#Angela Merkel

Kritik an Merkels Führungsstil: Warum erst jetzt?

von , 12.1.10

Angela Merkel ist zögerlich, versteckt sich hinter anderen, hat Angst zu führen. Das kann man derzeit überall nachlesen. Kaum eine Zeitung, kaum ein Politik-Blog, im dem es nicht entsprechende Kommentare gibt. Einige davon unterscheiden sich kaum von dem, was die Opposition über die Kanzlerin sagt. Das Ganze wirft zwei Fragen auf: Ist Merkels Führungsschwäche eine Neuigkeit? Und wenn nein, warum kommt das Thema erst jetzt hoch?

Welt Online nennt es ein „Loch in der Mitte“. In der Süddeutschen liest man: „Man sucht diese [Merkels] Handschrift – und findet an deren Stelle nur drei Kreuze.“ Die Financial Times Deutschland verweist darauf, dass Merkel Antworten schuldig bleibe und Michael Spreng schreibt – auch hier: „Das Problem mit Angela Merkel ist, dass sie so ist wie sie ist!“ Klar, die Aussagen einiger CDU-Spitzenpolitiker in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung waren eine Steilvorlage, dem einem Medienhype nahekommenden Rummel um die „konturlose Kanzlerin“ (FR) haben diese Aussagen jedoch nicht alleine verursacht.

Angela Merkel ist seit 2005 Bundeskanzlerin. Merk(e)lich von ihrer Richtlinienkompetenz gebraucht gemacht hat sie in dieser Zeit nie. Das empfinden sicherlich auch die meisten Kommentatoren so. Daher scheinen sich die Autoren gemeinhin auf einen Kunstgriff verständigt zu haben: Merkels Führungsstil war für eine Große Koalition gut und angemessen, ist aber falsch für Schwarz-Gelb.

Diese Aussage grenzt jedoch schon fast an Geschichtsverklärung. Erinnert sich niemand mehr daran, dass eigentlich keiner die große Koalition wollte? Dass die große Koalition nie wirklich eine Richtung erkennbar machte? Wo war das große Ziel der Regierung, auf welche Entscheidungen konnte der Bürger sich verlassen? Opel retten, Karstadt-Quelle nicht, Haushalt sanieren und die größten Schulden der Bundesrepublik erzeugen… Erinnert sich keiner mehr daran, dass vor allem in der Schlussphase mehr Wahlkampf als Regierungsarbeit spürbar war? Dass man nie wusste, ob sich SPD oder CDU oder CSU mit ihren Forderungen durchsetzten? Wo war ausgleichende, passende Führungsarbeit?

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Angemessen geführt? Merkel-Anhänger im Wahlkampf (Foto: Carta)

Schweigen, die Meinung hinterm Zaun halten, Entscheidungen im Hinblick auf Meinungsumfragen treffen. Das ist generell auf Dauer kein guter Politikstil, egal mit welchen Koalitionspartnern. Das bedeutet freilich nicht, dass man Meinungen nicht sorgfältig abwägen sollte. Aber jeder Volksvertreter sollte dem Volk seine Meinung schuldig sein, auch wenn es nur ein erster Eindruck ist, den man später aufgrund weiterer Erkenntnisse revidieren kann. Das hängt nicht von der Stärke des Koalitionspartners ab.

Alles andere – schweigen, verheimlichen, zögern – wird nicht nur als Zeichen von Schwäche ausgelegt, sondern führt in die Politikverdrossenheit. Es ist nicht nur an den Bürgern, sich für Politik zu interessieren, sondern auch an den Politikern, Politik interessant und transparent zu gestalten. Auf dieser Schiene versagt Angela Merkel jedoch völlig und das eben nicht erst seit Schwarz-Gelb. Die niedrige Wahlbeteiligung im Herbst ist von ihrem Politikstil durchaus mit verschuldet.

Warum flammt die Kritik also erst jetzt auf? Die Union mag es beruhigen, denn sie darf die Schuld einmal mehr bei den Sozis suchen. Vorher haben sich die Medien in Deutschland, aber auch jeder Stammtisch, auf die SPD eingeschossen. Das ging jahrelang und die Sozialdemokraten taten ihr Bestes, sich in diesem für sie unschönen Gespräch zu halten. Nun aber wurde die SPD bei der Bundestagswahl drastisch abgestraft (auch aufgrund der kritischen Berichterstattung) und sitzt auf den Oppositionsbänken. Man gibt ihr nun etwas Zeit, sich zu berappeln. Zwar läuft noch immer einiges nicht rund, aber das Thema ist irgendwann einfach überstrapaziert, das will keiner mehr hören.

Also ziehen die notorischen Nörgler, sachlichen Kritiker und ängstlichen Mahner weiter. Und sie erinnern sich, da war doch was: Eine Kanzlerin, von der man nie etwas hört – Angela Merkel, die Führungsschwache. Neuerdings. Zum Glück für sie ist das erst nach der Wahl.

Dass die Kanzlerin zu der ihr entgegengebrachten Kritik schweigt, verwundert nicht. Aber seien wir ehrlich: Alles andere hätte uns nun auch vollkommen aus dem Konzept gebracht!

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