein Stühlerutschen auf dem Parkett“, spottet Guttenberg gleich zu Beginn. Dann, an die Adresse der Vergangenheitsverklärer gerichtet: „Die Behauptung hochmögender Köpfe, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen, unterschreitet … die Grenze intellektueller Belastbarkeit“. Bevor wir diese Wendung verstanden haben, holt der Baron zum nächsten Schlag aus: „Sonderwege, auch solche der Moral, führen ins Abseits. Und beim Besetzen des höheren moralischen Geländes sollte man stets darauf achten, worin das eigene Gepäck besteht … bei nicht wenigen kann sich auch beim Aufstieg schon Atemnot einstellen“. Derartige Formulierungen, in denen beißende Ironie und vernichtende Härte derart virtuos miteinander verknüpft werden, sind selten geworden im auf Vorsicht getrimmten Diskursraum der Berliner Republik.

Zum anderen fällt auf, in welche politische Ahnengalerie der bekennende AC/DC-Fan mit 900jähriger Familiengeschichte sich mal eben stellt. Das eine Vorbild heißt – Konrad Adenauer. Dieser habe „Überzeugungen, einen festen Kompass“ gehabt. Seine „kluge Kunst der Bescheidung“ sei heute ein „so seltenes Gut“. Kaum verklausuliert fordert Guttenberg zum Nachsinnen darüber auf, wer in der Gegenwart wohl diese edlen Attribute für sich in Anspruch nehmen könne.

Der Mann hat noch etwas vor

Sein anderer Ziehvater im Geiste ist Helmut Kohl – ein „Glücksfall für unser Land“, wie Guttenberg ihn tituliert. Kohl habe stets an seinem Bekenntnis zur Einheit der Nation festgehalten – und er habe Recht behalten. Kohl habe „den Mantel der Geschichte ergriffen und … die Gunst der Stunde genutzt“. Geschickt platziert Guttenberg diese Referenz im ersten Drittel seiner Rede, um gegen Ende – Redenschreiber nennen es „Klammern“ – darauf Rekurs zu nehmen: „Wenn die Geschichte in Bewegung gerät“, sagt der Mann, der gerade die Wehrpflicht abräumt, „dann gibt es kein Beiseitestehen … Es bleibt an uns, diese Gestaltungsaufgabe anzunehmen“. An Sendungsbewusstsein mangelt es zu Guttenberg mit Sicherheit nicht.

Unverwechselbare Sprache und das Aufzeigen großer, über das „Wahltagsdenken“ (K.-T. z. G.) hinausweisender Linien sind zwei tragende Säulen des Guttenberg’schen Auftritts. Hinzu kommt der unüberhörbare Anspruch, auch programmatisch Avantgarde zu sein. Hören wir noch einmal hin: „Jede Generation hat ihre historische Aufgabe. Wenn nicht alle Zeichen trügen, ist es die Aufgabe unserer Generation, den demographischen Wandel zu bewältigen. Es gibt für diese Aufgabe kein historisches Vorbild … Niemals gab es so wenig gut ausgebildete Jüngere wie in Zukunft“. Guttenberg hat keine Scheu, sich Biedenkopf, Sarrazin und Schirrmacher zugleich vor die Brust zu nehmen: Die alternde Gesellschaft „innovativ, schöpferisch und lebenswert“ zu gestalten, ist seines Erachtens möglich – „zum Nulltarif“ gebe es diesen Umbau jedoch nicht.

„In der Demokratie wird durch das Wort geführt“

Karl-Theodor zu Guttenberg hat mit seiner Rede vom 2. Oktober 2010 so etwas wie eine Visitenkarte abgelegt. Und er hat insbesondere seinen Freunden im eigenen Lager die Leviten gelesen: „In der Demokratie wird auch durch das Wort geführt. Mitnehmen allein genügt nicht“, warnt er, den DER SPIEGEL als „Menschenfischer“ bezeichnet. Wenn Politik zur Beliebigkeit herabsinke, „dann schlägt die Stunde der Populisten“. Es sind nicht Glanz und Glamour der Guttenbergs, die – so DER SPIEGEL – Merkel und Seehofer gefährlich werden könnten. Sondern es ist die im politischen Berlin selten gewordene Sprachmächtigkeit eines Hoffnungsträgers, der die Politik zum Broterwerb nicht nötig hat.

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