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Wein und Wasser: Warum es in einer offenen Medienlandschaft mehr Qualität gibt

von , 27.10.09

Es nicht weniger und nicht mehr als ein Kulturkampf: Die Bezahlwände sollen wieder hochgezogen werden. Rupert Murdoch läuft Amok gegen das Netz. Und im Subtext dröhnt die Frage: Können die klassischen Medien das Internet überleben?

Doch so ist die Frage falsch gestellt. Die richtige wäre: Wie konnten die Medien bisher ohne das Netz überleben?

Man stelle sich die Medienlandschaft probehalber einmal so vor: Wir haben eine Wirtschaft, die sich um zwei Güter dreht, sagen wir Wein und Wasser. Wasser steht dabei für kaum brauchbare oder nutzlose Information, auch für Propaganda. Wein steht für Analyse, Auseinandersetzung, Erkenntnis.

Schauen wir als erstes auf die Medienlandschaft, wie sie bisher aussah:

  • Totformatierte Radioprogramme, vollgemüllt mit Werbung
  • Krawalltalk à la Glenn Beck und Rush Limbaugh
  • Eine ständige Verstrickung von PR und Inhalten
  • Networks, die nahezu vollständig ohne Qualität auskommen (Fox News, CNBC)

Okay, es gab bislang auch gute Sachen. Kluge Analysen, wie etwa die von Fareed Zakaria. Aber eben: Wein gab es selten und man musste immer einen Kasten Wasser dazukaufen – der Wein war im Grunde nur eine Beigabe.

Und nun schauen wir uns eine offene Medienlandschaft an, in der jeder senden, verlinken und empfangen kann: Es gibt abertausende Blogs, die vorhersagbar, langweilig oder voreingenommen sind. Wasser. Aber die Qualität der Inhalte war eigentlich ohnehin schon am Tiefpunkt angelangt. Vorher gab es Krawallradio-Wasser, jetzt gibt es Blogwasser. Jeder kann jetzt Wasser anbieten – und so viel schlechter als das von den Großproduzenten ist es dann auch nicht.

Jetzt kommt der Unterschied: Der Wein ist besser. Das bringt eine offene Medienlandschaft mit sich. Nicht das Wasser ist besser, aber der Wein. Es mag auch viele langweilige, belanglose Inhalte im Netz geben. Aber es gibt auch viel mehr gute Anlaufstellen, wie Alex Tabarrok und Tyler Cowen, Robert Reich und  Paul Romer. Es gibt Barry Ritholz, es gibt Fred Wilson und Rick Bookstaber.

In einer offenen Medienlandschaft gibt es ungenießbares Wasser in rauhen Mengen, aber in Sachen Wein kann ich einen ganzen Kosmos entdecken. In einer geschlossenen Medienlandschaft dagegen bleibt einem meist nur das Wasser.

In Netz sind die neuen schlechten Angebote nicht dramatisch schlechter als die in den klassischen Medien, aber die guten sind um Einiges besser. In einer offenen Medienlandschaft gibt es daher im Endeffekt – mehr Qualität.

Die Medienlandschaft heute ist natürlich nicht perfekt. Die Schlacht um Geschäftsmodelle geht gerade erst los. Ökonomisch winken hier eigentlich enorme Zuwächse in punkto Produktivität und Effizienz. Hier liegt auch das Problem, das die Monopolisten von gestern heute haben: Echten Wert zu generieren, das war ihr geringstes Anliegen. Stattdessen haben sie schlechte Inhalte angeboten und ihre schiere Marktkraft ausgespielt; mit der Qualität ging es bergab.

Die Medienunternehmen haben genau deshalb jetzt Probleme damit, Geld im Internet zu verdienen, weil sie fast alle dasselbe Wasser anbieten – statt wirklich herausragendem Wein. Dafür will kaum einer viel bezahlen.

In den nächsten Jahren wird es wohl jeder Branche so gehen: man wird sich umstellen und geschlossene Systeme öffnen müssen. Die Kernfrage, egal in welchen Bereich, lautet deshalb: Stocherst Du im Wasser oder baust du Wein an?

Dieser Beitrag erschien im englischen Original als “The New (New) Mediaconomy” in Umair Haques Blog Edge Economy // Translated and reprinted with permission. © 2009 by Harvard Business Publishing; all rights reserved. Übersetzung: David Pachali/ RML.

Ebenfalls lesenswert zum Thema ist auch der Text von Steven Johnson: “Old Growth Media And The Future Of News

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