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BGH-Entscheidung: Jetzt seid ihr gekniffen, Verleger

von , 30.4.10

In der gestern veröffentlichten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (I ZR 69/08) (BGH) ging es um Bilder, die eine Künstlerin auf einer Webseite veröffentlicht hatte. Im Februar 2005 fand sie ihre Werke in der Google-Bildersuche als Thumbnails wieder. Daraufhin klagte sie gegen Google auf Unterlassung. Bereits in den Vorinstanzen war die Klägerin gescheitert. Nun hat der BGH letztinstanzlich die Revision abgewiesen.

Noch liegt die ausführliche Begründung der Entscheidung nicht vor. Doch aus der Mitteilung des Gerichts lassen sich drei Argumentationslinien ablesen:

1. Google durfte aus dem Verhalten der Künstlerin schließen, “diese sei mit der Anzeige ihrer Werke im Rahmen der Bildersuche der Suchmaschine einverstanden. Denn die Klägerin hat den Inhalt ihrer Internetseite für den Zugriff durch Suchmaschinen zugänglich gemacht, ohne von technischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um die Abbildungen ihrer Werke von der Suche und der Anzeige durch Bildersuchmaschinen in Form von Vorschaubildern auszunehmen”. Soll heißen: Wer nicht via Google gefunden werden will, kann dies durch einen einfachen Eintrag in der Robots.txt-Datei verhindern. Wer dies unterlässt, signalisiert aus Sicht des BGH sein “konkludentes Einverständnis”.

2. Der Hinweis, bei Google handele es sich um einen “Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft“, begründet einerseits eine Haftungsbeschränkung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Diese Haftungsbeschränkung definiert, es handele sich erst dann um eine Rechtsverletzung, wenn der Anbieter Kenntnis von der Rechtswidrigkeit hat und dagegen nichts unternimmt. Etwa, wenn ein Dritter Inhalte ohne Erlaubnis des Urhebers veröffentlicht und der Plattformbetreiber diese auf Hinweis nicht entfernt. Vielmehr ist dies auch als Bedeutungszuschreibung durch den BGH zu verstehen: Die größte Suchmaschine erfülle eine “übergeordnete Ordnungsfunktion”, wie Dr. Carsten Ulbricht von der Kanzlei Diem & Partner formuliert. Vulgo: Google ist einfach zu wichtig, um prozessual vom Urheberrecht belästigt zu werden.

3. Dass die Werke der Künstlerin in der Bildersuche nur als “Vorschaubilder” zu sehen waren, betont die Mitteilung auffallend häufig. Damit geht der BGH wohl davon aus, dass reduzierte Inhalte rechtlich anders zu bewerten sind als Originale.

Die Folgerung: Die Logik der BGH-Entscheidung konterkariert Verleger-Argumente

Es handelt sich bei dem zu beurteilten Vorgang zwar um einen Einzelfall. Doch Entscheidung und Begründung durch den BGH haben wegweisende Bedeutung. Denn die zugrunde gelegte Logik trifft “alle bisherigen Funktionen von Google”, bestätigt Professor Thomas Hoeren, Leiter der zivilrechtlichen Abteilung am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht gegenüber iBusiness auf Anfrage. Und unter “alle bisherige Funktionen” fallen auch die Textzusammenfassungen (Snippets) von Zeitungsartikeln bei Google, die gemeint sind, wenn Verleger lauthals von “Diebstahl” jammern. Verleger und ihre Verbände haben ja bislang damit argumentiert, dass es sich um eindeutige Rechtsverletzungen handele, und die Suchmaschine sie an den Einnahmen aus Werbung beteiligen müsse (‘fair share’). Nach der BGH-Entscheidung laufen diese Verleger-Argumente ins Leere.

Denn auch bei den Snippets handelt es sich um reduzierte Inhalte – der komplette Artikel wird nicht auf der Ergebnisseite von Google gezeigt. Die Ordnungsfunktion der Suchmaschine ändert sich ohnehin nicht durch die Art der angezeigten Zusammenfassungen oder Vorschaubilder.

Durch Suchmaschinenoptimierung wird Einverständnis proaktiv mitgeteilt

Insbesondere verhindern auch gerade Verlage von Zeitungen und Zeitschriften die Indizierung ihrer Inhalte nicht durch entsprechende Einträge in ihren Robots.txt – im Gegenteil: Die allermeisten Verlagsportale betreiben aktive Suchmaschinenoptimierung. Dies müsste nach der Logik der BGH-Entscheidung ein ‘konkludentes Einverständnis’ gleich doppelt begründen. Schließlich wird durch SEO das Einverständnis nicht nur konkludent, stillschweigend mitgeteilt, sondern proaktiv. Begehrlichkeiten aus dem Urheberrecht zu begründen, dürfte Verlegern daher künftig im Fall Google extrem schwer fallen.

Sollte Google darüber hinaus für Inhalteanbieter eine einfache Opt-out-Bekundung schaffen (“Nein, ich will nicht gefunden werden”), werden nachträgliche Klagen gänzlich aussichtslos, fürchtet wiederum Dr. Ulbricht. Der Fachanwalt für Internet-, Urheber-, Marken-, Wettbewerbs- und Datenschutzrecht kritisiert die BGH-Entscheidung: Hier werde durch das Gericht Recht geschaffen, statt es auszulegen. Daher sei die Politik, die Legislative gefragt, “die hierfür entsprechende Regelungen einführt, die insoweit Klarheit schaffen”, fordert der Jurist.

Beim BITKOM sieht das der Bereichsleiter Medienpolitik, Dr. Guido Brinkel, völlig anders: “Die Praxis von Suchmaschinen, auf frei verfügbare Artikel im Netz unter Nutzung von Snippets zu verlinken, ist im übrigen vollständig vom geltenden Urheberrecht gedeckt, weshalb es dazu keiner Klarstellung des BGH bedarf.”

Die Verleger-Argumentation von der räuberischen Suchmaschine war immer schon eine Hilfs-Argumentation, um in der Berliner Politlandschaft an Einfluss zu gewinnen. Jetzt schlägt das BGH den Lobbyisten diesen Hebel aus der Hand.

Denn egal wie eine mögliche Snippet-Entscheidung vor oberen deutschen und europäischen Gerichten ausfallen würde: Von einer eindeutigen Rechtsposition gegen die Google-Praxis sind die deutschen Verleger so weit entfernt wie noch nie. Und deswegen werden die Verlags-Lobbyisten seit gestern noch mehr Probleme haben als bislang, in der Regierungskoalition willfährige Gesetzesschusterer für ein verlagsfreundliches Spezialgesetz zu finden.

Dieser Text stammt aus iBusiness, einem von uns sehr geschätzten Fachinformationsdienst der Internet- und Multimedia-Branche. Carta freut sich diesen Text in Rahmen einer weitergehenden iBusiness-Kooperation seinen Lesern hier präsentieren zu können.

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