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GEZ-Gebühr: Schlagzeilen-Bingo auf dem Boulevard

von , 28.10.09

Die GEZ-Gebühr soll reformiert werden. Für medienpolitische Beobacher kommt das nicht überraschend. Die Ministerpräsidenten ringen darüber seit Jahren. Nun werden die Beratungen offenbar konkreter. Und die Qualitätsmedien werfen aufmerksamkeitstüchtig die Schlagzeilenmaschinerie an. GEZ klickt. Denn die Gebühr ist hochgradig unpopulär, gerade bei den unter-40-Jährigen.

Auch Rivva bildet die Aufregung über die Gebühren ab:

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TV-Gebühren klicken: Rivva heute um 14.40 Uhr

Das Handelsblatt titelt: Der GEZ-Gebühr droht das Aus. Diese Überschrift der angesehenen Wirtschaftszeitung suggeriert das Falsche und ist inhaltlich einfach schlicht falsch. Dem Leser wird nahegelegt: Demnächst gibt es möglicherweise keine Gebühr mehr, die von der GEZ eingetrieben wird. Genau das wird aber nicht der Fall sein.

Egal, ob die Haushaltsabgabe kommt oder es bei der Geräteabgabe bleibt, am Ende wird beides von der GEZ eingetrieben werden müssen (anders als es der geschätzte Hans-Peter Siebenhaar schreibt). Die Gebühren dürfen nämlich, so wird es im verfassungsrechtlichen Gutachten von Paul Kirchhof stehen, nicht vom Staat eingezogen werden. Eine Erhebung über die Finanzämter ist daher ausgeschlossen – und eine staatsferne GEZ-Sammelstelle wird, solange es eine Gebühr für das bestehende öffentlich-rechtliche System gibt, fortbestehen müssen. Der Artikel schießt mit der krachigen Überschrift deutlich über das hinaus, was derzeit geplant ist. Kurzfristig mag dies Klicks bringen, mittelfristig erodiert dies Vertrauen.

Nicht nur irreführend, sondern peinlich ist, was Spiegel Online zum Thema TV-Gebühren auffährt: “Sat.1 und ProSieben wollen TV-Gebühren erheben” titelt die Qualitätsnachrichtensite aus Hamburg – und erntet dafür innerhalb kurzer Zeit über 170 Tweets. Dem Leser wird suggeriert, ProSiebenSat.1 plane irgendein GEZ-ähnliches System, irgendeine Form von “Gebühr” für das eigene Programm.

Es ist haushoch übertrieben, falsch und unterbietet alle bekannten Minimalstandards journalistischer Genauigkeit. Allein das Wortes Gebühr ist hier fehl am Platz. Eine Gebühr ist eine Abgabe, die für  behördliche Tätigkeiten erhoben wird (vgl. hier und hier). In Großbritannien ist es durchaus üblich, privatwirtschaftliche TV-Unternehmen an der BBC-Lizenzgebühr zu beteiligen. Würde dies auch hierzulande gefordert, es wäre ein echter Paradigmenwechsel.

Doch nichts liegt ProSiebenSat.1 derzeit ferner, als eine eigene “Gebühr” zu fordern. Der Senderverbund möchte lediglich mehr direkte Erlösquellen erschließen, “etwa über Pay-TV, Video-on-Demand oder andere Geschäftsmodelle”, wie der Vorstandsvorsitzende Ebeling mit Gespräch mit dem Handelsblatt betont. Das Wort “Gebühr” benutzt Ebeling nicht ein einziges Mal. Das Handelsblatt nimmt das Wort “Nutzungsgebühren” in den Vorspann und spricht selbst noch von “Bezahl-TV”.

Spiegel Online macht aus “Bezahl-TV” kurzerhand “TV-Gebühren” in der Überschrift und erntet den halbgaren Aufmerksamkeitserfolg. Im Pingpong-Spiel des Zitierens wird der wahre Kern langsam herausgewaschen.

Schade, man hätte sich von Handelsblatt und Spiegel Online hier eine präzisere und weniger aufgeregte Berichterstattung gewünscht. Das Thema GEZ-Gebühr und Fernsehzukunft verlangt mehr Ernsthaftigkeit.

Die hastige Aufgeregtheit der Publikationen zeigt aber auch, welche Sprengkraft in dem Thema Gebühren steckt. Käme es nämlich zur Haushaltsabgabe, wären PCs voll gebührenpflichtig. Auch der Single-Haushalt, der z.B. nur ein iPhone besitzt, muss dann die volle Gebühr ARD und ZDF zahlen.

Man könnte auch sagen: Die Haushaltsabgabe könnte das Ticket der Piratenpartei in den Bundestag sein. Da wird es noch einiges zum Thema zu sagen geben.

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