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Die Haushaltsabgabe als neue GEZ-Gebühr? Eine erste ökonomische Einschätzung

von , 10.5.10

ARD, ZDF und Deutschland Radio haben ein Gutachten in Auftrag gegeben, das sich mit der zukünftigen Finanzierung des öffentlichen Rundfunks auseinander setzen soll. Als Gutachter wurde Prof. Paul Kirchhof, Direktor des Instituts für Finanz- und Steuerrecht der Universität Heidelberg und Bundesverfassungsrichter a.D. ausgewählt. Damit liegt natürlich die Vermutung nahe, dass es bei der Ausrichtung des Gutachtens vor allem um juristische Fragen und weniger um ökonomische gehen dürfte. Vornehmlich aber wohl darum, welche mögliche zukünftige Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen auf Grundlage von verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben durchsetzbar ist.

Der Reformbedarf der öffentlich-rechtlichen Rundfunkfinanzierung lässt sich dabei an verschiedenen Punkten festmachen. So etwa, wie Spiegel Online argumentiert, an sinkender Zahlungsmoral und schwindender Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Systems oder aber, wie im Gutachten geschehen, an einem Zusammenspiel unterschiedlicher Gründe, wie z.B. dem technischen Fortschritt und der nötigen Konsistenz eines adäquaten Systems mit dem Europarecht und dem Grundgesetz. Aber auch aus ökonomischer Sicht lassen sich Gründe ausmachen, warum die GEZ-Gebühr reformbedürftig ist. Beispielsweise stellt sich die Frage, inwiefern eine geräteabhängige Zahlungsweise überhaupt gerechtfertigt ist, obwohl keine öffentlich-rechtlichen Inhalte konsumiert werden. Eine weitere Frage betrifft den finanziellen Aufwand, der bei der Erhebung einer Gebühr, Abgabe oder Steuer anfällt. Hier sind vor allem die hohen Kontroll- und Durchsetzungskosten zu nennen.

Der neue Ansatz, wie von Kirchhof im Gutachten dargestellt, stellt aus juristischer Sicht optimaler Weise einen Beitrag dar, der von allen Haushalten und Gewerbebetrieben entrichtet wird. Damit würde zwar eine Abkehr von der geräteabhängigen Gebühr stattfinden, allerdings müsste damit jedoch jeder Haushalt – undabhängig davon, ob eine Fernsehgerät, ein Radio oder ein Smartphone oder PC im Haushalt vorhanden ist – eine Abgabe entrichten.

Abgesehen von juristischen Argumenten, die an dieser Stelle nicht diskutiert werden sollen, ist vor allem eine ökonomische Sichtweise auf das Gutachten von Interesse. Zunächst einmal fällt auf, dass eine Haushaltsabgabe im Prinzip nichts anderes als eine Steuer darstellt, die von jedem Haushalt entrichtet werden müsste. Zwar würden die Mittel nicht – wie bei einer tatsächlichen Steuer – in den Bundeshaushalt fließen, sondern direkt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugeführt. Nichtsdestotrotz ist die Wirkung bei den privaten Haushalten und Betrieben dieselbe. Darüber hinaus wäre eine solche Abgabe noch viel weniger verursacherbezogen, als die geräteabhängige Gebühr: Unabhängig davon, ob die Mitglieder eines Haushaltes die öffentlich-rechtlichen Sender nutzen und ebenso unabhängig von der Intensität einer solchen Nutzung, müsste dennoch jeder Haushalt für die Bereitstellung (denselben Betrag) zahlen. Somit würden im Vergleich zum jetzigen System wohl deutlich mehr Konsumenten zur Kasse gebeten, die keinen bzw. nur einen geringen Nutzen durch ARD und ZDF erfahren. Eine Befreiung von der Rundfunkabgabe wäre dann auch nicht mehr möglich.

Ökonomisch effizient ist ein solches Modell aber ganz und gar nicht. Eine effiziente Lösung wäre z.B. dann zu erreichen, wenn das Signal der Öffentlich-Rechtlichen verschlüsselt würde und damit ein Ausschluss vom Konsum erfolgte. Nur derjenige, der einen Nutzen erfährt, würde auch einen Preis entrichten. Sollte dies politisch nicht gewünscht sein, könnten dennoch alternative und ebenso ökonomisch effiziente Ansätze gefunden werden. Eine durchaus erwägenswerte Lösung stellt die Überlegung dar, Wettbewerb um die Produktion sowie Ausstrahlung von Sendeinhalten zu initiieren (Fonds-Modell), die bisher den ÖR vorbehalten waren. Damit könnten die Kosten für öffentlich-rechtliche Inhalte deutlich reduziert werden. Inhalte, die sich durch Werbung finanzieren lassen, würden damit nicht mehr in den Bereich der öffentlich-rechtlichen Inhalte fallen und könnten dem Markt überlassen werden (was wohl auch bezüglich der Beihilfeproblematik vorteilhaft wäre). Lediglich Sendungen, die nicht durch Werbung finanzierbar sind oder aber durch eine besondere Informationspflicht gekennzeichnet sind, würden dann noch als öffentlich-rechtliche Inhalte gelten. Die Produktion dieser Sendungen würde dann zwar bestimmten Auflagen unterliegen, könnten aber dennoch – etwa über Ausschreibungen – wettbewerblich organisiert werden. Die dafür fällige Gebühr würde aber aufgrund geringerer Kosten ebenfalls deutlich geringer ausfallen. Mögliche Verzerrungen bei ineffizienter Erhebung der (z.B. aktuellen geräteabhängigen) Gebühr würden viel weniger ins Gewicht fallen. Die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Systems würde wohl steigen.

Eine Festschreibung der aktuellen Gebühren durch die Einführung eines Abgabenmodells geht jedoch in die entgegengesetzte Richtung. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass klassische Rundfunkmedien wohl in Zukunft noch mehr an Bedeutung verlieren werden. Die üblichen Argumente für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk können damit noch weniger überzeugen als heute schon. Warum also die Einnahmen auf dem aktuellen hohen Niveau zementieren und als Quasi-Steuer durchsetzen? Warum nicht gleich nach einer flexibleren und effizienten Lösung suchen, die sich an neue Rahmenbedingungen anpassen lässt?

Ein geringer positiver ökonomischer Effekt wäre bei dem angedachten Modell aber dennoch möglich. Ist die Zahl derjenigen, die von der Abgabe befreit sind gering, so sollte der Verwaltungsaufwand des neuen Modells ebenfalls gering ausfallen. Damit könnte ein nicht unwesentlicher Teil der Aufwendungen für den aktuellen GEZ-Apparat eingespart werden, was ebenso die Abgabe verringern könnte. Genau dies ist jedoch im Gutachten nicht vorgesehen. Ganz im Gegenteil: Die Abgabenhöhe soll „der gewohnten Last“ entsprechen darüber hinaus möglichst „im gleichen Euro- und Centbetrag“ liegen. Die Reduktion der Kosten steht also erst gar nicht zur Debatte. Vielmehr stünde den Öffentlich-Rechtlichen sogar mehr Mittel zur Verfügung, wenn ein Teil der Verwaltungskosten eingespart werden könnte und dieser Teil dann den Sendern zugeführt würde.

Eine Haushaltsabgabe wie im Gutachten dargestellt, mag aus verfassungsrechtlicher Sicht durchaus angemessen sein, einer – wenn auch nur oberflächlichen – ökonomischen Analyse hält sie jedoch nicht stand.

Ralf Dewenter hat diesen Beitrag für Carta und sein M-Blog geschrieben.

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