#Andrea Beyer

Welche Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist sinnvoll?

von , 7.1.10

Seit geraumer Zeit kommen die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht mehr aus den Schlagzeilen: Die aktuellen Skandale der Öffentlich-Rechtlichen, die Diskussionen um den Drei-Stufen-Test, die Aufregung um die Einführung eines Smart-Phone Apps, die immensen Kosten der Programmerstellung und die damit verbundene inhaltliche Ausrichtung sowie die immer wieder neuen Überlegungen zur Anpassung GEZ-Gebühr bieten dabei genügend Diskussionsgrundlage.

Einige der genannten Gründe werden auch regelmäßig angeführt, um über eine grundlegende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nachzudenken. Dabei fallen vor allem die mehr als 7 Mrd. Euro ins Auge, die von den Anstalten jährlich ausgegeben werden und damit als die höchsten Ausgaben eines öffentlich-rechtlichen Systems überhaupt gelten. Weitere Gründe finden sich in einer sich veränderten Rundfunklandschaft. So stellen Ausschließbarkeit und knappe Frequenzen heutzutage kein Problem mehr dar. Im Gegenteil, bedingt durch die Digitalisierung lassen sich Inhalte problemlos verschlüsseln, wodurch sich das Ausschlussprinzip ohne Weiteres anwenden lässt. Und auch wenn kein Ausschluss am Rezipientenmarkt stattfindet, so findet dieser sicherlich am Werbemarkt statt. Bedingt durch die Zweiseitigkeit der Rundfunkmärkte besteht häufig auch kein Anreiz zum Ausschluss der Rezipienten. Und auch Programmplätze sind ebenso kein wirklicher begrenzender Faktor mehr.

Viele der Gründe, die zu der aktuellen Form des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland geführt haben, sind also nicht mehr vorhanden. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass keine Begründung mehr für die Existenz des dualen Systems existiert. Die Frage ist nur: Ist das aktuelle System immer noch zeitgemäß? Diese Frage verneinen Hanno Beck und Andrea Beyer in einem gemeinsamen Beitrag und greifen eine Idee von Jörn Kruse zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wieder auf. In ihrem Beitrag schlagen die Autoren vor, die Mittel für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einem Fonds einzustellen und mit diesem Fonds öffentlich-rechtliche Programminhalte zu finanzieren. Um die Mittel des Fonds können sich nun grundsätzlich alle Rundfunkanbieter bewerben, um damit die entsprechenden Inhalte zu produzieren. Damit würden Private und Öffentlich-Rechtliche in Wettbewerb um die Inhalte zu einander treten. Nach einer „Qualitätskontrolle“ würden dann die Mittel vom Fonds vergeben.

Die Autoren argumentieren, dass es auf diese Weise zu mehr Wettbewerbsneutralität der öffentlich-rechtlichen Inhalte käme, da jedes Unternehmen (wie bei einer öffentlichen Ausschreibung) den Auftrag erhalten könnte. Weiterhin werden positive Effekte bezüglich der Kosteneffizienz und der qualitätswirksamen Anreize gesehen. Auch mehr Trennschärfe von öffentlich-rechtlichen Inhalten (nur bestimmte Inhalte werden finanziert) und eine geringere staatliche Einflussnahme wäre möglich.

Auch problematische Gründe, wie etwa die Sendeplatzwahl, die Kompatibilität mit der bestehenden Rechtsprechung müsste geprüft werden. Und ebenso die Frage, ob die jetzigen Öffentlich-Rechtlichen dann auch kommerzielle (also am Werbemarkt finanzierbare) Angebote erstellen dürften (was ja jetzt schon geschieht) und stärker am Werbemarkt teilnehmen dürften, wäre eine kritische.

Insgesamt enthält der Vorschlag aus meiner Sicht einige interessante Ansätze. Die Möglichkeit, Wettbewerb um die Inhalte zu schaffen, ist aus ökonomischer Sicht extrem reizvoll. Die Kosten könnten deutlich reduziert werden und eine Vermischung von Inhalten, die öffentlich-rechtlichen Bezug haben mit Inhalten, die auch ohne Probleme vom Markt bereitgestellt werden, könnte verhindert werden. Dennoch wirft die Organisation des Fonds noch einige Fragen auf. So ist die Gestaltung des Fonds, bzw. des Entscheidergremiums, das die Aufträge dann vergibt, absolut sensibel. Dieses Gremium müsste möglichst unabhängig über die Vergabe entscheiden und damit sowohl unabhängig von den Öffentlich-Rechtlichen und Privaten als auch unabhängig von politischen Interessen sein. Diese Unabhängigkeit gilt es in jedem Falle zu gewährleisten, um die Gefahr einer möglichen Einflussnahme zu minimieren.

Neben der Unabhängigkeit stellt sich jedoch ein weiteres und wohl weitaus gravierenderes Problem. Mit (bzw. vor) der Entscheidung über die Vergabe der Aufträge wird auch die Entscheidung darüber getroffen, welche Inhalte überhaupt aus dem öffentlich-rechtlichen Fonds finanziert werden sollen. Eine Finanzierung von Fußballübertragungen, von Daily-Soaps, Quiz-Shows, Gerichtsshows usw. fällt wohl kaum in den Bereich des Fonds. Alle diese (und andere Sendungen) werden tagtäglich über den Markt bereitgestellt. Auch ist eine öffentlich-rechtliche Erstellung nicht notwendig, um Verzerrungen in der Meinungsvielfalt zu verhindern.

Es wäre also vorab schon einmal grundsätzlich zu überlegen, was überhaupt dem Programmauftrag entspricht bzw. entsprechen sollte und welche Inhalte grundsätzlich von den Öffentlich-Rechtlichen erstellt werden sollten. Ist diese Entscheidung erst einmal getroffen (oder überdacht worden), so würden damit eine Reihe der aktuellen Probleme schon im jetzigen System gelöst. Es würde damit zwar noch nicht mehr Kosteneffizienz geschaffen und auch die politische Einflussnahme wäre damit nicht gesichert. Mehr Wettbewerbsneutralität als auch eine bessere Trennschärfe zwischen öffentlich-rechtlichen Inhalten und privaten wären aber mit dieser einfachen Maßnahme wohl jetzt schon zu erreichen.

Dieser Beitrag von Ralf Dewenter erschien zuerst im M-Blog der TU Ilmenau. Crossposting mit freundlicher Genehmigung.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.