Parteiensponsoring: Es gibt keine Entschuldigung für das Nichthandeln der Politik

von , 11.5.10

Seit Monaten reißt die Debatte um Parteiensponsoring nicht ab, zuletzt befeuert durch die Vorgänge in NRW rund um die Landtagswahl. „Man kann juristisch durchaus die Ansicht vertreten, dass die Praxis bedenklich war“ wird Andreas Krautscheid, Generalsekretär der NRW-CDU, von Spiegel Online zitiert, „damals hat man geglaubt, das gehe so; heute muss man das juristisch vielleicht anders sehen“.

Im Jahr 2000 hatte der damalige Bundespräsident Johannes Rau eine Kommission zur Prüfung der Parteienfinanzierung berufen. In ihrem Abschlussbericht vom 18. Juli 2001 stellte die Kommission fest:

„Im Übrigen empfiehlt die Kommission dem Gesetzgeber zu prüfen, ob die Vorschriften des Parteiengesetzes der Vielfalt der modernen Formen von Sponsoring und von konkreten Veranstaltungs- oder Kampagnenunterstützung gerecht werden und diese angemessen bewältigen“ (S. 16).

Vor neun Jahren wurde also bereits erkannt, dass Parteiensponsoring Reformen im Parteienrecht erfordern könnte; geschehen ist nichts.

Im Oktober 2009 veröffentlichte Bundestagspräsident Lammert einen Bericht über die Rechenschaftsberichte der Parteien und der Entwicklung der Parteifinanzen. Diesen Bericht gab es erstmals seit 2002, obwohl das Parteiengesetz (§23, Abs. 4) solche Berichte regelmäßig vorsieht. Als Grund wurde der

anhaltend hohe Arbeitsanfall[s] im Bereich der grundsätzlich mit Vorrang zu behandelnden Prüfungs-, Festsetzungs-, und Ermittlungstätigkeit“ (Hervorhebungen in den Zitaten vom Autor)

genannt; soviel zu den Ressourcen der Aufsicht über die Parteienfinanzierung in Deutschland. Als dann im Sommer 2009 auch noch eine Delegation des Europarates nachfragte, wurde man sich wohl der unzulänglichen Berichterstattung bewusst und holte diese schnell nach.

Im Bericht wird über einen Vorgang aus Bayern aus den Jahren 1998 bis 2002 berichtet, wonach ein Gebietsverband der CSU einer Druckerei Werberechte übertrug und dafür Geld erhielt (S. 41f.). Über die Verbuchung gab es wohl Streit, denn es wird von zwei Gutachten berichtet, die zum Vorgang eingeholt wurden. Erst im Juni 2009 wird der Vorgang abgeschlossen. Die wichtigste Aussage aus dem Bericht:

„Eine solche Aufspaltung geleisteter Zahlungen in einen Gegenleistungs- und einen Spendenanteil, wie sie im Übrigen auch in Fällen des sog. Sponsoring vorzunehmen wäre, wenn ein augenfälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Sponsors und der Gegenleistung der gesponserten Partei festgestellt würde, ist im Sinne einer Effektuierung des Transparenzgebots erforderlich, um in derartigen Fällen die Vereinnahmung verdeckter Spenden an eine Partei auszuschließen“.

Dieser verschachtelte Satz beweist, dass man sich seit Jahren mit den Problemen des Sponsoring auseinandersetzt. Seit Jahren wissen Bundestagsverwaltung und die Schatzmeister der Parteien, dass der Umgang mit Parteiensponsoring rechtlich kein Spaziergang ist. Zu Klarstellungen kam es nie.

Bis heute gibt es keinen Regierungsentwurf zur Reform der Parteienfinanzierung. Es entsteht der Eindruck, dass auf Zeit gespielt wird. Es wäre nicht das erste Mal.

Immerhin dauerte es 18 Jahre, bis die Parteien 1967 überhaupt erstmals (rudimentäre) Rechenschaftsberichte vorlegten, obwohl diese bereits vom Grundgesetz gefordert wurden. Die Geschichte der Transparenzpflicht der Parteien ist eine Geschichte von Parteien, die zum Jagen getragen werden müssen.

Im April mahnte Lammert einmal mehr zur Ruhe. Die Bürger sollten gerade dann nicht ruhig bleiben, wenn sich ewig nichts tut. Jetzt ist die NRW-Wahl vorbei. Der öffentliche Druck muss aufrecht erhalten bleiben.

Warum ist Parteiensponsoring so kompliziert zu bewerten? Der Unterschied zwischen Spenden und Sponsoring besteht in der Gegenleistung. Bei einer Spende erhält der Spender keine Gegenleistung (außer der Spendenquittung, die seine gegenleistungsfreie Geldüberweisung dokumentiert).

Beim Sponsoring kommt es zu Leistung und Gegenleistung. Für die Geldleistung erhält der Sponsor etwas: zum Beispiel wird sein Logo auf den Trikots einer Sportmannschaft gezeigt oder ein Bereich eines Museums oder Theaters wird nach ihm benannt. Das Komplizierte besteht in der Bewertung der Angemessenheit der Gegenleistung.

