#Stuttgart 21

Stuttgart 21: Ohnmacht, Wut und repräsentative Demokratie

von , 1.10.10

Mittlerweile glaube ich zu verstehen (nachdem es mir lange wie Nico Lumma ging), warum Stuttgart 21 (im Vergleich mit Arbeitslosigkeit, Hartz IV, Zukunft der Atomkraft, Bildung und Wirtschaftskrise und so weiter nun wirklich nicht übermäßig wichtig) so polarisiert: Es geht um Ohnmacht. Es geht um die Ohnmacht, einem politischen Prozeß ausgeliefert zu sein, der scheinbar nicht zu beeinflussen ist.

Die Argumentation der Befürworter läßt sich kaum leugnen: Über mehrere Ebenen wurde das Projekt nach demokratischen und rechtsstaatlichen Verfahren beschlossen, verschiedene Wahlen im Laufe des Entscheidungsprozeß haben die befürwortenden Gruppen bestätigt, die Beschlüsse wurden vor Gericht überprüft. Insofern ist Stuttgart 21 durchaus hervorragend legitimiert, mehr als die meisten anderen politischen Projekte.

Und dennoch: So sauber legitimiert es ist – es zeigt die Schwächen eines rein repräsentativdemokratischen Systems auf. Daß die Proteste nun durch groteske Polizeigewaltexzesse niedergeschlagen werden (darf ein Rechtsstaat die Erblindung von Menschen in Kauf nehmen, nur um die zeitnahe Umsetzung eines Bauvorhabens durchzusetzen?), ist nicht die Selbstbehauptung des repräsentativdemokratischen Rechtsstaats gegen undemokratische schlechte Verlierer. Es ist eine fast schon autistisch zu nennende Reaktion eines selbstgenügsamen politischen Apparats, der sturheil nur seinen Prozeduren zu folgen vermag, ohne sich von Kontexten beeinflussen zu lassen.

Verfahren, die demokratisch vereinbart werden, sind die beste Möglichkeit, um verschiedene widerstreitende Interessen miteinander in Einklang zu bringen – auch wenn in der Sache kein Konsens zu erzielen ist, so ist doch der Weg dorthin konsensfähig. Zunächst treffen daher Aussagen wie man sie gerade hört durchaus zu:

»In einem Rechtsstaat muss man darauf achten, dass Entscheidungen nicht nur getroffen, sondern auch umgesetzt werden.« (Peter Hauk)

»Wenn sich die Gegner des Vorhabens politisch nicht durchsetzen konnten, müssen sie das akzeptieren.« (Konrad Freiberg)

Eine in eine ähnliche Richtung zielende Gegenüberstellung hört man immer wieder, von Angela Merkel, zuletzt von Heribert Rech im ZDF-Interview (ab Minute 3.16; Transkription):

Die Frage ist, ob wir uns an demokratisch legitimierte Beschlüsse halten oder ob wir künftig per Umfragen regieren.

Das ist ein falsches Dilemma. Die Frage ist nicht »Demokratie oder Umfrage- (=Pöbel-)Herrschaft«, sondern: Wie wird eine Demokratie so ausgestaltet, daß sie ihrer Aufgabe gerecht wird: Das Aushandeln der Bedingungen der Freiheit ermöglichen…

Den Rest dieses Textes und die Kommentare gibt’s in meinem Blog…

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