Mehr Schulden, mehr Risiko: wie Politik die Krise verschiebt

von , 13.12.09

“Promising to be virtuous, but not now is a perilous balancing act for policymakers.” Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel gilt als  Zentralbank der Zentralbanken, eine der wenigen weitgehend unabhängigen Institutionen der Finanzwelt. Hervé Hanoun, General Deputy Manager, hat letztens klare Worte zu den bisherigen Massnahmen der Regierungen gegen die Finanzkrise gefunden:

“The leverage-led growth model – a combination of excessive leverage in the financial system, overindebtedness of households, low interest rates and global imbalances – was at the heart of the crisis. But the paradox is that the policies that have been adopted to remedy the crisis consist, all in all, of even more of the same: borrowing, debt, leverage.”

Hanoun zeigt, wie Staaten und Zentralbanken im Moment der Krise nicht etwa gegen die riskanten Geschäftsmodelle der Banken eingeschritten sind. Im Gegenteil, es wurde alles getan, um deren Finanz-Praktiken am Laufen zu halten, nur eben mit staatlicher Unterstützung nach dem Ausfall des Konsumenten als Schuldenmacher. “Overall, taking decelerating private debt and accelerating public debt together, major economies are still leveraging up.”

Das größte Problem besteht nun darin, wieder zur “Normalität” zurückzukehren. “Exiting from unconventional monetary policy is necessary to make clear that the unconventional will not become the new normal. The sooner the exit, the better.” Hanoun warnt die Banken eindringlich davor, auf staatliche Dauerhilfen vertrauend beim Business-as-usual zu bleiben: “Some banks don’t seem to ‘get it’, and are still promising returns on equity of 20% or above to their shareholders.” Tatsächlich besteht für die Banken, nachdem sie die Staaten einmal zu den Milliardenhilfen genötigt haben, kein Grund, irgendwelche Abstriche zu machen. Sie haben sich den “unkonventionellen Maßnahmen” hervorragend angepasst und betrachten sie längst als die neue Normalität.

Indirekt gesteht Hanoun ein, dass sich im Verlauf der Krise wesentliche Koordinaten des Wirtschaftslebens verändert haben, wenn er schreibt: “Market participants should be under no illusion that we are entering into a new permanent accommodative monetary policy regime in which central banks would be able and willing to control the entire length of yield curves as well as credit spreads and  mortgage  rates.”

Wenn langfristige Zinsen nicht mehr an Märkten ausgehandelt, sondern von Zentralbanken gesetzt werden, und wenn Staaten Finanzspekulanten dauerhaft vom Risiko freikaufen, ist der Kapitalismus wie wir ihn kannten passé. Wir treten in eine neue Phase ein, deren nächste Opfer nur die Staaten selbst und ihre Souveränität über das Geld sein können. Soweit will es Hanoun nicht kommen lassen, aber auch er sieht die grösste Gefahr darin, dass es der Politik nicht gelingen wird, sich gegen die Wünsche der Banken durchzusetzen. “The biggest risk to long-term financial stability and sustainable economic growth would be if the regulatory reform of banks’ capital and leverage were sidetracked.”

Genau danach sieht es allerdings aus. Heerscharen von Bank-Lobbyisten haben die Gesetzgeber in den USA so weich geklopft, dass alle wesentlichen regulatorischen Beschränkungen praktisch gefallen sind. Wie das im Detail geht, hat Mike Konczal beschrieben: How to Kill OTC Derivatives Reform in two Sentences. Die Lage in Deutschland ist kein Stück besser. Schon freut sich Deutsch-Banker Josef Ackermann, das es hierzulande keine Sondersteuern auf Boni geben wird. Dabei gehört er genau zu den Bankern, die es laut Hanoun “nicht kapieren”: die ihren Kunden weiterhin mehr als 20% Rendite versprechen und vor keinem Risiko zurückschrecken.

vor keinem Risiko zurück schrecken,
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