Die Netzdebatte leidet am Deutschen Idealismus

von , 7.4.10

Nikolaus Huss hat auf KoopTech einen lesenswerten (wenn auch teilweise etwas wirren und unscharf überdrehten) Beitrag zur Debatte um die zukünftige Struktur der Netzkommunikation veröffentlicht. Danach gehe es in der deutschen, maßgeblich von Markus Beckedahl beeinflussten Debatte vor allem darum, am paradiesischen, quasi geldlosen “Geburtszustand” des Internets festzuhalten. Aus einer idealistischen Perspektive werde diskutiert, wie man das Netz noch besser machen könne – während die Macher in den USA längst andere Modelle gestalten würden. Die Debatte hierzulande versuche zu sehr eine alte Netzstruktur zu bewahren, statt sich zu fragen, wie eine sinnvolle Ökonomie eines Netzes im Jahres 2020 aussehen könnte:

In der momentanen Debatte über die Zukunft des Netzes reden Unschuldslämmer wie Markus Beckedahl gerne von Netzneutralität, featuren Open-Source und Open-Data. Und das ist auch gut so, weil neue Ideen eine Debatte immer befruchten. Nur sollten wir die neuen Ideen immer wieder mal auf die realen Zustände beziehen. Und ein bißchen kommt es mir dabei so vor, als wenn gerade die deutschen Debattenteilnehmer, quasi vom Tribünenplatz aus darüber reden, wie schön das Spiel ist, das dort unten auf dem Platz getrieben wird. Welche guten Ideen sie hätten, um dieses Spiel noch viel besser zu machen. Und über diese Zuschauerideen reden sie. Ohne tatsächlich mit den Machern zu reden. Und darin liegt das Problem. Alle paradiesischen Zuschauerbertrachtungen aus der deutschen Netz-Community leiden im Sinne des Deutschen Idealismus daran, dass sie auf der Ebene der Ideen verhaftet bleiben. Und dass es erst einen Marx braucht, der dieses Ideen vom Kopf auf die Beine stellt. Und der, Grüß Gott, Globalisierung, auch darüber redet, wie, wenn die Welt auf die Beine gekommen ist, der Deutsche Teil der Welt seinen Wertschöpfungsanteil daran abbekommt.

Zur Kulturflatrate schreibt Huss in diesem Zusammenhang:

Noch ein Wort zu dem vor allem von Grünen geliebten Modell der Kulturflatrate. Ich finde es lobenswert, dass man zu dem Thema ein Gutachten macht. Dass man diese Idee ins Gespräch bringt. Denn das Neue muss in die Welt. Bedenklicher finde ich, wie unreflektiert die Kulturflatrate immer wieder auf Rattenfang geht. Das klingt so schön. Man zahlt einmal. Und dann ist alles für Umme. Aber wir als refektierte Modernisierer wissen doch längst, dass alles was kostet. Und so ist es für uns kein Problem, auch bis zu dem Punkt zu denken, an dem es darum geht, wie die Kulturflatrategelder wieder ausgegeben werden. Und da kommen dann in der irdischen Welt so Dinge wie GEMA ins Gespräch. Hat sich schon einmal ein Mensch Gedanken darüber gemacht, wie das ist, wenn eine Bürokratie ein Bezahlmodell für alle entwickeln will? Oder gar die Politik? Wollen wir das wirklich. Oder soll man da noch das Wort Kopfpauschale und Gesundheitsfonds in die Runde werfen, um die paradiesischen Traumwelten mal etwas zu erden. Die Einführung einer Kultur- oder Musikflatetrate für alle auf Zwangscharakter würde, ganz wie der Gesundheitsfonds, ein Modell etablieren, in der über Funktionäre, kaum kontrollierte Dritte und ähnliche marktferne Teilnehmer, die ihre Entscheidungen nach ganz anderen kurzfristigen Interessen treffen, über die Bezahlung unserer gesamten Kulturwelt entscheiden würden. Wollen wir das? Nein!

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