Nehmen wir an, bei einem Trikotsponsoring in Höhe von 10.000 Euro ist der materielle Gegenwert der 20 Trikots 50 Euro pro Trikot, also insgesamt 1.000 Euro. Damit hätte der Sponsor 9.000 Euro für den „Imagetransfer“ bezahlt, also dafür, dass seine potenziellen Kunden den Namen des Unternehmens auf dem Trikot sehen und eher geneigt sind, seine Produkte zu kaufen.

Wie läuft Parteiensponsoring ab? Nehmen wir an, im Vorraum des Parteitags kann der Sponsor einen Stand errichten. Die Messehalle berechnet der Partei für die Nutzung der gesamten Räumlichkeiten einen Gesamtpreis. Die Partei bietet Unternehmen an, für 10.000 Euro „Sponsor“ eines Standes beim Parteitag zu werden.

Jetzt stellt sich die spannende Frage, wie sich die 10.000 Euro Kosten aufteilen und vor allem in welchem Verhältnis? Ein Teil sind die tatsächlich anfallenden Kosten der Messehalle und ein Teil der Kosten entfällt auf den sogenannten „Imagetransfer“. Wie bemessen sich die Kosten der Messehalle oder (bei Anzeigen in Parteiblättern) der angemessene Anzeigenpreis?

Hier kann wohl nur über Marktvergleiche mit anderen Messen oder mit anderen Medien mit der gleichen Reichweite gearbeitet werden. Allerdings gilt nach wissenschaftlicher Auffassung, dass der Steuerpflichtige den Nachweis der Angemessenheit erbringen müssen. Vermutlich würde fast immer nur ein Teil der Kosten dafür aufgebracht und ein weiterer Kostenblock für den sogenannten „Imagetransfer“ verbliebe.

Erfolgt überhaupt ein Imagetransfer? Prof. Dr. Johanna Hey zeigt sich skeptisch. In der Zeitschrift DER BETRIEB von 08.07.2005 argumentierte sie in einem Aufsatz zum Parteiensponsoring:

„Bereits bezüglich der Eignung des Parteiensponsoring zur Erzielung eines positiven Imagetransfers bestehen angesichts des in der Bevölkerung eher negativen Images der großen Volksparteien Zweifel. […] Dagegen begründet die Einflussnahme auf die politischen Rahmenbedingungen, selbst wenn hiermit auch ein günstiges Investitionsklima für das Unternehmen angestrebt wird, keinen Betriebsausgabenabzug. […] Ob das Sponsoring […] einen kommunikativen Vorteil garantiert, ist m.E. eher zweifelhaft, da es schwer sein dürfte, den Versuch der politischen Einflussnahme als altruistische Maßnahme zu vermarkten“ (S. 1406).

Dass die Wissenschaftlerin vermutlich nicht unternehmensunfreundlich ist, zeigt sich daran, dass sie Gründungsmitglied des Fördervereins der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ist. Es ist bezeichnend, wenn bereits sie Probleme hat, einen Imagetransfer zu entdecken. Bestünde kein Imagetransfer, müssten Teile der Sponsoringeinnahmen der letzten Jahre als verdeckte Parteispenden gewertet werden.

Welche Zielgruppe wird durch das Sponsoring überhaupt erreicht? Im Wesentlichen werden die Parteitagsdelegierten, die Journalisten und die anderen Sponsoren erreicht, also eine sehr kleine Zielgruppe. Normalerweise wird durch Sponsoring versucht, eine möglichst große Zielgruppe zu erreichen. Daher kommunizieren Unternehmen meist recht offensiv über ihre Sponsoringaktivitäten. Ausgerechnet beim Parteiensponsoring bleibt diese Transparenz aus; der Sinn von Veröffentlichung wird geradezu auf den Kopf gestellt.

Weder in den Rechenschaftsberichten der Parteien tauchen die Namen der Sponsoren auf, noch finden sich auf den Websites der Unternehmen deutliche Hinweise auf ihr Parteiensponsoring. Führen wir den Gedankengang zu Ende: Das Unternehmen erhofft sich also von dieser kleinen Zielgruppe, dass sie nach dem Parteitag eher die Produkte oder Dienstleistungen des sponsernden Unternehmens kauft, sagt das aber anderen nicht weiter, noch veröffentlichen die Parteien dies. Spätestens an diesem Punkt zeigt sich, wie dünn der Argumentationsgrat der Befürworter des Parteiensponsorings ist.

Besonders fraglich ist die Rolle der Unternehmen, die sich zu mehr als 25% im Eigentum der öffentlichen Hand befinden. Über Beispiele hatte stern online berichtet. Nach §25, Abs. 5 PartG dürfen sie keine Spenden an Parteien leisten, aber gegen das Parteiensponsoring wurde nie etwas getan. Dabei ist das Sponsoring sogar noch attraktiver, da die Ausgaben des Unternehmens für Sponsoring von der Steuer abgesetzt werden können; bei Parteispenden ist dies verboten.

Eine unabhängige Institution der Parteienfinanzierung ist notwendig. Nur sie kann unvoreingenommen klären, ob Parteiensponsoring zulässig ist und wenn ja, in welchem Rahmen. Es wäre gut, wenn es morgen endlich losgeht; es gibt keinen Grund länger zu warten.

Dr. Christian Humborg ist Geschäftsführer von Transparency International Deutschland.

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