#Energiepolitik

Die undurchsichtigen Energiesparziele der EU

von , 12.11.08

Am Donnerstag will die Europäische Kommission nun ihre überarbeitete Energiestrategie vorstellen – und sie löst schon jetzt aufgeregte Debatten aus. Spiegel Online (und eine Reihe weiterer Medien) schreiben, die EU habe ihr ursprüngliches 20 Prozent-Ziel klammheimlich aufgegeben. Die Kommission beteuert das Gegenteil.

Hierzu ist zunächst einmal festzustellen, dass das Ziel von 20 Prozent nie wirklich existiert hat, obwohl die Kommunikationsabteilungen der EU-Institutionen dies seit März 2007 permanent behaupten. Schon der beim weltweit beachteten Gipfel im März 2007 verabschiedete Energieaktionsplan bleibt in Sachen Zielbestimmung außerordentlich vage. Er besagt nämlich lediglich, dass „die Energieeffizienz in der EU erhöht werden muss, damit […] das Ziel, 20 Prozent des EU-Energieverbrauchs gemessen an den Prognosen für 2020 einzusparen, erreicht wird“ (PDF).

Die 27 Staats- und Regierungschefs hatten somit keineswegs eine 20-prozentige Reduktion des gegenwärtigen Energieverbrauchs vereinbart, sondern lediglich eine entsprechende Reduktion des für 2020 prognostizierten Verbrauchs. Auf welche konkrete Prognose für das Jahr 2020 sich der Aktionsplan bezieht, bleibt unklar. Die Berechnungsgrundlage ist somit variabel. Der Aktionsplan lässt damit – wie alle seither veröffentlichten Dokumente zum Thema – im Dunkeln, wie das Einsparziel konkret lautet oder wie es zu errechnen wäre.

Die Wahl des Basisjahrs 2020 statt 2007 relativiert die Energiesparziele beträchtlich. Da in allen Szenarien von einem weiter steigenden Energieverbrauch in der EU ausgegangen wird, bedeutet eine Einsparung um 20 Prozent gegenüber den Prognosen für 2020 real eine Einsparung von ca. 15,8 Prozent gegenüber dem Ist-Wert von 2006 (Grundlage: das Baseline-Szenarios der EU-Generaldirektion Energie und Verkehr und Energieverbrauch laut EUROSTAT).

Aber: Bis heute hatte das (fast) niemand bemerkt. Jeder hat sich auf die Verlautbarungen der EU verlassen. Dass die Deutsche Presse-Agentur anhand der Zahlen im Vorentwurf der neuen Energiestrategie nachgerechnet hat, ist ihr hoch anzurechnen. Aber die Skandalisierung geht trotzdem in die falsche Richtung.

Denn was ebenfalls kaum bekannt ist: Wie auch immer die konkrete Einsparmarke lautet – es handelt es um ein sogenanntes „indikatives“ Ziel. Anders als die bis 2020 ebenfalls geplante Senkung der Treibhausgasemissionen um 20 Prozent oder der Ausbau der Erneuerbaren auf 20 Prozent soll die angestrebte Senkung des Energieverbrauchs nicht verbindlich sein. Wenn die Mitgliedstaaten die Einspar-Zielmarke verfehlen, kann das von Kommission und Europäischem Gerichtshof nicht sanktioniert werden.

Indikative Ziele sind eine Spezialität der EU-Gesetzgebung. Wenn sich Mitgliedstaaten und Parlament im Legislativverfahren nicht auf eine – in der Regel von der Kommission vorgeschlagene – verbindliche Zielmarke einigen können, dann muss man nicht die Zahl selbst verändern, sondern nur deren Charakter. Der Vorteil für die politische Kommunikation liegt auf der Hand. Das Ziel sieht weiterhin beeindruckend aus. Man behält die hohe Zahl einfach bei, aber beraubt sie ihrer realen Steuerungswirkung.

Was bleibt, ist das vage Versprechen, dass die Zielmarke irgendwann dann doch einmal verbindlich gemacht wird, etwa wenn politische Fortschritte ausbleiben. Im Bereich der Energieeffizienz ist das jetzt schon absehbar. Und genau darauf wäre am Donnerstag zu achten, wenn die EU-Kommission die Review der europäischen Energiestrategie vorlegt: Sollen die Energie-Einsparziele endlich verbindlich und deren Verfehlen sanktionierbar werden? Falls nicht, dann braucht man auch nicht weiter nachzurechnen.

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