#Die Grünen

Trüpel: ‘Digital rights fair trade’ ist vielleicht die bessere Kulturflatrate

von , 19.2.10

Frau Trüpel, Sie haben sich am Montag auf einer eigenen kulturpolitischen Veranstaltung von der Idee einer Kulturflatrate distanziert. Die Idee habe “konzeptionelle Schwächen” und sei  “unausgereift”. Im letzten Jahr hatten Sie sich selbst einmal in einem Carta-Beitrag für ein solches Modell ausgesprochen. Wie kommt`s?

Ja, es ist richtig. Ich habe im letzten Jahr mit grünen Kollegen aus EP und Bundestag eine Studie zur rechtlichen Machbarkeit einer Kulturflatrate in Auftrag gegeben, die zu dem Schluss kam, dass durch eine Schrankenausweitung des Urheberrechts eine solche Flatrate juristisch machbar wäre. Was die Studie nicht geleistet hat, war festzustellen, wie hoch diese Flatrate sein müsste, um das Runterladen von Kulturinhalten aus dem Netz angemessen zu bezahlen. Wir haben die Flatrate Kulturflatrate genannt, aber bis jetzt ist unklar, welche digitalen Inhalte von ihr betroffen sein sollen. Nur Musik, oder auch Film, Bücher, und andere digitalisierbare kulturelle Inhalte.

Wir haben die Studie zur juristischen Machbarkeit einer Kulturflatrate mit dem Ziel in Auftrag gegeben, einen fairen Ausgleich zwischen den Verbraucherinteressen auf leichten Zugang zum Netz, auf faire Bezahlung der Produzenten von kreativen Inhalten im Netz und auf Informationsfreiheit zu finden.

Zwangsenteignung durch illegales Up- und Downloaden kann aus meiner Sicht nicht der richtige Weg in einer Wissensgesellschaft sein und in einer Gesellschaft, die kulturelle Vielfalt aufrechterhalten und fördern will. Also suche ich nach Wegen, wie datenschutzrechtlich unbedenklich neue Modelle für das Runterladen von legalen Inhalten zu fairen Preisen für Nutzer und faire Bezahlung für Kreative und Verwerter gefunden werden können. Das bedeutet aber auch, nicht den Weg in den Überwachungsstaat zu beschreiten. Ich lehne das französische Hadopi-Gesetz ab, da ich es als viel zu weitgehend und als Eingriff in das Grundrecht auf Informationsfreiheit ansehe, denn der Three-Strikes-Ansatz sieht in dritter Instanz ein Kappen des Internet-Zugangs im Schnellverfahren vor.

Mein politisches Interesse zielt darauf, ein politisch unzensiertes Netz zu haben, für den Download von Kulturinhalten angemessen zu bezahlen und falsche Überwachungsmaßnahmen zu verhindern.

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Grüne EU-Abgeordnete Trüpel: Daten kann man natürlich klauen

Die Flatrate weist aus meiner Sicht viele offene Fragen auf: Wir haben nicht eindeutig geklärt, ob sie nur für Musikdownloads gelten soll, oder auch für andere Branchen. Nach allen Umsatzzahlen der Musik- und Filmindustrie sowie des Buchmarkts habe ich nicht den Eindruck, dass man mit einer geringen Gebühr von 5 oder 10 Euro für bisher illegale Downloads die entstehenden Kosten angemessen bezahlen könnte. Offensichtlich würde – auch wenn noch keine Zahlen vorliegen – die Summe, die man für alle Breitband-Besitzer festlegen würde, viel höher sein, so dass ich die politische Akzeptanz von einer gesetzlich geregelten Kulturflatrate nicht sehe. Deswegen muss aus meiner Sicht auch geprüft werden, welche anderen Modelle für “digital rights fair trade” sich anbieten. Im Moment tut sich einiges auf dem digitalen Markt, es gibt neue Geschäftsmodelle der verschiedenen Kulturbranchen – insbesondere bei Musik, Film und Büchern – die neue, legale Download-Angebote schaffen. Da sind freiwillige Flatrates durchaus denkbar.

Politisch muss aus meiner Sicht geregelt werden, dass es im Musikmarkt wirklich wieder einen funktionierenden Wettbewerb gibt und nicht nur Monopole mit Mainstream-Repertoire. Man muss überlegen, ob nicht auch Internet Service Provider, die sehr stark verdient, aber die Künstler nicht angemessen beteiligt haben, zu einer Abgabe an kreative Produzenten gezwungen werden sollen, um Künstler angemessen an Downloads zu beteiligen. Auf europäischer Ebene steht an, sich über eine Neuregelung des Vertragsrechts zu verständigen, um Künstler besser zu bezahlen und Buy-Out-Verträge zu beenden.

Aus meiner Sicht ist zentral, dass es neue, faire Angebote für Verbraucher und Künstler geben soll. Dazu müssen neue Geschäftsmodelle her und eine gute Regulierung des Marktes durch die Politik.

Die grüne Debatte wird sich weiter sowohl um die Machbarkeit und Höhe einer gesetzlich geregelten Pauschalabgabe kümmern, als auch um Alternativen zu diesem Ansatz.

Im Rahmen von “digital rights fair trade” sollen Internetprovider “Künstler” “angemessen” vergüten. Damit stellt sich doch auch hier das Abgrenzungsproblemen: Wer ist Künstler? Was ist angemessen?

Eine Idee im Rahmen von „digital rights fair trade“ ist, über einen gesetzlich geregelten Kontrahierungszwang dazu zu kommen, dass auch Internet Service Provider zur Finanzierung kultureller Inhalte beitragen. Die Höhe der Abgabe auf urheberrechtlich geschützte Inhalte müsste eine Instanz aus Inhalteindustrie und Verwertungsgesellschaften aushandeln. Die Idee ist noch nicht ausgereift, muss aber im Kontext der Aufgabe, wie man kreative Inhalte in der digitalen Welt bezahlt, weiter geprüft werden.

Ist “digital rights fair trade” eine freiwillige Maßnahme, ein Label oder ein Ansatz, die Preise für digitale Kreativgüter staaatlich/institutionell festzulegen? Wie könnte man sich überhaupt darüber einigen, was fair ist?

„Digital rights fair trade“ beschreibt den politischen Ansatz, mit neuen Business-Modellen, Marktregulierung und politischen Regulierungen wie der Reform des Urheberrechts und des Vertragsrechts zu einem fairen Ausgleich der Interessen zwischen Verbrauchern, Inhalteindustrie und Kreativen zu kommen. Es ist gerade nicht nur ein staatliches Modell, sondern eines der Marktregulierung.

Illegale Downloads nennen Sie eine “Zwangsenteignung”. Sollte man Urheberrechtsfragen nicht lieber ohne Eigentumsmetaphern diskutieren? Daten kann man schließlich nicht klauen, wie wir spätenstens seit der Steuer-CD wissen.

Wenn Kreative nicht mehr für ihre kreativen Produkte angemessen entlohnt werden, weil gegen ihren Willen ihre Werke hoch- und runtergeladen werden, ist das nicht im Interesse der Kreativen. In diesem Sinne kann man Daten – digitale Kulturinhalte – natürlich klauen. Der Begriff der Piraterie meint ja gerade, dass man sich Dinge/Daten aneignet, die einem nicht gehören. Der politische Streit zwischen Piraten und Anti-Piraten geht nur darum, ob man das gut heißt oder nicht.

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