#Bundespräsidentenwahl

Miroslav Wulff, Kevin Gauck und die Bundespräsidenten-WM

von , 29.6.10

Da wäre zunächst die Nominierung: Lange vorher wird spekuliert, wer wäre ein geeigneter Kandidat? Es fallen Namen, die sich realistisch betrachtet niemand wirklich im Schloss Bellevue wünschen kann. Dann kommen die Parteien und stellen ihre Kandidaten vor. Auf der einen Seite der Favorit, von dem – vergleichbar zu einem Miroslav Klose – ein ganzes Heer von nebenberuflichen Bundestrainern und Parteivorsitzenden schreit: Oh, nein, lasst den wo er ist. Sei es die Bayern-Bank, sei es die Weltbank.

Auf der anderen Seite, die Überraschung, der Underdog. Derjenige, der ja viel besser geeignet ist, aber gar keine Chance hat. Und dann geht es erst richtig los: Es wird gestritten, es wird kommentiert und gebloggt. Wer soll den Stammplatz im Schloss bekommen? Jeder will den „Spieler“ seines Vereins dort sehen. Weil es der eigene ist und weil man damit die anderen demütigen kann.

Offiziell sagt das natürlich keiner. Offiziell ist der eigene Mann bzw. die eigene Frau besser in der Lage, Deutschland zu repräsentieren und ist topfit, wenn es drauf ankommt.

Nun will jeder Gauck, so denkt man teilweise. Natürlich außer die Anhänger von Wulff. Gauck könne Denkanstöße geben, Gauck könne Vertrauen in die Politik bringen, Gauck könne gestalten. Gauck könne das sein, was die aktuelle Regierung nicht ist. Und viele vergessen, dass sie in Wahrheit eine neue Kanzlerin haben wollen, wenn sie Gauck als Präsidenten fordern. Genauso wie man einen neuen Trainer fordert, wenn man – wäre man ehrlich – doch lieber eine komplett neue Mannschaft haben will. In der der Hoffnung, die Mannschaft würde dann anders, offensiver, spielfreudiger. Man frage Hertha, Nürnberg und Bochum wie gut das bei ihnen in der vergangenen Saison geklappt hat…

Und am Ende ist es eh so: Das ganze diskutieren, argumentieren, werben: Es hilft alles nicht. Hier entscheidet der Bundestrainer nach Maßstäben, die keiner einsehen kann, dort eine Bundesversammlung, deren Zusammensetzung – ist man ehrlich – kaum ein Bundesbürger wirklich erklären kann. Und der Favorit wird wie bisher jedes Mal gewinnen, er tritt die große Reise an.

Im Anschluss reichen ihn ein paar gute Aktionen und er ist der Held. So ist das in Deutschland nun einmal: Man blickt gerne hinauf. Miroslav Klose schenkt Australien und England einen ein und alle brüllen seinen Namen. Er ist unser Held. Horst Köhler hält ein paar nette Reden und fünf Jahre nach seiner ersten Wahl, bei der die Mehrheit der Deutschen lieber seine Konkurrentin als Präsidentin gesehen hätte, wollen alle seine Wiederwahl. Was derweil Kevin Kurányi oder Gesine Schwan erreicht hätten, weiß man nicht. Apropos: Wo ist eigentlich der Odonkor?

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