#Berliner Rede

Justizministerin dämpft Verlegerhoffnungen auf “finanzielle Wunder” durchs Leistungsschutzrecht

von , 14.6.10

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat am Montagabend ihren Willen bekräftigt, ein Leistungschutzrecht für Presseverlage zu schaffen – und zugleich Hoffnungen auf hohe Einnahmen durch dieses neue Schutzrecht gedämpft. Die Verlagen sollen sich keine “finanzielle Wunder” von dem neuen Schutzrecht zu erwarten, sagte die Ministerin.

Ein Leistungsschutzrecht sei “kein Allheilmittel für die Strukturveränderungen des Marktes”, so Leutheusser-Schnarrenberger. Auf eine Veränderung der Nachfrage müsse vor allem mit neuen Angeboten reagiert werden.

“Wir wollen keine Schonräume schaffen für Geschäftsmodelle, deren Zeit abgelaufen ist”, sagte die liberale Ministerin an anderer Stelle. Der Wettbewerbsdruck, den das Internet auf die etablierte Medienwirtschaft ausübt, sei ökonomisch und gesellschaftspolitisch sinnvoll.

Die freie Verlinkung und die Zitierfreiheit dürfe durch das Leistungsschutzrecht nicht eingeschränkt werden. Ihr Ministerium wolle eine “ausgewogene Regelung”, unter der keine der betroffenen Gruppen “leide” – auch nicht die “Netzcommunity”.

Blogs und Perlentaucher-artige Aggregatoren können nach diesen Ausführungen darauf hoffen, nicht durch das neue Leistungsschutzrecht abgabenpflichtig zu werden.

Hingegen sieht es für Google und andere technische Aggregatoren nach dieser Rede eher kritisch aus. Die Ministerin sagte nämlich auch: “Es ist auch nicht fair, wenn allein mächtige Internetplattformen an Werbung verdienen, für die andere mit ihren Inhalten erst den Markt bereiten.” “Snippets”, so lassen sich die Ausführungen der Ministerin deuten, könnten nämlich in Zukunft durchaus leistungsschutzabgabenpflichtig werden.

Am 28. Juni werde das Ministerium das Leistungsschutzrecht im Rahmen einer Anhörung erörtern, kündigte die Ministerin an.

Leutheusser-Schnarrenberger suchte mit ihrer Berliner Rede am Montagabend den Spagat zwischen einem liberal verstandenen wettbewerbsneutralen Urheberrecht, dem Schutz der Urheber und der Nutzer.

Dabei zeigte die Justizministerin vor allem auch, wie sehr ihr das Thema am Herzen liegt – und wie stark sie es ins Zentrum ihrer Arbeit zu rücken gedenkt: “Das Urheberrecht war früher für wenige Spezialisten interessant, heute steht es im Zentrum der Debatten über den rechtlichen Rahmen für das Internet”, erklärte Leutheusser-Schnarrenberger zum Hintergrund ihrer Rede.

Auszug aus der Berliner Rede der Justizministerin vom 14. Juni 2010 (vollständig hier):

Wir müssen die Debatte führen, nicht ob, sondern wie wir neben dem Urheberrecht der Journalisten auch die organisatorische und wirtschaftliche Leistung der Presseverleger besser schützen. Wie so ein Leistungsschutzrecht im Detail aussehen kann, ist offen.

Allerdings: Die Rahmenbedingungen für Presseverleger im Internet betreffen zugleich die Rahmenbedingungen für die Internet-Nutzung insgesamt. Deshalb will ich sehr deutlich sagen: Es geht hier nicht darum, den Informationsfluss im Internet zu beschneiden. Es wird daher zum Beispiel kein Verbot der Verlinkung geben. Schon 2003 hat der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil klar entschieden, dass eine bloße Verlinkung keine Verletzung des Urheberrechts ist. An dieser Entscheidung wird nicht gerüttelt.

Die Möglichkeit zur freien Verlinkung ist das Fundament des Internets. Ebenso selbstverständlich ist für mich, dass auch für ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger die Schranken des Urheberrechts gelten – also vor allem auch die Zitierfreiheit. Wir wollen nicht über das Ziel hinausschießen.

Deshalb wird das Bundesjustizministerium mit allen Beteiligten eine intensive Debatte führen – mit den Verbänden der Verleger, der Journalisten und der Netzcommunity sowie allen anderen am Urheberrecht interessierten Verbänden. Wir werden sicherstellen, dass am Ende eine ausgewogene Regelung getroffen wird, bei der keine dieser Gruppen „leidet“.

Dabei muss aber auch klar sein: Niemand sollte sich von der Einführung eines Leistungsschutzrechtes für Presseverlage finanzielle Wunder erwarten. Dieses neue Schutzrecht kann kein Allheilmittel für die Strukturveränderungen des Marktes sein. Ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger bringt junge Leute nicht dazu, Zeitungen zu kaufen, und lässt Werbekunden nicht ihre Investitionsentscheidungen revidieren. Auf Änderungen der Nachfrage muss vor allem mit neuen Angeboten reagiert werden.

Die Aufzeichnung der Rede auf Carta anschauen.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.