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Netzneutralität: Felix, Markus und die Schippchen

von , 16.8.10

Der interessante Schlagabtausch zwischen Felix von Leitner (Fefes Blog) und Markus Beckedahl (netzpolitik.org) entzündete sich an der am vergangenen Mittwoch vorgestellten Initiative „Pro Netzneutralität“. Der Sprecher des Gesprächskreises Netzpolitik beim SPD-Parteivorstand, Björn Böhning, und das Vorstandmitglied der Grünen, Malte Spitz, hatten die Gelegenheit ergriffen, das Thema Netzneutralität aus der Expertenecke heraus zu holen und zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzung zu machen.

Getragen wird ihre Initiative von Politikern aller drei Oppositionsparteien. In Wahrheit aber dominieren auf der Erstunterzeichner-Liste SPD- und Grünen-Abgeordnete (Klingbeil, Groote; Albrecht, von Notz) und parteinahe (bzw. mit Parteien sympathisierende) Blogger (Lumma, Lobo, Beckedahl). Man wird den Initiatoren also nicht zu nahe treten, wenn man ihre Initiative als Teil des laufenden Projekts „Wiederbelebung von Rot-Grün“ betrachtet. Vor allem die SPD ist bestrebt, ihre völlig verfahrene Netzpolitik aus den Zeiten der großen Koalition öffentlich zu korrigieren.

Völlig logisch, dass ein Blogger wie Fefe da explodieren musste. Wie sensible Menschen auf Birkenpollen reagieren, so reagiert Fefe auf jeden Mucks seiner Lieblings(abwatsch)partei. „Liebe SPD“ grollte er, „ihr habt jahrelang konsequent gegen meine Interessen abgestimmt. Vorratsdatenspeicherung, SWIFT-Abkommen, Internetzensur, Cybercrime-Convention, Hackertoolverbot, BKA-Gesetz, E-Personalausweis. Jede schlechte Idee habt ihr systematisch aufgegriffen, noch schlimmer gemacht, und dann dafür gestimmt. Und jetzt wollt ihr mir erzählen, euch ginge es um die Rettung der Netzneutralität! Dass ich nicht lache.“

Ärgerlich reagierte Fefe auch auf die Sprechblasen ‚Innovationsfähigkeit der Wirtschaft’ und ‚Entfaltung ökonomischer Potentiale’. Diese Sprache zeige schon, wohin die Reise der Initiative gehe. Doch das Internet, so Fefe, sei kein Shopping-Kanal: „Scheiß auf die ökonomischen Potentiale.“

Für Fefe schielt das ‚Parteienpapier’ zu sehr auf die ökonomische Leistungsfähigkeit des Netzes, während es bei der Verteidigung der Netzneutralität um etwas viel Größeres gehe: um gleiche Meinungsfreiheit für alle. Das bedeute: „Die Telekom darf nicht nachrichten.t-online.de vor blog.fefe.de bevorzugt zustellen. Ich bin als Sender im Internet genau so privilegiert wie alle anderen.“

Das Internet sei eben kein Rundfunk und kein x-beliebiger Marktplatz für Verkäufer, sondern ein freies Kommunikationsmedium. Und genau das gelte es klarzustellen. Wenn er also überhaupt ein Papier unterschreibe, dann nur eines, das vom Chaos Computer Club (CCC) gebilligt sei.

Kramt man allerdings das vom CCC jüngst veröffentlichte Thesenpapier noch einmal hervor, so findet man auch dort ein paar veritable Sprechblasen („den Bürger mitnehmen“, „wir müssen Sorge tragen“), das Internet, heißt es u.a., löse „als Medium der Informationsbeschaffung“ den Fernseher ab, und selbst von der wettbewerbsfähigen Gesellschaft ist brav die Rede.

War Fefes Empörung also gerechtfertigt oder schoss er übers Ziel hinaus?

Markus Beckedahl von netzpolitik.org sah sich jedenfalls herausgefordert. Umgehend stellte er klar, dass politische Zweckbündnisse nun mal erforderlich seien, wenn man etwas erreichen wolle. Es sei auch nötig, die Interessengruppen der Nutzer und der Inhalte-Anbieter zusammen zu bringen, um ein Gegengewicht zur Interessengruppe der Netzbetreiber bilden zu können. Nur gemeinsam sei man in der Lage, der Telekom (die ihre Zustell-Neutralität zunächst bei mobilen Diensten opfern möchte) noch rechtzeitig in den Arm zu fallen.

Allerdings wäre Beckedahl zu fragen, ob große Inhalte-Anbieter wie Springer, ProSiebenSAT1, Universal oder Disney wirklich das gleiche Interesse an Netzneutralität haben wie die kleinen Inhalte-Anbieter netzpolitik.org oder Fefes Blog? Würden große Musik-, Presse-, Fernseh-, Film- oder Spiele-Firmen nicht im Zweifel lieber einen Vorzugsdeal mit der Telekom und anderen Providern auskaspern als sich mit Markus & Felix auf dieselbe Seite der Barrikade zu stellen?

Es gibt also Einwände gegen beide Positionen. Aber auch bedenkenswerte Argumente für sie. Für welche von beiden soll man sich entscheiden?

Der kluge Max Winde schrieb gestern Abend folgenden Tweet: ‚Wäh, wäh! Ich unterschreibe deine Petition nicht, weil mir dein Parteikollege damals sein Schippchen nicht gegeben hat.’ Werdet erwachsen!“

Nach einigem Zögern habe ich dann doch unterschrieben.

Siehe auch auf Carta:

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